(“Adventisten heute”-Aktuell, 19.9.2014) “Es waren fantastische und bereichernde Tage. Und gut organisiert.” “Es war ein segensreicher und wunderbarer Kongress. Und das schöne Gefühl zu dieser großen Familie zu gehören!!! Fantastisch!! Ich danke Gott, dass ich dabei sein durfte und viele schöne Erlebnisse machen konnte.” Das sind nur zwei der vielen positiven Äußerungen nach dem ersten internationalen Kongress adventistischer Frauen der Intereuropäischen Division (EUD), der vom 5. bis 8. September in Schwäbisch Gmünd stattfand.
Sowohl die etwa 700 Frauen als auch die schätzungsweise 40 Männer erlebten einen sehr gut organisierten Kongress, kurzweilige Programme, interessante Aktionen, bewegende Augenblicke der Besinnung, praxis- und lebensnahe Workshops, lockere und lustige Begegnungen mit Teilnehmerinnen aus ca. 15 Ländern, eine ungewöhnlich gute (vegetarische) Verpflegung und auch angenehme Unterbringung im Christlichen Gästezentrum “Haus Schönblick”, ein unerwartet hochsommerliches Wetter u. v. m. Kein Wunder, dass sich die meisten Teilnehmerinnen bereits auf den nächsten Kongress freuen …
“Wir brauchen Sie als Frauen!”
Wie bereits berichtet (700 Frauen bringen den Sommer zurück nach Schwäbisch Gmünd), wurden die Teilnehmerinnen am Eröffnungstag herzlich von Vertretern der Stadt und der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Baden-Württemberg und in Süddeutschland (SDV) willkommen geheißen. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse hob die Fähigkeiten der Frauen hervor, “Konflikte anders auszutragen”, und dachte dabei auch an Russland, die Ukraine und Afrika. Er ermutigte die Kongressteilnehmerinnen, sich in ihren Herkunftsländern einzubringen, “denn nur mit Frieden kann man etwas erreichen und dazu brauchen wir Sie als Frauen”.
Ein Drittel der Teilnehmerinnen (255) kam aus Deutschland (85 aus Nord- und Ostdeutschland, 170 aus Süddeutschland), gefolgt von der Schweiz (66). Frankreich-Belgien, Italien und Rumänien folgten mit jeweils ca. 60 Frauen, Bulgarien mit 47, die Organisatoren und deren Helfer (EUD) mit 41, Österreich mit 35, Tschechien-Slowakei mit 21, Spanien mit 18 und Portugal mit 16.
“Frauen als Agenten für den Wandel”
Markus Czettl (Schatzmeister der Freikirche in Baden-Württemberg) wies darauf hin, dass Jahrzehnte lang nur Frauen die Verantwortung als Schatzmeisterinnen in Baden, Württemberg und später auch Baden-Württemberg wahrgenommen hätten. Heute nähmen auch Frauen diese Aufgabe in mehr als die Hälfte der 88 Ortsgemeinden wahr.
Werner Dullinger (Schatzmeister der Freikirche im SDV) hätte es lieber gehabt, wenn eine SDV-Präsidentin die Begrüßungsworte gesprochen hätte. “Wir arbeiten daran, zuerst warten wir aber ab, was 2015 in St. Antonio beschlossen wird”, sagte er in Anspielung auf die Behandlung des Themas Ordination von Frauen für das Pastorenamt während der Vollversammlung der weltweiten Kirche im Juli 2015 in St. Antonio (USA). Der SDV sei der erste Verband, der 1993 die erste Planstelle für die Abteilung Frauen eingerichtet habe. Für diese wurde damals Ingrid Naumann gewählt, die bis zum Eintritt in den Ruhestand sehr engagiert diese Aufgabe erfüllt habe. “Als Freikirche brauchen wir euch Frauen nicht nur als Mitarbeiterinnen, sondern auch als Leiterinnen, als Agenten für den Wandel”, meinte Dullinger.
Dreieinhalb Stunden Gottesdienst – ohne Pause!
Der zweite Kongresstag, der Sabbat, begann mit einem Gottesdienst um 9.15 Uhr, der – ohne Unterbrechung – dreieinhalb Stunden dauerte und an keiner Stelle Langeweile aufkommen ließ. Es gab bewegende Musikbeiträge und Lebensberichte; die bereits in Englisch, Spanisch und Französisch erschienene Frauenbibel wurde vorgestellt; ca. 25 Teilnehmerinnen bekamen Zertifikate für Fortbildungen in der Arbeit für Frauen überreicht … Und es gab eine sehr praxis- und lebensnahe Predigt von Carla Gober Park, Leiterin des Zentrums für Spiritualität und Ganzheitlichkeit an der Loma-Linda-Universität in Kalifornien. Sehr dynamisch sprach sie über Maria, die Jesus die Füße salbte, den Pharisäer Simon und den barmherzigen Samariter und verdeutlichte dabei: Es gibt Menschen, die zwar sehen können, aber doch nichts erkennen, und es gibt solche, die physisch blind sind, und dennoch mehr “sehen” als Gesunde. Nur dadurch, dass wir Jesus Christus näherkommen, werden wir befähigt, richtig zu sehen.
Bei der Kollekte, die während des Gottesdienstes gesammelt wurde, kamen knapp 4.000 Euro zusammen. Ein Teil davon soll Frauen in Haiti helfen, sich als Schneiderinnen ihren Unterhalt zu verdienen; der andere Teil war für die Beratungsstelle “Frauen helfen Frauen” in Schwäbisch Gmünd bestimmt, in der Frauen und Mädchen professionell, frauenspezifisch, anonym und unbürokratisch geholfen wird.
700 Frauen gehen “über den Jordan”
Am Samstagnachmittag sprach Raquel Arrais, assoziierte Direktorin der Abteilung Frauen bei der Weltkirchenleitung in den USA, darüber, was der Heilige Geist im Leben von Frauen verändern und durch sie für Menschen bewirken kann, die auf der Suche nach Gott sind. Sehr viele von den schätzungsweise 900 anwesenden Personen fassten den Entschluss, einen neuen Anfang mit Gott zu machen.
Es war eine für viele unvergessliche symbolische Handlung, als am späten Nachmittag sich ca. 700 Teilnehmerinnen gegenseitig halfen, den auf dem Kinderspielplatz künstlich angelegten “Jordan-Fluss” zu überqueren. “Gemeinsam erreichen wir leichter das Ziel unserer Lebensreise”, sollte die Botschaft sein. Nach dieser “Fußwaschung”, die am Ende eines spätsommerlichen Tages richtig gut tat, genossen sie das Abendessen im Freien am Buffet auf dem Sportplatz.
So bunt und doch eine Familie
Der zweite Kongresstag ging mit einem bunten internationalen Abend zu Ende, an dem die teilnehmenden Länderdelegationen Typisches aus ihrer Heimat kreativ-künstlerisch darstellten – einschließlich Musik- und Volkstanzeinlagen. “Jeder ist zurecht stolz auf seine Heimat und doch fühlen wir uns alle als eine Familie – in Europa und auf der ganzen Welt”, sagte Organisationsassistentin Hannele Ottschofski (Hechingen) in ihrer Besinnung zum Tagesausklang.
“enditnow” in Schwäbisch Gmünd
Am dritten Kongresstag (Sonntag) stand die weltweite Aktion “enditnow – Sag NEIN zur Gewalt gegen Frauen” im Mittelpunkt. Es handelt sich dabei um eine Aufklärungskampagne der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten und der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA International, die in über 200 Ländern für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen eintritt. Dazu gehört auch der Einsatz für die Opfer einer Genitalverstümmelung (englisch: Female Genital Mutilation, FGM).
Um möglichst viele Menschen auf diese Arbeit aufmerksam zu machen, gab es mehrere Aktion über den Tag verteilt – mit einem Informationsabend im Kongresszentrum als Abschluss und Höhepunkt.Es begann mit einem symbolischen Gruppenbild: Mit gelben Tüchern in der Hand füllten die Kongressteilnehmerinnen einen 40 Meter breiten Schriftzug ENDITNOW. Leider wäre eine Drohne nötig gewesen, um die Worte aus der Luft erkennbar festhalten zu können.
Flash-Mob und Konzert auf der Landesgartenschau
Da das Kongresszentrum “Schönblick” direkt am Gelände der Landesgartenschau liegt, bot sich an, auch die Sonntagsbesucher auf “enditnow” aufmerksam zu machen: mit verschiedenen Plakatwänden und Luftballons für Kinder, mit einem Flash-Mob unterhalb des Aussichtsturmes und mit einem Wohltätigkeitskonzert des Gospelchores Liron auf der Sparkassenbühne. Mit dem Flash-Mob (wie aus heiterem Himmel rennt ein schreiender Mann auf zwei Frauen zu, die er bedroht; sofort bildet sich dann eine schützende Mauer aus Frauen um sie, sodass der Angreifer aufgeben muss) lenkten die “Schauspielerinnen” die Aufmerksamkeit der erschrockenen Zuschauern auf ein großes Transparent, während Informationsmaterial verteilt wurde.
Am frühen Abend hielt der Gospelchor Liron mit Band ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten von “enditnow” unter dem Motto ” A Tribute to Gospel”. Der überdachte Platz vor der Sparkassenbühne (mit Platz für bis zu 1.000 Menschen) war sehr gut gefüllt, als der überkonfessionelle Chor eine spannende Mischung von dynamischen Gospels und besinnlichen Gospelpopsongs vortrug. Plakate rechts und links von der Bühne und die T-Shirts der Sängerinnen, Sänger und Bandmitglieder wiesen auf “enditnow” hin.
Worte und Bilder gingen unter die Haut
Bei der Abschlussveranstaltung des Tages im Kongresszentrum standen zwei besondere Frauen auf der Bühne: die Ärztin Cornelia Strunz und die Kenianerin Evelyn Brenda. Dr. Cornelia Strunz, Fachärztin für Chirurgie, ist die ärztliche Koordinatorin des Zentrums für Darm- und Beckenbodenchirurgie am “Desert Flower Center” Waldfriede in Berlin. Mit unter die Haut gehenden Fachinformationen und Bildern informierte sie über die medizinischen und psychosozialen Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung, sowie über die Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten, die seit dem 11. September 2013 im “Desert Flower Center” in Berlin angeboten werden. (Die Gründerin der “Desert Flower Foundation”, das durch ihr Buch und den Film “Wüstenblume” bekannte Model Waris Dirie, konnte leider aus Gesundheitsgründen nicht anwesend sein.)
Evelyn Brenda, die Dr. Strunz auch ins Englische übersetzte, wirbt für diese Arbeit auf den verschiedensten Veranstaltungen und Seminaren, die sie in Deutschland hält. Außerdem betreut sie drei Zentren in Kenia, die sich um Opfer der Genitalverstümmelung kümmern.
“Tragt das Licht in die Welt hinaus”
Der letzte Kongressvormittag am Montag war nicht ein Anhängsel, sondern enthielt wieder mehrere Höhepunkte. Neben der Musik, die bei Liedern wie “He is exalted” (Gott sei verherrlicht), “I surrender all” (Alles weihe ich Ihm) und “Side by Side we stay” (Wir stehen Seite an Seite) die Herzen berührte, stand eine letzte Ansprache von Carla Gober auf dem Programm. Es gab dabei viel zu lachen, als sie von der (wegen fehlender Sprachkenntnisse) rätselhaften Begegnung am Vorabend im Aufzug oder von der täglichen Zu-Bett-bringen-Zeremonie ihres Hundes durch ihren Mann erzählte. Es gab aber auch nachdenkliche Momente, als sie über die Heilung der verkrümmten Frau am Sabbat (Lukas 13,10ff.) sprach und dabei den Satz sagte: “Wenn wir versuchen, einen Menschen zu verändern, zerstören wir ihn.”
Nachdem die Leiterin der Delegation aus Spanien die 11. Öllampe und die aus Portugal die 12. anzündeten, kamen alle Frauenbeauftragte auf die Bühne, um sich mit Segens- und Dankesworten sowie mit Gebet zu verabschieden. Am Schluss verließen sie alle mit jeweils einer Öllampe in der Hand den Raum, nachdem die Versammlung das Lied “Side by Side we stay” gesungen hatte. So schön der Kongress auch war: Es galt, die Freude, die Wärme, das Licht in die Familien und Gemeinden weiterzutragen – und in eine Welt, die sich nach Orientierung und liebevoller Annahme sehnt. (edp)
- Bericht und Fotos vom Freitag
- Mehr über “enditnow” (Englisch)
- Mehr über das Desert Flower Center in Berlin
- Näheres über den Kongress (Englisch) hier und auf Facebook
Kleine Bilderauswahl
(Fotos: edp) (Bild anklicken, um es zu vergrößern)
Sabbat
Einer der vielen musikalischen Beiträge: der Chor aus Rumänien.
Sie gewann die Herzen der Zuhörerinnen: Carla Gober (rechts) mit ihrer Übersetzerin Frauke Gyuroka.
Weil zahlreiche Tagesgäste kamen, dürften es am Samstag 900 Personen gewesen sein, die den Kongress besuchten.
Bei der “Überquerung des Jordans”.
Beim Open-Air-Buffet auf dem Sportplatz.
Das leckere Essen (einschl. Käse und Trauben) reichte für alle!
Am internationalen Abend stellte Frankreich Kochaufgaben.
Der spanische Beitrag.
Ein kleiner Teil der deutschen Delegation.
Sonntag
Die Frauen stellen sich auf, um das Wort “enditnow” zu bilden.
enditnow
Es traf sich gut, dass gerade neben dem “Gästehaus Schönblick” die Landesgartenschau stattfand.
Der Infostand von “enditnow” auf der Landesgartenschau.
Nach dem Flash-Mob enthüllen die beteiligten Frauen das Plakat von “enditnow”.
Auch Dr. med. Cornelia Strunz (links) und Evelyn Brenda (2. von links) freuen sich über die gelungene Aktion.
Der Liron-Chor erntete begeisterten Applaus beim Wohltätigkeitskonzert auf der Sparkassenbühne.
Dr. med. Cornelia Strunz (links) und Evelyn Brenda bei dem höchst informativen aber auch berührenden Vortrag.
Der Liron-Chor sang am Ende des Abends noch zwei Lieder a cappella im Kongresszentrum.
Montag
Carla Gober (links) brachte selbst ihre Ãbersetzerin Frauke Gyuroka zum Staunen.
Die Leiterin der portugiesischen Delegation wird nun die letzte (12.) Öllampe anzünden.
Dank und Abschied. Von links nach rechts: Raquel Costa Arrais, Heather-Dawn Small,Carla Gober, Denise Hochstrasser, Frauke Gyuroka.
Auch für Petra Wolf (links), Abteilungsleiterin des Gästezentrums Schönblick, gab es warme Worte des Dankes von Denise Hochstrasser.
Ein letzter Musikbeitrag des rumänischen Chores.
Ein Kongress der besonderer Art geht zu Ende, nun gilt, das Licht hinausgetragen.