Schnelle Reaktion auf Straftaten Jugendlicher sehr wichtig
Wie beurteilen christliche Experten den Umgang mit straffälligen Jugendlichen? Tobias Merckle (Leonberg) - Leiter des 2003 von württembergischen Christen begonnenen "Jugendstrafvollzugs in freien Formen" - hält eine schnelle Reaktion auf Straftaten Jugendlicher für sehr wichtig. Sie müssten mit der Perspektive des Opfers konfrontiert werden und die Erfahrung machen: "Wenn ich jemand Schaden zugefügt habe, muss ich das wiedergutmachen." Entsprechende Sanktionen müssten schon nach dem ersten Ladendiebstahl erfolgen, sagte Merckle auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Dadurch könnten viele "kriminelle Karrieren" verhindert werden.Allerdings sei es in der Wirklichkeit so, dass oft ein halbes Jahr oder teilweise mehr als ein Jahr vergehe, bis sich der Jugendliche für seine Tat verantworten müsse: "Dann ist der Bezug zur Straftat nicht mehr da." In vielen Fällen werde das Verfahren eingestellt. Wiedergutmachung kann laut Merckle zum Beispiel so aussehen, dass ein Ladendieb in dem betroffenen Geschäft Kehrdienste verrichtet oder bei der Inventur mithilft. Eine andere Sanktion könne gemeinnützige Arbeit sein, etwa Graffiti entfernen, in einem Tafelladen oder einem Altenheim helfen. Der Strafvollzug sollte, so der Sozialpädagoge, das letzte Mittel im Umgang mit jungen Straftätern sein.
Gemeinnützige Arbeit von Straftätern pädagogisch begleiten
In dem von Merckle geleiteten "Seehaus" in Leonberg werden verurteilte Straftäter im Alter von 14 bis 23 Jahren in einem ein- bis zweijährigen Erziehungsprogramm auf ihre Entlassung aus dem Gefängnis vorbereitet. Jugendliche leben dazu in Wohngemeinschaften mit Hauseltern und deren Kindern zusammen. Das Erziehungsprogramm umfasst neben schulischer Bildung, Berufsfindung und sozialem Training auch die Vermittlung von Normen und Werten.Merckle zufolge hat der Verein "Seehaus" im Oktober einen zusätzlichen Arbeitszweig begonnen: "Begleitete gemeinnützige Arbeit". Dabei werden junge Straftäter, die Sozialstunden ableisten müssen, angeleitet. Zusammen mit pädagogisch geschulten Mitarbeitern setzten sie beispielsweise Kinderspielplätze instand oder arbeiteten in einer Alten- und Behinderteneinrichtung mit. Die Jugendgerichtshilfe sehe für das Angebot, die Jugendlichen bei ihren Einsätzen zu betreuen, einen großen Bedarf.
Jugendkriminalität geht langsam zurück
Erfahrungen mit kriminell gewordenen jungen Menschen hat auch der in der Initiative "Christ und Jurist" engagierte Rechtsanwalt Winfried Folda (Weilheim/Oberbayern). Er ist seit 27 Jahren Strafverteidiger. Wie er idea sagte, geht die Jugendkriminalität langsam, aber kontinuierlich zurück. Dies hänge unter anderem mit verstärkten Initiativen zusammen, damit Heranwachsende erst gar nicht auf die schiefe Bahn geraten. So sei es wichtig, Schulschwänzen nicht zu dulden und mit Strafen zu ahnden. Bei Rechtsverstößen müsse der Täter möglichst schnell Konsequenzen spüren. Folda zufolge kommt es ferner darauf an, dass junge Ladendiebe frühzeitig erwischt werden: "80 bis 90 Prozent stehlen nach einer solchen Erfahrung nie wieder etwas." Nach seinen Erfahrungen haben die von ihm vertretenen Angeklagten einen vielfältigen sozialen Hintergrund. Darunter seien Jugendliche ausländischer Herkunft - etwa aus der Türkei, Syrien und dem Irak -, aber auch Russlanddeutsche und solche aus gutsituierten einheimischen Familien. Ein Problem sieht Folda gegenwärtig im zunehmenden Konsum synthetischer Drogen. Die Vereinigung "Christ und Jurist" besteht seit 1997. Sie hat Kontakt zu rund 1.000 Juristen. Vorsitzender ist der Rechtsanwalt Patrick Menges (München). (idea)- Näheres über das Seehaus-Projekt in Leonberg: http://seehaus-ev.de/