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Thomas' Tagebuch, Fazit: "Wir sind noch nicht im Himmel"

Lüneburg, 16. Juli 2015. Die Generalkonferenz-Vollversammlung in San Antonio liegt hinter uns. Mittlerweile bin ich wieder in Deutschland und sortiere die Mitbringsel und Gedanken. Was bleibt im Gedächtnis haften?

Zwei wichtige Ergebnisse

Das große adventistische Treffen, zu dem sich über 2000 Delegierte und Zehntausende Gemeindeglieder aus aller Welt versammelten, hatte einen Spannungsbogen, der vom ersten Tag (Donnerstag, 2. Juli) bis zum darauffolgenden Mittwoch (8. Juli) reichte - der Tag, an dem die Delegierten gegen eine regional unterschiedliche Ordinationspraxis stimmten. San Antonio wird vermutlich stets in einem Atemzug mit diesem Beschluss genannt werden. Die Dynamik in den Geschäftssitzungen ließ bereits früh erkennen, worauf es hinauslaufen würde. Die restlichen Tage der Vollversammlung verliefen ohne große innere Anspannung, viele waren gedanklich mit der Aufarbeitung der Ordinationsentscheidung beschäftigt.
Der zweite weitreichende Beschluss von San Antonio betrifft die Neuformulierung einiger Passagen unserer 28 Glaubenspunkte. Meist handelt es sich um sprachliche Modernisierungen, bei drei Glaubenspunkten wurden jedoch substanzielle Änderungen bzw. Klarstellungen beschlossen: Punkt 6 (Die Schöpfung), Punkt 18 (Die Gabe der Weissagung) und auch bei Punkt 24 (Christi Dienst im himmlischen Heiligtum). [Siehe Tagebucheinträge vom 6. Juli und vom 7. Juli.] Alle weiteren Beschlüsse dürften nur geringe Auswirkungen auf die Arbeit unserer Kirche haben. Es bleibt abzuwarten, welche Akzente die neu in die Verantwortung gewählten Leiter setzen - vor allem die neuen GK-Vizepräsidenten und Divisionsvorstände.

Die Betonung der Wiederkunftserwartung

Neben den administrativen Weichenstellungen soll von einer GK-Vollversammlung stets auch eine Botschaft in die Gemeinden gesandt werden. Und tatsächlich wird sie vom Motto dieser 60. Weltsynode gut zusammengefasst: "Mache dich auf! Werde Licht! Jesus kommt!" Die Wiederkunftserwartung durchzog jede Andacht, fast jede Geschäftssitzung, jeden Rechenschaftsbericht und jeden Zukunftsplan. Und diese "Erwartung" wird nicht als untätiges "Warten" verstanden, sondern als Auftrag zur Mission, die sich in Verkündigung und Dienst ausdrückt. Dabei werden kreative Methoden durchaus geschätzt. Hier zeigt sich unsere Kirche vielerorts modern und aufgeschlossen.

"Arise! Shine! Jesus is coming!": Mache dich auf! Werde Licht! Jesus kommt! -das Motto lehnt sich an Jesaja 60,1 an. (Foto: Bryant Taylor/NAD)

Ich habe die Vielfalt auf dieser Vollversammlung genossen - so viele unterschiedliche Menschen, Sprachen, Landestrachten, Sichtweisen und Missionsansätze. Gleichzeitig fühlte ich mich des Öfteren um Jahrzehnte zurückversetzt. An den häufigen Gebrauch der Schlagworte "Jesus kommt bald", "Dreifache Engelsbotschaft" und "Geist der Weissagung" kann ich mich gut erinnern. Es ist der Sound meiner Kindheit (siehe den ersten Tagebucheintrag). Und damals wie heute habe ich den Eindruck, dass es vor allem um die Formulierungen geht - es wird sich kaum inhaltlich damit auseinandergesetzt. Bestimmt wäre es aufschlussreich gewesen, die Delegierten aus aller Welt zu befragen, was sie z. B. konkret unter der "Dreifachen Engelsbotschaft" verstehen und auf welche Weise sie verkündigt werden soll.

Welchen theologischen Schwerpunkt haben wir?

Während im Hinblick auf die Wiederkunft Christi die Mission betont wird, sind Themen wie persönliche Heiligung (in früheren Zeiten manchmal mit einer Tendenz zum Perfektionismus), Gesetzesgehorsam und Gericht, die früher oft mit der Wiederkunftserwartung verbunden wurden, in den Hintergrund gerückt. Das empfinde ich als wohltuend, weil dadurch der Gnade Gottes mehr Raum gegeben wird. Schließlich werden wir aus Gnade - und nur aus Gnade - gerettet!

Als überragenden theologischen Schwerpunkt unserer Kirche wünsche ich mir Christus. Sein Leben, sein Sterben, seine Auferstehung und seine Wiederkunft, sein Werk, das er für uns und in uns tut, bilden das Zentrum unseres Glaubens und unserer Lehren. Manchmal hatte ich in San Antonio den Eindruck, dass nicht Christus, sondern die Bibel (sehr häufig in einem Atemzug genannt mit dem "Geist der Weissagung", gemeint sind die Schriften Ellen Whites) im Zentrum steht. Dabei ist doch Christus die Mitte der Schrift. Diese Erkenntnis würde vermutlich kein in einer verantwortlichen Position dienender Adventist bestreiten, sie kam mir aber zu kurz. Warum sollen wir die Bibel lesen? Natürlich um Christus besser kennenzulernen! Warum hat das niemand so deutlich gesagt?

Bronzskulptur Jesus und die Ehebrecherin

Christi Leben, sein Sterben, seine Auferstehung und seine Wiederkunft,sein Werk, das er für uns und in uns tut, bilden das Zentrum unseres Glaubensund unserer Lehren. (Foto: Diana Consuegra/NAD)

Zudem habe ich einen wegweisenden Grundsatzvortrag vermisst, wie ihn der Theologe und Kirchenhistoriker George Knight bei der GK-Vollversammlung 2000 in Toronto auf Einladung des damaligen GK-Präsidenten Jan Paulsen hielt. Die Lektüre seiner Predigt "Wenn ich der Teufel wäre..." lohnt noch immer (enthalten im Anhang seines Buches Adventgemeinde - fit für ihre Mission?, Advent-Verlag, Lüneburg).

Die administrative und die dienende Seite der Kirche

Bei der GK-Vollversammlung haben sich beide Seiten unserer Kirche präsentiert, die administrative und die dienende (wobei die Administration dazu dienen soll, den Auftrag der Kirche wirksamer zu organisieren): Auf der einen Seite geht es viel um Verwaltung, Verfahrensweisen und Regeln, auf der anderen Seite geht es um das Evangelium und die Menschen. Auf der einen Ebene wird darum gerungen, welche theologischen Einflüsse und die für sie stehenden Personen sich durchsetzen, auf der anderen, wie Menschen am besten Christus kennenlernen und seine Jünger werden. Offenbar gibt es das eine nicht ohne das andere. Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir sind noch nicht im Himmel.

Einheit - aber wie?

Es gibt ferner eine "nördliche" und eine "südliche" Adventgemeinde. Auch bei uns deutet sich einiges davon an, was der amerikanische Historiker und Religionswissenschaftler Philip Jenkins in seinem Buch Die Zukunft des Christentums (2006) beschrieben hat: Die Mehrheit der Christen lebt nicht mehr in den christlich geprägten Ländern Europas und Nordamerikas, sondern in Afrika, Lateinamerika und Asien. Diese Christen geben mehr und mehr den theologischen Takt an.

  • Ihr Glaube ist unmittelbarer, freimütiger, weniger akademisch, sie neigen zu einer der Verbalinspiration nahekommenden Lesart der Bibel. Das treibt einerseits die Mission an und erschwert andererseits eigenständiges Denken.
  • Die Moral ist strenger, was einerseits die Familie schützt, andererseits zu Unbarmherzigkeit führen kann - beispielsweise im Umgang mit Homosexuellen.
  • Die Gruppe wird stärker gewichtet als der Einzelne, was einerseits die Gleichheit unter den Gläubigen fördern, andererseits ein Einfallstor für Hierarchiedenken sein kann.
  • Übernatürliche Phänomene wie Wunder, Heilung und der Kampf gegen dämonische Mächte spielen eine größere Rolle (bei Pfingstlern noch viel deutlicher zu beobachten), was einerseits einen Blick hinter die Kulissen des "Großen Kampfes" öffnet, andererseits den Aberglauben und eine ungute Konzentration auf das Wirken Satans fördern kann. Aber auch in den "südlichen" Ländern schreitet der gesellschaftliche Wandel voran. In Brasilien gibt es bereits Adventgemeinden, die speziell postmodern denkende Menschen erreichen wollen.

Zwei Frauen aus Kenya

Die Mehrheit der Christen lebt nicht mehr in den christlich geprägten LändernEuropas und Nordamerikas, sondern in Afrika, Lateinamerika und Asien.Diese Christen geben mehr und mehr den theologischen Takt an.(Foto: Zwei Besucherinnen aus Kenia. Steven Norman/NAD)

Wie gehen wir künftig mit diesen Unterschieden um? Wie kann die Einheit der Gemeinde bewahrt werden und welches Verständnis von Einheit pflegen wir? Aus meiner Sicht kann bei uns nur eine Einheit in Vielfalt bzw. in Verschiedenheit funktionieren. Ellen White schrieb dazu: "Wir können nicht die Position vertreten, die Einheit der Gemeinde bestünde darin, jeden Bibeltext in genau demselben Licht zu sehen. Die Gemeindeleitung mag eine Resolution nach der anderen verabschieden, aber wir können das Denken und den Willen nicht zwingen und damit die Unstimmigkeiten ausrotten ... Nichts kann die Einheit der Gemeinde vollkommen machen, außer dem Geist christusähnlicher Langmut." (Ellen G. White, Manuskript 24 , 1892)

Einheit ist wünschenswert, doch unabdingbar ist die Gesinnung Christi - seine Liebe und Langmut -, welche die Einheit erst ermöglicht. Wenn wir uns von Gottes Liebe füllen lassen und mit diesem "Treibstoff" unsere Glaubensgeschwister lieben - ganz gleich, ob in unserer Ortsgemeinde, in unserem Land oder irgendwo auf der Welt -, dann fördern wir automatisch die geistliche Einheit der Gemeinde. Paulus wusste, warum er schrieb: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen." (1 Kor 13,13)

Thomas Lobitz, Advent-Verlag Lüneburg

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