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Vater, Mutter, Kind: Ist das überholt? (PRO und KONTRA)

Von: ADVENT VERLAG Datum Beitrag: 14.02.2014 Kommentare: Keine Kommentare Tags:

(“Adventisten heute”-Aktuell, 14.2.2014) Nichts prägt den Menschen so sehr wie seine Familie. Doch was versteht man heute unter Familie? Die familienpolitische Orientierungshilfe der EKD sieht auch eingetragene gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Familie an. Derzeit wird der Bildungsplan 2015 für Schulen in Baden-Württemberg heftig diskutiert, der inhaltlich ähnlich orientiert ist. Ist das klassische Familienbild von Vater, Mutter, Kind überholt? Dazu ein Pro und Kontra.

PRO

“Wir waren nie eine richtige Familie”, sagte mir neulich eine Kollegin. Ihre Mutter hatte die Kinder nach dem Krieg allein großgezogen und war zudem berufstätig. Die Kollegin war ein “Schlüsselkind”, und sie schämte sich dafür. Und auch die Mutter wagte nicht zu sagen, dass sie eigentlich gern erwerbstätig war. Nun gelten die 50er Jahre als das “Goldene Zeitalter der Familie”: Allmählich ging es wirtschaftlich aufwärts in Deutschland, viele Familienfrauen blieben während der Erziehungsphase zu Hause, sie “mussten” nicht mehr arbeiten, weil die Familie mit einem Vollernährer gut über die Runden kam, und in der Regel sollte es nicht bei einem Einzelkind bleiben. Angesichts der wachsenden Stabilität dieser Jahre vergisst man leicht, wie groß in diesem Zusammenhang der Druck auf Frauen und Kinder sein konnte, wenn sie dem Ideal der “klassischen Familie” nicht entsprachen.

Die Frauen werden immer später schwanger

Das hat sich inzwischen in vielerlei Hinsicht geändert: 70 Prozent der Frauen in Deutschland sind erwerbstätig. Wenn sie für eine Familie sorgen, meist mit einer Teilzeitstelle. Gleichwohl haben sie den Wunsch, sich auch beruflich weiterzuentwickeln – viele sind deshalb unzufrieden über die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die noch immer unzureichenden Kinderbetreuungseinrichtungen. Hinzu kommt, dass auch der Gesetzgeber beim Unterhaltsrecht wie bei den Zuschüssen aus dem Jobcenter davon ausgeht, dass Frauen auch mit kleinen Kindern erwerbstätig sind. Die Notwendigkeit, dass Männer wie Frauen für das eigene Auskommen sorgen, führt auch dazu, dass die Geburt des ersten Kindes hinausgeschoben wird – derzeit bis zum 29. Lebensjahr. 60 Prozent der Kinder werden von Müttern geboren, die zwischen 26 und 35 Jahre alt sind. Die allermeisten jungen Deutschen – 82 Prozent – wünschen sich Kinder und eine stabile Partnerschaft. Aber die Zeit zur Familiengründung wird knapp. Kein Wunder, dass Reproduktionsmedizin eine immer größere Rolle bei der Familienplanung spielt – vor allem bei Eltern nach dem 35. Lebensjahr. Die Sehnsucht nach Familie, der Kinderwunsch, ist ungebrochen.

Regenbogen- und Patchworkfamilien nehmen zu

Auch deshalb wächst die Zahl von Kindern mit besonderen Eltern. Inzwischen leben 100.000 Samenspenderkinder in Deutschland. Schon immer gab es Adoptiv- und Pflegefamilien. Heute wachsen 11.500 Kinder in Regenbogenfamilien (also gleichgeschlechtlichen) auf. In einer eingetragenen Lebenspartnerschaft können sie inzwischen auch vom Partner bzw. der Partnerin adoptiert werden. Zwar sind noch 72 Prozent der Familien Ehepaare mit Kindern, aber auch Familien auf Ehebasis sind zunehmend Patchwork-Konstellationen. Hinzu kommt: Der Anteil Alleinerziehender liegt derzeit bei 19 Prozent. Weil sie nicht vom Ehegattensplitting profitieren und in der Regel auch nicht Vollzeit arbeiten können, haben Einelternfamilien eine deutlich höhere Armutsrisikoquote als Paarhaushalte. Und ein Drittel aller Kinder – doppelt so viele wie noch vor 20 Jahren – werden nichtehelich geboren.

Die EKD unterstützt alle Formen von Familie!

Das alles macht deutlich, in welcher Weise politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen auch unsere privaten Lebensformen bestimmen. Die staatlichen Fürsorgeleistungen berücksichtigen Kindererziehung und Pflege nur unzureichend. Das entmutigt Frauen und Männer, die Beruf und Familie vereinbaren wollen, denn tatsächlich wollen beide am liebsten 30 Stunden Erwerbstätigkeit mit Familienarbeit kombinieren. Weil das alles den demografischen Wandel verschärft, hat sich die EKD klar für die Unterstützung aller Formen von Familie als Fürsorgegemeinschaften ausgesprochen. Ich bin überzeugt, dass viele sich nach wie vor die “klassische Familie” wünschen – und das ist auch gut so. Tatsächlich aber geht es darum, die, die anders leben, nicht zu diskriminieren, Benachteiligungen aufzuheben und die Zerreißproben zu mindern, die viele Familien erleben. Die Herausforderung, in einer “Marktgesellschaft” Familie zu leben, ist ohnehin gravierend – und alle, die das wagen, brauchen kirchliche und politische Unterstützung. Ideologische Kämpfe um enge Leitbilder helfen da nicht weiter!

Die Autorin, Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx (Hannover), ist Referentin für Sozial- und Gesellschaftspolitische Fragen im Kirchenamt der EKD. Sie war Geschäftsführerin der Ad-hoc-Kommission, die die Orientierungshilfe der EKD zum Thema Familie erarbeitet hat.

KONTRA

Mann und Frau, verheiratet, mit Kindern. Ist das eine verstaubte Norm, die in die regenbogenfarbene Gegenwart der sexuellen Vielfalt nicht mehr passt? Wer sich mit den Erkenntnissen der modernen Sozialwissenschaft beschäftigt, sieht deutlich: Die monogame Ehe auf Lebenszeit, am besten mit mehreren Kindern, bringt die glücklichsten Menschen hervor. Als Christen werben wir also nicht nur aus biblischen Gründen für dieses Lebensmodell – was ein hinreichender Grund wäre -, sondern auch aufgrund der Erfahrung, dass andere Lebensformen weniger Glück bedeuten.

Klassischen Familien geht es besser

Dazu ein paar Zahlen: Im Oktober 2007 hat das nationale Statistikamt Großbritanniens eine Studie über den Nutzen der Ehe veröffentlicht. Demnach ist die Sterblichkeitsrate unter Männern zwischen 30 und 59 Jahren, die nicht verheiratet sind, zweieinhalbmal so hoch wie unter Verheirateten. Frauen mit Kindern haben den höchsten Gesundheitsgrad – trotz der gesundheitlichen Risiken, die Schwangerschaft und Geburt mit sich bringen! Kinder von Eltern, die unverheiratet zusammenleben, schneiden schlechter in der Schule ab, brechen ihre Ausbildung eher ab und erleiden häufiger eine schwere Krankheit als Kinder von Ehepaaren. Mike Murphy von der London School of Economics führt die Ergebnisse einerseits darauf zurück, dass Verheiratete insgesamt wohlhabender sind, was positive Effekte auf verschiedene Lebensbereiche hat. Alles sei damit aber nicht erklärt. Die Studie zeige: “Die Ehe als solche beinhaltet etwas Vorteilhaftes.”

Zur Heirat ermutigen

Christen sehen in diesem “Vorteilhaften” den Segen Gottes. Aber natürlich können wir die Krise von Ehe und Familie nicht ignorieren. Die Scheidungsquote ist in den vergangenen Jahrzehnten ständig gestiegen, auch unter Christen. Eine evangeliumsgemäße Antwort auf diesen Trend ist jedoch gerade nicht, den Bruch des Eheversprechens zu verharmlosen und ein Loblied auf jedwede Form des verantwortlichen Zusammenlebens zu singen, wie das die sogenannte Orientierungshilfe des Rates der EKD tut. Christlich ist es, Menschen zur Heirat zu ermutigen, Ehen zu stärken und alles dafür zu tun, dass sie besser gegen Krisen geschützt werden.

Alles andere war von Übel …

Modern ist die sexuelle Vielfalt übrigens nicht. Im Römischen Reich gab es alle möglichen Formen sexueller “Unzucht”. Hätten die ersten Christen darauf so reagiert, wie es manche Kirchen heute tun, dann hätte man erst einmal für die verschiedensten Lebensformen Segnungsliturgien erarbeitet. Die Christen damals haben dagegen ein gesellschaftliches Alternativmodell postuliert und – aus moderner Sicht völlig intolerant – innerhalb ihrer Reihen sogar erzwungen. Ein Mann mit einer Frau, und das auf Lebenszeit – alles andere war von Übel.

Was Gemeinden tun können

Und heute? Konstruktives kirchliches Engagement wäre es, Jugendlichen wieder klar das biblische Prinzip monogamer Treue lieb zu machen und sie im Ja zu ihrer Verschiedenheit als Mann und Frau zu bestärken. Heiratswilligen Paaren sollten Gemeinden einen Ehe-Vorbereitungskurs anbieten, der sie zur Treue motiviert und auf schwierige Situationen vorbereitet. Wie wäre es, wenn jede Gemeinde regelmäßig Ermutigungsveranstaltungen für Ehepaare hätte? Ein Dinner, ein Seminar?

Zweidrittel der Mütter bleiben bei ihren Kindern

Die Familien-Realität in Europa sieht übrigens anders aus als das aktuelle medienvermittelte Zerrbild der Beziehungswelten: 80 Prozent der Kinder in Deutschland wachsen bei ihren leiblichen, verheirateten Eltern auf. Zwei Drittel der Mütter bleiben in den ersten drei Lebensjahren bei ihrem Kind, weil sie dort weniger ersetzbar sind als an ihrem Arbeitsplatz. Laut einer Umfrage im Auftrag der EU-Kommission im Jahr 2011 wünschen sich Mütter nicht mehr Erwerbstätigkeit, sondern mehr Teilzeit, um Zeit für ihre Familie zu haben. Dass einige Verantwortliche in der evangelischen Kirche familienfeindlichen Trends hinterherrennen und damit an den Bedürfnissen der Menschen letztlich vorbeigehen, bedauere ich sehr. Das wird mittelfristig die Entfremdung der Frauen und Männer von der Kirche vorantreiben.

Die Autorin, Susanne Mockler (St. Johann bei Reutlingen), ist Familienberaterin und Autorin. Mit ihrem Mann Marcus vertritt sie das Ehe-Paar-Programm “10 Great Dates” in Deutschland (www.geliebtes-leben.de). Die beiden sind Eltern von acht Kindern. (idea)

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