Gegen die Ansicht, die Kirchen seien in einer säkularen Gesellschaft überflüssig, hat sich die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW/Berlin) gewandt. Wie deren Referent Prof. Michael Utsch im Informationsbrief der EZW schreibt, hätten mehrere Feuilleton-Beiträge in den vergangenen Wochen die Rückständigkeit und Nutzlosigkeit der Kirchen angeprangert. So hatte der ehemalige Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD , Gerhard Wegner (Coppenbrügge bei Hameln), in einem Gastkommentar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe vom 14. Januar) geschrieben, das Coronavirus mache endgültig deutlich, „wie nutzlos die Kirchen mittlerweile geworden sind. Religiös Hilfreiches zur Bewältigung der Krise war von ihnen nicht zu hören“.
Dazu schreibt Utsch: „Ob die Kirchen tatsächlich zu wenig Trauer- und Bewältigungsangebote für die gegenwärtige Pandemie-Krise bereitstellen, wie ihnen vorgeworfen wird, ist Ansichtssache.“ Es gebe jedoch „unendlich viele kreative Gesprächs-, Meditations- und Seelsorge-Angebote in den Kirchen“. Utsch zufolge bietet der christliche Glaube Sinndeutungen an, um bohrende existenzielle Fragen zu beantworten sowie Hoffnung und Vertrauen über den Tod hinaus zu stiften. Außerdem bildeten religiöse Werte eine zentrale Säule der Kultur und seien damit identitätsstiftend. Der Deutsche Kulturrat habe 2017 in Thesen beschrieben, „wie Religionen wichtige Beiträge zur kulturellen Integration leisten, indem sie etwa durch ihre Wertvorstellungen den Gemeinsinn stärken“.
Gottesdienst vor Gedenkakt für Corona-Tote ist „klug“
Utsch bezeichnet es deshalb als klug, dass nun unmittelbar vor dem staatlichen Gedenkakt für die Corona-Toten am 18. April ein ökumenischer Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche stattfinden soll, der live in der ARD übertragen wird. Utsch: Damit erinnert sich die Regierung an ihre kulturellen Wurzeln und übergeht die zahlreichen und bewährten Möglichkeiten christlicher Trauerkultur und Angstbewältigung vor Tod und Sterben nicht.“ Die Gedenkfeier für die Corona-Toten hat das Bundespräsidialamt terminiert. Die Kirchen waren zunächst nicht einbezogen. Das hatten Medien als Beleg für einen weiteren Bedeutungsverlust der Kirchen gedeutet.