(“Adventisten heute”-Aktuell, 5.8.2011) Seit 1995 gibt es im Norddeutschen Verband der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten eine Ethikkommission, die sich mit “schwierigen Personalentscheidungen” der Adventisten in Nord- und Ostdeutschland befasst, heißt es in dem Artikel “Geschiedene Pastoren immer entlassen?” in der August-Ausgabe der Gemeindezeitschrift “Adventisten heute”. Vor 1995 sei einem Pastor, dessen Ehe scheiterte, in jedem Fall gekündigt worden, berichtete Pastor i. R. Harald Weigt, Mitglied der Ethikkommission. In den Ausschüssen der Freikirche hätte bis dahin mehrheitlich die Meinung geherrscht, dass ein geschiedener Pastor beim Zusammenhalt seiner Ehe versagt habe, seinen Gemeinden in Ehefragen kein Vorbild mehr sein und bei Trauungen die Frage nach der biblischen Dauer der Ehe “bis der Tod euch scheidet” nicht mehr in Vollmacht stellen könne.
Prüfung der Ursachen nötig
Den Verantwortlichen im Norddeutschen Verband der Freikirche sei damals bewusst geworden, dass diese Haltung auch sehr ungerecht sein könnte, ergänzte der Vorsitzende der Ethikkommission, Pastor Friedbert Hartmann (Hannover), in dem Artikel. “Wenn beispielsweise eine Frau ihren Mann verließ, um mit einem anderen Mann zusammenzuleben, war eine genaue Prüfung der Ursachen nötig: Hatte der Pastor so sehr versagt, dass er entlassen werden musste, oder hatte seine Frau sich an seiner Seite nicht selbstverwirklichen können und war deshalb eigene Wege gegangen?”
Ethikkommission erarbeitet nur Empfehlungen
Wenn es um Ehefragen gehe, befrage die Ethikkommission die Ehepartner einzeln oder gemeinsam zu ihren Problemen, informierte Weigt. Da die Mitglieder der Kommission unter absoluter Schweigepflicht stünden, könnten in diesem Kreis auch über ganz persönliche Fragen offen gesprochen werden. Die Bewertungskriterien der Ethikkommission seien die Aussagen der Bibel über Eheführung, Ehescheidung und Wiederverheiratung, diesbezügliche Richtlinien der Freikirche, falls vorhanden, und die Bewertung der Situation nach ethischen beziehungsweise moralischen Grundsätzen. Die Ethikkommission treffe aber keine Entscheidung über den Betroffenen, sondern erarbeite eine Empfehlung, “die eine wichtige Entscheidungsgrundlage” für das im jeweiligen Fall zuständige Gremium der Freikirche darstelle.
Seelsorgerliche, theologische und medizinische Kompetenz
Die Ethikkommission setze sich aus sieben Frauen und Männern zusammen, die mit seelsorgerlicher, theologischer und medizinischer Kompetenz die jeweilige Situation des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin bewerten würde, so Pastor Hartmann. Wenn nötig, könnten weitere Personen hinzugezogen werden, etwa der zuständige örtliche Gemeindeleiter oder ein Jurist. Inzwischen gehe es in der Ethikkommission nicht nur um Scheidungsfragen, sondern beispielsweise auch um sexuelle Verfehlungen, den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs an Kindern, die Verheiratung eines adventistischen Pastors mit einer Nichtadventistin oder einer Muslima.
Gründliche Prüfung statt Automatismus
Es habe sich in den vergangenen 16 Jahren gezeigt, dass es für die Entscheidungsgremien der Freikirche eine große Hilfe sei, zu wissen, dass ein von der Freikirchenleitung unabhängiges Gremium existenziell wichtige “ethische Fragen gewissenhaft und gründlich geprüft” habe und die Empfehlung in dem Bewusstsein “einer großen Verantwortung” weitergebe, schlussfolgerte Harald Weigt. “Auch für die Pastoren und Pastorinnen ist es wichtig zu wissen, dass im Fall des Scheiterns ihrer Ehe nicht automatisch ihre Entlassung folgt, sondern die Trennungsgründe aufgeklärt und neutral nach den genannten Kriterien bewertet werden.”
Wie Pastor Dietrich Müller (Ostfildern bei Stuttgart), Sekretär (Geschäftsführer) des Süddeutschen Verbandes der Freikirche, mitteilte, gebe es auch für die Adventisten in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern eine dem Norddeutschen Verband entsprechende Ethikkommission. (APD)