Allerheiligen, Volkstrauertag, Ewigkeitssonntag – Der November erinnert wie kein anderer Monat an die Vergänglichkeit des Lebens. Dass in ihm die meisten Menschen sterben, kann Bettina Dobernecker aber nicht bestätigen. Und sie muss es wissen – die 54-Jährige leitet ein Bestattungshaus im vogtländischen Markneukirchen. idea-Reporterin Lydia Schubert hat sie getroffen.
Wenn ihr Telefon klingelt, weiß Bettina Dobernecker, dass es einen Todesfall gegeben haben muss. Seit 26 Jahren ist die Vogtländerin bereits im Bestattungsunternehmen Dobernecker tätig. Wenn sie Bereitschaftsdienst hat, trägt sie das Telefon immer bei sich – und ist für Angehörige 24 Stunden am Tag erreichbar. Themen, die viele beinahe krampfhaft ausblenden – Vergänglichkeit, Abschied und Tod –, sind für sie tägliches Geschäft. Für die Pfarrerstochter war das Sterben von Kindheit an kein Tabuthema, sondern gehörte einfach dazu. Es zum Beruf zu machen, plante die dreifache Mutter aber ursprünglich nicht: „Dazu bin ich eigentlich nur durch meine Familie gekommen.“
Aus Vertretung wurde Vollzeit
Kurz nach der Wiedervereinigung machte sich Doberneckers Schwiegervater, der als Friedhofsverwalter arbeitete, mit dem Familienunternehmen selbstständig. Zwei Jahre später – 1992 – übernahm ihr Mann Christfried selbst die Geschäfte. „Eine Ausbildung in diesem Beruf gab es lange Zeit überhaupt nicht“, erzählt die Markneukirchnerin. Auch sie selbst half anfangs nur ab und zu bei kleineren Aufgaben aus – und entdeckte das Metier nach und nach immer mehr für sich. 2005 stieg sie schließlich voll ein. Heute ist die 54-Jährige gemeinsam mit einem Kollegen für den laufenden Betrieb verantwortlich. Die Arbeitsbereiche sind klar verteilt: Sie kümmert sich um Büroarbeit, Abrechnungen, die Kundengespräche und Bestellungen, ihr Mitarbeiter Mathias Adamzcak um alle technischen Fragen sowie das Ausheben der Gräber. Beide wechseln sich außerdem mit dem Bereitschaftsdienst ab, damit das Bestattungshaus rund um die Uhr erreichbar ist.
Jeder Fall ist einzigartig
Einen „typischen Tagesablauf“ gibt es beim Bestatter nicht. In der Regel kommt es kurz nach dem Todesfall zum ersten Kontakt mit den Angehörigen oder dem Krankenhaus. Dann klingelt bei Bettina Dobernecker oder ihrem Kollegen das Telefon, und sie werden zur Überführung bestellt. Wenn der Verstorbene ärztlich überprüft worden ist, können die Bestatter ihn mit dem Leichenwagen in eine Kühlhalle auf dem Friedhof bringen. Wieder am Arbeitsplatz führt Dobernecker die Gespräche mit den Angehörigen, schaut, dass alle Dokumente vorhanden sind und klärt jedes Detail rund um die Bestattung. Neben grundlegenden Fragen zur Bestattungsart – weltlich/kirchlich, im Sarg oder in der Urne – gilt es, dabei an alles zu denken: „Welche Blumen sollen auf das Grab? Welche Musik soll gespielt werden? Welche Kleidungsstücke wird der Tote tragen?“ Früher sei vieles einfacher gewesen, findet Dobernecker. „Der Bestatter hat heute viel mehr Dienstleistungen zu liefern.“ Auch die Ansprüche der Angehörigen sind größer geworden. Gab es früher nur zwei bis drei Sargmodelle, kann heute aus zahllosen Varianten gewählt werden. Sollen Sarg oder Urne schlicht sein oder auffällig – das Holz aus Pappel, Kiefer oder Eiche? Und manchmal liegen Extrawünsche nicht nur dem Geschmack zugrunde – so gibt es neuerdings auch besonders breite Übergrößensärge. Für einige spielt auch der Geldbeutel bei der Wahl eine nicht unbedeutende Rolle. So gibt es eine zunehme Tendenz zur Urne – etwa zwei Drittel der Beerdigungen macht diese Bestattungsform mittlerweile aus, obwohl sie laut der Expertin gar nicht zwingend günstiger ist. Wenn keine Angehörigen auffindbar sind, müssen die Stadt oder das Sozialamt für die Kosten einspringen. Gesellschaftliche Entwicklungen zeigen sich immer auch in ihrer Branche: So werden Verstorbene heute öfter aus Krankenhäusern oder Pflegeheimen überführt, statt von zu Hause.
Zweifel und Fragen bei Gott abgeben
Ein vollkommenes Kontrastprogramm zu allen Zahlen und organisatorischen Absprachen ist der nächste Arbeitsschritt, die sogenannte Einsargung. Als Bestatter kommt man hier den Toten so nahe wie sonst kaum ein Mensch – man wäscht sie, kleidet sie und bereitet sie für ihre letzte Ruhe vor. Berührungsängste sind da fehl am Platz. „Man muss etwas Distanz haben – sonst könnte man den Beruf nicht machen“, erklärt die erfahrene Expertin. Doch trotz aller Routine macht sich auch bei ihr ein gewisses Mitgefühl bemerkbar, ganz besonders, wenn sie es dabei mit verstorbenen Babys, Kindern oder Unfallopfern zu tun hat. Sich dann mit vielen Fragen und Zweifeln zu belasten, nützt jedoch nichts, ist sich die Christin sicher: „Mir hilft in solchen Momenten mein Gottvertrauen. Ich kann das alles im Gebet an Gott abgeben.“ Das schenkt ihr Ruhe – auch für die Gespräche mit den trauernden Angehörigen: „Da ist es oft wichtig, nur zuzuhören. Man kann oft nichts machen, als einfach Mensch und für die Betroffenen da zu sein und sie ausreden zu lassen.“
Den Wert des Lebens schätzen lernen
Dass ihr Beruf eben „kein gewöhnlicher“ ist, spürt Dobernecker auch, wenn sie sich vorstellt. „Oft spüre ich dann eine große Neugier bei den Gesprächspartnern – durchaus gepaart mit etwas Skepsis und Vorsicht“, erzählt sie schmunzelnd. „Die meisten haben viele Fragen – etwa, wie so eine Einsargung abläuft.“ Die Expertin beantwortet dann alles geduldig und gern und verschweigt auch nicht die schwierigen Seiten. So muss ein Bestatter eben ständig auf Abruf sein, weil die Einsätze in der Regel nicht planbar sind. Nachwuchsprobleme machen der Branche zu schaffen. Auf der anderen Seite stehen Lob und Anerkennung und das Gefühl, eine sinnvolle und wichtige Arbeit zu leisten. „Ich kann in meinem Beruf dazu beitragen, den Verstorbenen ein würdevolles Ende, den Angehörigen einen tröstenden Abschied zu ermöglichen. Diese Perspektive hilft dabei, den Wert des Lebens immer wieder neu vor Augen zu haben – und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.“