Drei Frauen, die sich in San Antonio zu Wort melden (v. l. n. r.):Dr. Tara VinCross, Direktorin der Schule für Stadtevangelisation REACH im Columbia Verbandund Hauptpastorin der REACH Adventgemeinde in Philadelphia (Pennsylvania, USA);Dr. Gina Brown vom Columbia Verband; Julie Sanders Keymer von der NAD.(Fotos: Rohann Wellington/NAD)
Worum es geht und was man wissen sollte
Die Debatte um die Einsegnung von Frauen zum Pastorendienst (nachfolgend Frauenordination genannt) ist vordergründig ein theologischer Konflikt, der bisher vor allem auf der (fach-)theologischen Ebene in zahlreichen Studienausschüssen, zuletzt im Theology of Ordination Study Committee (TOSC, s. u.) verhandelt wurde, aber dort nicht gelöst werden konnte.
Der Einfluss der Kultur
Die Konfliktlinien der Debatte legen den Schluss nahe, dass die kulturelle Brille, mit der in den verschiedenen Weltregionen die Bibel gelesen wird, für das Verständnis in dieser Frage eine entscheidende Rolle spielt. Auch wenn es manche Theologen nicht zugeben würden, ist nicht nur die Hermeneutik für das eigene Verständnis der Bibel verantwortlich – also die Art und Weise, wie wir an biblische Texte herangehen und welche Autorität wir der Bibel beimessen. Denn es gibt zahlreiche Theologen, die die gleiche Hermeneutik verwenden und dennoch in dieser und anderen Fragen zu gegensätzlichen Ergebnissen kommen.
Eine wichtige Rolle spielt auch der “Faktor Mensch”: seine Persönlichkeit, seine Prägungen durch Erziehung und Kultur, auch sein Bildungsstand. Das würde erklären, warum die Haltung zur Frauenordination stark mit der Weltregion bzw. Kultur einhergeht, aus der die entsprechende Person stammt. Der Umstand, dass es auch Gegner der Frauenordination in den westlichen Regionen gibt – es sind sogar oft Wortführer -, widerlegt diese These nicht, denn es gibt – wie erwähnt – auch andere Einflüsse persönlicher Natur und auch immer Ausnahmen vom allgemeinen Trend.
Ein Beispiel für den Einfluss der Kultur ist die Inter-Amerikanische Division, mit 3,6 Millionen Adventisten die größte der 13 Weltdivisionen. Ihr Gebiet umfasst Mittelamerika, die Karibik und das nördliche Südamerika. Es gibt in dieser Region drei große Kultur- und Sprachgrenzen: die englisch-, die spanisch- und die französischsprechenden Länder. Während die Adventisten in den englischssprachigen Ländern die Frauenordination mehrheitlich befürworten, wird sie in den beiden anderen Sprachregionen mehrheitlich abgelehnt. Ansonsten ist man dort theologisch durchaus auf der gleichen Wellenlänge, aber die gesellschaftliche Stellung der Frau ist unterschiedlich. So lässt sich erklären, dass die Haltung der Divisionen in der Ordinationsfrage entlang der kulturellen Grenzen verläuft (s. u.).
Dass die Kultur das Verständnis der Bibel mitprägt, wurde 2014 auch vom Generalkonferenz-Exekutivausschuss anerkannt, was die Abstimmungsfrage an die GK-Delegierten zeigt, die eine Regionalisierung (Kulturalisierung) dieser Frage zur Entscheidung stellt (s. u.).
Ordinationsdebatte und kein Ende?
Man mag eine Art Déjà-vu gegenüber den Abstimmungen über Frauenordination 1990 und 1995 haben. Gab es damals nicht schon die gleichen Diskussionen, Papiere, Argumente (z. B. die Publikationen Women in Ministry [pro] vs. Should we be silent? [contra])? Auch eine Reihe der jeweiligen Wortführer sind gleich geblieben, einige neue sind hinzugekommen.
Zur Erinnerung: 1990 entschied die GK-Vollversammlung, Frauen “derzeit” nicht zum Pastorendienst einzusegnen (was eine spätere andere Entscheidung ausdrücklich nicht ausschloss). Sie beschloss aber ihre Einsegnungsmöglichkeit als Gemeindeälteste mit der Berechtigung, Trauungen abzuhalten. 1995 durften Älteste (und damit auch Frauen) taufen. Und seit 2010 dürfen Frauen auch ganz offiziell als Diakone eingesegnet werden. Jetzt fehlt nur noch die Einsegnung zum Pastorendienst bis zur völligen Gleichstellung in den geistlichen Diensten. Vielleicht ist die Auseinandersetzung deshalb so hart geworden, weil es für die Frauen keine “Trostpflaster” mehr zu vergeben gibt – jetzt geht es ums Ganze!
Was in San Antonio anders ist
In zwei Punkten unterscheidet sich die Abstimmung in San Antonio zudem von den vorherigen:
- Noch nie wurde weltweit das Thema “Ordination” so intensiv erforscht. Dabei wurde auch grundsätzlich über das Verständnis der Ordination beraten. Es gab ja nicht nur das TOSC, sondern in den 13 Divisionen ebenfalls Studienausschüsse. Weder die TOSC noch die regionalen Studienausschüsse kamen dabei auf einen Nenner (s. u.).
- Die Frage, die den Delegierten zur Abstimmung vorliegt, wurde mit der ganzen Autorität des GK-Exekutivausschusses, des höchsten GK-Gremiums zwischen den Vollversammlungen, formuliert. 1995 kam der Antrag zur Regionalisierung der Ordination nur von einer Division (NAD).
Das TOSC, bestehend aus 106 Theologen, konnte sich nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen, sondern formulierte drei unterschiedliche Positionen (siehe auch Mai-Ausgabe 2015 von adventisten heute):
- Position 1 (vertreten von 32 TOSC-Mitgliedern) spricht sich dafür aus, dass in der Weltkirche ausschließlich qualifizierte Männer zum Pastorendienst eingesegnet werden dürfen.
- Position 2 (vertreten von 40 TOSC-Mitgliedern) befürwortet die Einsegnung von Frauen zum Pastorendienst und besagt gleichzeitig, dass diese keiner Dienststelle aufgezwungen werden dürfe.
- Position 3 (vertreten von 22 TOSC-Mitgliedern) besagt, dass Gott zwar ein Modell der männlichen Leiterschaft (“Male Headship”, siehe Adventisten heute, Februar 2015) eingesetzt habe, aber Divisionen autorisiert werden können, sowohl Männer als auch Frauen zum Pastorendienst einzusegnen, wenn sie das für ihren Bereich für angemessen und biblisch vertretbar halten.
Die Entscheidungsfrage an die GK-Delegierten
Nachdem die TOSC keine einmütige Empfehlung für oder gegen eine Einsegnung von Frauen gegeben hatte, befasste sich der GK-Exekutivausschuss auf seiner Herbstsitzung 2014 mit dieser Thematik und stimmte am 14. Oktober mit großer Mehrheit (243 zu 44 Stimmen) einem Antrag zu, das Thema in Form einer Frage an die Delegierten der GK-Vollversammlung im Juli weiterzuleiten. Sie lautet:
“Nachdem du unter Gebet die Ordinationsfrage anhand der Bibel, des Schrifttums von Ellen White sowie der Berichte der Studienkommissionen erforscht hast, und nachdem du reiflich überlegt hast, was das Beste für die Kirche und die Erfüllung ihrer Mission ist: Ist es für die Exekutivausschüsse der Divisionen zulässig, sofern sie dies für ihr Gebiet als angemessen erachten, Bestimmungen für die Ordination von Frauen zum Pastorendienst zu erlassen? Ja oder Nein.”
(Siehe auch Adventist World, Dezember 2014, S. 7.) Im Falle einer mehrheitlichen Zustimmung würde jeder der 13 Divisionen unserer Kirche die Möglichkeit eingeräumt werden, Frauen in ihrem Verwaltungsgebiet zum Pastorendienst einzusegnen, falls erwünscht.
Generalkonferenzpräsident Ted Wilson rief die Gemeindeglieder zum persönlichen Studium dieser Frage auf (siehe Adventist World, November 2014, S. 5ff.).
Die Empfehlungen der Divisionen
Jede der 13 Divisionen hat in einer eigenen Studienkommission die Ordinationsfrage studiert und deren Ergebnisse bezüglich der Frauenordination an einer TOSC-Konferenz präsentiert. Fünf von ihnen haben die Ordination von Frauen zum Pastorendienst befürwortet, eine Division stimmt mit Vorbehalt zu, eine andere hat sich nicht entschieden, fünf weitere sind dagegen, kündigten aber keinen Widerstand an, falls die Generalkonferenz-Vollversammlung dafür stimmen würde, und eine ist vorbehaltlos gegen die Frauenordination.
Uneingeschränkte Zustimmung:
- Intereuropäische Division (EUD): Einstimmige Zustimmung. Territorium: Mittel- und südeuropäische Länder.
- Nordamerikanische Division (NAD). Territorium: USA und Kanada.
- Nord-Asien Pazifik Division (NSD). Territorium: China, Japan, Korea, Mongolei.
- Südpazifische Division (SPD). Territorium: Australien, Neuseeland, Papua-Neuguinea und pazifische Inseln.
- Transeuropäische Division (TED): Territorium: Nord- und südosteuropäische Länder.
Zustimmung mit Vorbehalt:
- Inter-Amerikanische Division (IAD): Territorium: Mexiko, mittelamerikanische und nördliche Staaten von Südamerika. Ja, sofern der Beschluss zur Frauenordination durch die Generalkonferenz-Vollversammlung gefasst werde.
Ablehnung mit Vorbehalt:
- Ost-Zentralafrikanische Division (ECD): Vertreter der ECD-Studienkommission räumten ein, dass es Aspekte gebe, die für die Frauenordination sprächen.
- Euro-Asien Division (ESD): Territorium: Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die ESD-Studienkommission unterstützt die Idee, dass andere Divisionen selbst über die Frauenordination entscheiden können sollten.
- Südamerikanische Division (SAD): Territorium: Südamerikanische Staaten ohne die nördlichen Staaten Südamerikas. Die SAD-Studienkommission sei bereit, die Kirche zu unterstützen, wenn sie sich in eine andere Richtung bewege.
- Südasien-Pazifik Division (SSD): Territorium: Bangladesch, Pakistan, Indochina, Philippinen, Indonesien, Malaysia. Die Mehrheit der SSD-Kommissionsmitglieder sei gegen die Frauenordination, die SSD-Kirchenleitung werde aber die Entscheidung der Weltkirche unterstützen.
- West-Zentralafrikanische Division (WAD): Die WAD-Studienkommission werde die Entscheidung der Weltkirche unterstützen.
Vorbehaltlose Ablehnung:
- Südliches-Afrika-und-Indischer Ozean-Division (SID)
Keine Entscheidung:
- Südasien Division (SUD): Territorium: Indien, Nepal. Die SUD-Kirchenleitung unterstütze die Weltkirche auf ihrem Weg, die SUD-Studienkommission habe aber keine Entscheidung getroffen.
Wenn man in den bisherigen Debatten zu den Änderungen der Gemeindeordnung auf dieser GK-Vollversammlung erlebt hat, wie prominente Gegner der Frauenordination bei den Fragen, die irgendwie den Dienst von Frauen in der Gemeinde berühren, mit Geschäftsordnungstricks versuchen, sie aus allen pastoralen Diensten herauszudrängen, erwarte ich am Mittwoch eine verbissene Diskussion. Ich hoffe und bete um eine weise Tagungsleitung und um eine weise Entscheidung.
Thomas Lobitz, Advent-Verlag Lüneburg