(AdventEcho online, 6.11.2009) “Jung gefreit hat nie gereut.” Dieses Sprichwort sollten gerade Christen neu beherzigen, meint der US-Soziologe Mark Regnerus (Austin/Bundesstaat Texas). Sein Plädoyer für frühes Heiraten veröffentlichte er im Magazin “Christianity Today” (Carol Stream bei Chicago). Dafür führt er geistliche und gesellschaftliche Gründe an. So seien Keuschheitskampagnen und Gelübde, auf Sex vor der Ehe zu verzichten, nicht besonders erfolgreich. Mehr als 90 Prozent aller US-Amerikaner hätten vor der Ehe Geschlechtsverkehr. Bei Evangelikalen liege der Prozentsatz nicht viel niedriger. Eine repräsentative Untersuchung habe ergeben, dass fast 80 Prozent der unverheirateten theologisch konservativen Kirchgänger, die in einer Freundschaft leben, “Sex in irgendeiner Form” praktizierten, also etwa Oralverkehr. Regnerus ist überzeugt, dass eine Verschärfung der biblischen Ermahnungen, bis zur Ehe keusch zu bleiben, daran nicht viel ändern würde. Sein Rat: Früher heiraten!
Bedeutung der Ehe vernachlässigt
Nach jahrelangen Studien des Sexualverhaltens junger Amerikaner sei er zu dem Schluss gekommen, dass Christen zwar sehr viel Aufwand betrieben, die Verwerflichkeit des vorehelichen Geschlechtsverkehrs herauszustellen, aber die Bedeutung der Ehe vernachlässigten – dabei sei auch sie ein Hinweis auf Jesu aufopferungsvolle Liebe zu seiner “Braut”, der Gemeinde. Amerikaner flöhen inzwischen geradezu vor der Ehe: “Wir heiraten später und haben, wenn überhaupt, weniger Kinder.” Dies ist laut Regnerus ein Kennzeichen von Gesellschaften mit anhaltendem Wohlstand. Dort verlören Männer und Frauen die Motivation, zu heiraten und Kinder zu kriegen. Trotzdem sei die Institution Familie nach wie vor das Beste für eine Gesellschaft. Allerdings stehe sie unter extremem Druck. In den vergangenen 35 Jahren sei die Zahl der weiblichen Single-Haushalte in den USA um 65 Prozent gestiegen, die der männlichen sogar um 120 Prozent. Weniger als die Hälfte aller Haushalte bestünden aus Ehepaaren. Das mittlere Heiratsalter sei seit den siebziger Jahren von 21 für Frauen und 23 für Männer auf 26 bzw. 28 gestiegen. “Das sind”, so Regnerus, “fünf zusätzliche lange Jahre höchsten Sexualinteresses und maximaler Fruchtbarkeit.” Evangelikale heirateten nur wenig früher als Durchschnittsamerikaner.
Frauenüberschuss: Viele warten zu lange
Vom Heiraten werden viele junge Evangelikale laut Regnerus auch durch andere Faktoren abgehalten. Dazu gehöre der Frauenüberschuss in frommen Gemeinden. Im Durchschnitt komme auf zwei unverheiratete Frauen ein lediger Mann. Viele Frauen warteten so lange auf einen passenden Partner, bis sie das gebärfähige Alter überschritten hätten. Männer hätten meist die Vorstellung, dass sie schon “die Richtige” finden, wenn sie nur lange genug warten. Viele schöben auch das Erwachsenwerden auf. Trotzdem: Grundsätzlich wollten die meisten Amerikaner heiraten.
Evangelikale: Zeitgeist-Vorstellung von Ehe
Regnerus beobachtet einen Wertewandel bei Evangelikalen: Ihre sexuellen Ideale seien biblisch geblieben; das gelte aber nicht für die Ehe. Weithin folge man hier der weltlichen Vorstellung, dass man erst wirtschaftlich und finanziell unabhängig sein müsse, bevor man heiraten dürfe. Auch habe man überaus romantische Ideale bei der Partnerwahl. Viele hätten Angst, ihr Vertrauen ganz in eine andere Person zu setzen. Die meisten jungen Amerikaner sähen die Ehe nicht als Charakter formende Institution an, sondern als eine Lebensform, die man erst als gereifte Persönlichkeit in Erwägung ziehen dürfe. Auch die Eltern folgten dieser Vorstellung. Oft seien sie zwar wirtschaftlich in der Lage, aber nicht willens, eine junge Ehe zu unterstützen. Laut Regnerus leidet die Ehe heute unter zu viel Idealismus und zu wenig Realismus. (idea)