(“Adventisten heute”-Aktuell, 19.1.2013) Für den zweiten Kongresstag hatten die Veranstalter ein buntes Programm zusammengestellt, das herausfordernde, informative und bewegende Momente enthielt.
Gott ist “mehr als gerecht”
Bereits um 8.30 Uhr forderte der emeritierte katholische Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, die Teilnehmer in seiner Morgenandacht mit dem Gedanken heraus: Gott ist mehr als gerecht – nämlich barmherzig! Er legte das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg aus, die denselben Lohn erhielten, unabhängig von ihrer Arbeitszeit. “Gott ist gerecht und mehr als gerecht”, denn er nehme auch jene auf, die ansonsten keine Chance gehabt hätten, die – wie im Gleichnis – zu spät auf dem Arbeitsmarkt angetreten seien. Dass diese denselben Lohn erhielten, schlage den menschlichen Erfahrungen ins Gesicht, so Wanke. Gott schaue hingegen nach den “Zurückgelassenen” und zeige Erbarmen, das über das Maß menschlicher Gerechtigkeit hinausgehe. Dies fange jedoch nicht erst im Himmel an. Christen könnten schon jetzt ein Beispiel dafür geben, dass es mehr als gerecht zugehe – nämlich barmherzig. Sie könnten etwa dafür sorgen, dass auch jene eine Chance erhielten, die sonst keine hätten. Zwar brauche der Staat Sozialpolitik und entsprechende Gesetze, es sollte aber auch noch mehr geben als “verordnete Solidarität”, so der Bischof.
Digitale Zukunft: Christen bieten “Projektnomaden” Geborgenheit
In einem vielbeachteten Vortrag befasste sich der Informations- und Politikwissenschaftler Prof. Klaus Henning (Aachen) mit der Zukunft Deutschlands. Aufgrund der Digitalisierung der Arbeitswelt und des Privatlebens würden immer mehr Menschen als “Projektnomaden” in weltweit vernetzten Lebens- und Arbeitsbedingungen tätig sein. “Auch diese Menschen brauchen Heimat”, sagte Henning. Christlichen Gemeinden stelle sich deshalb die Aufgabe, ihnen Räume der Geborgenheit bei gleichzeitiger digitaler Vernetzung zu ermöglichen. Die Digitalisierung biete “eine enorme Chance zur Neugestaltung der Welt”, beispielsweise zu einer neuen Balance von Arbeit und Ruhe, so Henning.
Angesichts der alternden und schrumpfenden Bevölkerung müssten deutlich bessere Bedingungen geschaffen werden, damit sich junge Familien für Kinder entscheiden. Der Ruf danach dürfe allerdings nicht nur an den Staat gehen. “Wir brauchen viel stärker soziale Familien”, sagte Henning. Die generationsübergreifende Zusammenarbeit müsse neu erfunden werden.
Warum die Medien Religion oft verkürzt darstellen
Am Nachmittag des zweiten Kongresstages fanden Fachplenen zu den Bereichen Bildung und Forschung, Energie und Umwelt, Wirtschaft und Finanzen, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft, soziale Verantwortung und Medien statt. Viel Beachtung fanden die Ausführungen des ARD-Fernsehjournalisten Markus Spieker (Berlin) beim Thema “Gott und die neue Medienwelt”. Dass religiöse Inhalte in den säkularen Medien oft verkürzt und damit verfälscht dargestellt würden, habe nicht mit einer bösen Absicht zu tun, sondern eher mit der Unkenntnis der Redakteure an der Materie oder strukturelle Vorgaben, weil man in wenigen Zeilen und in einer knapp bemessenen Zeit kaum erklärende Hintergrundinformationen unterbringen könne, sagte er.
Spieker übte Kritik an der christlichen Medienszene. Ihre Struktur sei zu “kleinteilig”. Sie spalte sich in viele verschiedene Interessengruppen auf. Wer etwa ein Buch geschrieben habe, für den sei es sehr mühselig, es erfolgreich am Markt zu platzieren. Man erhalte in der Regel weder Geld noch Anerkennung. Autoren könnten froh sein, wenn die Recherchekosten wieder hereinkämen, so Spieker. Er hoffe, dass es mit Hilfe des Internets gelinge, künftig christliche Themen besser auf einem breiteren Markt zu platzieren.
In einer Podiumsdiskussion im selben Fachplenum bemängelte der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung “Handelsblatt”, Michael Inacker (Berlin), die Entscheidung, Informationen und Nachrichten kostenlos ins Internet zu stellen. Diese Entwicklung könne man nun nicht mehr zurückdrehen: “Das ist wie bei jemandem, den man auf Drogen gesetzt hat.” Durch die kostenlose geistige Nahrung seien die Menschen verdorben worden. Kritik übte Inacker in dem Zusammenhang an der Piratenpartei, die sich dafür einsetzt, dass weiterhin alle Informationen kostenlos für alle erhältlich seien: “Das ist nackter Diebstahl.”
Junge Nachwuchsautoren ausgezeichnet
Am Nachmittag fand u. a. die Auszeichnung der Gewinner eines bundesweiten Schülerschreibwettbewerbs der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) und des Verbandes Evangelischer Bekenntnisschulen (Frankfurt) statt. Schüler der Klassen 9 bis 10 waren aufgefordert, ihren Ideen zum Thema “Ein ungewöhnliches Geschenk” freien Lauf zu lassen. Schüler der Oberstufe schrieben zum Thema “Die Welt im Jahr 2030”. Insgesamt hatten sich rund vierzig Jugendliche an dem Wettbewerb beteiligt. Eine Jury aus Pädagogen und Journalisten kürte schließlich die fünf besten Texte. Alle Gewinner erhielten wertvolle Sachpreise und die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Schreibworkshop.
“Lebenslinien”: Menschen, die Gott intensiv erlebten
Der zweite Kongresstag ging mit einem langen, außergewöhnlichen Abend zu Ende: Vier Christen berichteten von ihren Schicksalen, an denen “Gottes Handschrift sichtbar wird”, und berührten die Herzen der Kongressteilnehmer in besonderer Weise:
- Vor ziemlich genau drei Jahren – am 12. Januar 2010 – erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,0 Haiti. Die Bilder des Bebens gingen um die Welt. Der Amerikaner Dan Woolley war zu Filmaufnahmen in Haiti und wurde unter den Trümmern eines Hotels in Port-au-Prince begraben. 60 Stunden verbrachte Woolley in den Trümmern, bis er von den Einsatzkräften geborgen wurde – als einer der letzten Überlebenden.
- Der Schweizer Unternehmer Robert Roth bietet jährlich Praktikumsplätze für bis zu 120 Jugendlichen in einem der 15 Geschäftszweige seiner “Job Factory” in Basel. Über die Hälfte der Jugendlichen findet danach einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeitsstelle. Für seinen Einsatz gegen Jugendarbeitslosigkeit wurde Roth 2005 von der zum Weltwirtschaftsforum gehörenden Schwab-Stiftung als “Sozialunternehmer” ausgezeichnet. Bisher hat die “Job Factory” über 2.000 Jugendliche aus 20 Nationen gefördert.
- Irmhild Bärend war Chefredakteurin der evangelistischen Zeitschrift “Entscheidung”, außerdem Direktorin des Hilfswerks “Geschenke der Hoffnung” und Gründerin der Aktion “Weihnachten im Schuhkarton”. Eine echte Erfolgsgeschichte. Doch seit einem Unfall im Jahr 2004 ist sie vom Hals ab querschnittsgelähmt. Ihr Glaube an Gott hat dadurch jedoch ebenso wenig gelitten, wie Ihre Lebensfreude und ihr Tatendrang. Sie strahlt eine ansteckende Freude und Dankbarkeit aus!
- Er schützte u. a. die Boxlegende Muhammad Ali: der Leibwächter und bekennende Christ Michael Stahl. Dabei wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde in der Schule gehänselt und zuhause geschlagen. Allein sein christlicher Glaube gab ihm immer Kraft. Heute bringt der Personenschützer und Selbstverteidigungstrainer Kindern und Jugendlichen bei, sich selbst wertzuschätzen und zu verteidigen. Außerdem hält er Vorträge, leitet Projekte zur Gewaltprävention und engagiert sich gegen Mobbing und Rassismus.
Wer nicht die Möglichkeit hatte, diesen Abend in Leipzig zu erleben, kann die spannende Erfahrung von Dan Woolley und den mutmachenden Lebenslauf von Irmhild Bärend in den unten genannten Büchern nachlesen.
Von den Erfahrungen dieser vier Christen berührt, brachten die Kongressteilnehmer ihre Freude und Dankbarkeit im Lied zum Ausdruck: die auf Barbados geborene Gospel Sängerin Felicia Taylor sorgte mit ihrer Band für Stimmung, bis die Kongressteilnehmer gegen 22 Uhr müde aber dankbar das Kongresszentrum verließen. (idea/KcF/edp)