An Pfingsten feiern Christen das Kommen des Heiligen Geistes. Er ist Teil der Dreifaltigkeit (Trinität): Gott entfaltet sich in Vater, Sohn und Heiligen Geist. Bereits im Alten Testament ist vom Geist Gottes die Rede. Im Neuen Testament erscheint der Begriff „Heiliger Geist“ rund 100-mal. Kann man ihn genauso anbeten wie Gott, den Vater, und Jesus, den Sohn?
PRO
Oft wird darauf hingewiesen, dass es kein explizites Gebet gäbe, das Christen dazu motiviert, zum Geist Gottes zu beten. Doch wie kommt es, dass protestantische Theologen wie Martin Luther, Charles Spurgeon oder John MacArthur durch die Jahrhunderte nicht davor zurückscheuen, den Geist in Liedform oder im Gebet direkt anzusprechen?
Wer die Bibel sorgfältig studiert, wird feststellen, dass die Anrufung des Geistes nicht als Schwerpunkt des Gebetslebens ausgemacht werden kann. Die Grundausrichtung scheint zu sein: Wir beten zum Vater, im Namen Jesu, in der Kraft des Geistes. Dennoch lesen wir in Hesekiel 37,9–10, dass der Prophet dem Herrn gehorsam war, als er den Heiligen Geist mit der Bitte um ein belebendes Werk anrief: „… sprich zu dem Geist: So spricht der Herr, Herr: Komm … du Geist, und hauche diese Erschlagenen an, dass sie wieder lebendig werden! Da weissagte ich, wie er mir befohlen hatte; und der Geist kam in sie, und sie wurden wieder lebendig …“
Nur ein Kapitel zuvor hat Gott in Aussicht gestellt, dass er sein Volk mit dem Geist beschenken will. Auf Gottes Verheißung hin wendet sich der Prophet an den Geist. Es scheint also angebracht, wenn wir die dritte Person der Dreieinigkeit für die Dinge anrufen, für die sie verantwortlich ist, wie z.B. zu beleben, zu erneuern und geistliches Leben zu wirken. Wenn die Anrufung des Geistes nicht gestattet wäre, hätte Gott den Propheten nicht genau dazu veranlasst. Es scheint mir demnach mehr als angemessen, es Hesekiel gleichzutun. Das kann ein Ausdruck davon sein, was Paulus die „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ nennt (2. Korinther 13,13).
(Der Autor, Waldemar Justus, ist Pastor der Christusgemeinde Emmendingen (BEFG/Baptisten) sowie Dozent am International Seminary of Theology and Leadership (ISTL/Freiburg).)
KONTRA
Biblische Argumente für das Beten zum Heiligen Geist sind dünn. Sie wirken konstruiert, da es keine Verse im Neuen Testament gibt, die das begründen. Die Schrift schweigt darüber.
Der Heilige Geist hat die Funktion des „paraklet“, des Beistandes und Helfers: „Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen.“ (Römer 8,26). Epheser 2,18 sagt, dass wir durch ihn (oder in ihm) Zugang zum Vater haben.
Wir werden in der Schrift aufgefordert, im Geist – und nicht zum Geist – zu beten (Epheser 6,18; Judas 20). Er ist das Mittel, nicht der Gegenstand bzw. Adresse des Gebets. Das einzige Argument für das Beten zum Heiligen Geist wäre die Ableitung, die sich aus der Dreieinheit ergibt. Jedoch zeigt die gesamte Praxis des Neuen Testaments, dass aus der Theologie der Trinität nicht abgeleitet wird, dass der Heilige Geist Gegenstand der Anbetung ist. Zum Heiligen Geist wird im gesamten Neuen Testament kein einziges Mal gebetet. Obwohl der Heilige Geist ebenso Gott ist wie der Vater und der Sohn, richten sich die Gebete nicht direkt an ihn, sondern er ist vielmehr der Weg, über den die Gebete zum Vater/Sohn geschehen. Wir beten zum Vater, im Namen des Sohnes, mit der Kraft des Heiligen Geistes. Somit sind alle drei aktive Teilnehmer im Gebet eines Gläubigen.
Natürlich gebührt dem Heiligen Geist Ehrerbietung. Es ist der Geist des Sohnes, den der Vater in unsere Herzen gesendet hat (Galater 4,6; Matthäus 10,20). Dennoch schweigt die Bibel über das Beten zum Heiligen Geist. Deshalb sollten auch wir darüber schweigen.
(Der Autor, Thomas Lange, ist Mitarbeiter der Mission für Süd-Ost-Europa (Freudenberg) sowie Ältester und Prediger der Christlichen Gemeinde Niesky.)