[Update: 8.7.2015] Der amerikanische Unabhängigkeitstag beginnt ein wenig kühler als die Tage davor. Überall in San Antonio wurde geflaggt. Auf dem Weg zum Alamodome sieht man jedoch auch andere Fahnen als “Stars and Stripes”: Banner mit dem Logo der 60. Generalkonferenz-(GK)-Vollversammlung weisen den Weg, den einige zehntausend Adventisten aus 168 Ländern heute gehen werden.Der erste Konferenzsabbat beginnt im Alamodome mit viel Musik und der Sabbatschule. Cliff Goldstein hätte sicher gern BÃẁrge Schantz auf der Bühne begrüßt, den Autor der Bibelstudienhefte für das 3. Quartal 2015. Leider ist er im vergangenen Dezember verstorben, so dass er mit Gary Krause vorliebnehmen musste, dem Leiter des Büros der Adventmission. Gemeinsam sprechen sie über Mission – passenderweise das Bibelstudienthema des neuen Quartals. Darum dreht sich ohnehin fast alles auf dieser Vollversammlung. In vielen Beiträgen wird der Wunsch ausgedrückt, dass dies die letzte GK-Vollversammlung vor der Wiederkunft Jesu sein möge.
Am ersten Sabbat wird der gewählte GK-Vorstand vorgestelltund dann folgt ein Weihegebet. V. l. n. r.: Juan Prestol-Puesán,Schatzmeister; G. T. Ng, Sekretär; Ted Wilson, Präsident – mit ihren Ehefrauen.(Foto: Rohann Wellington/NAD)
Die Predigt: eine Bibelstunde über Prophetie
Als mitten im Gottesdienst die drei gewählten GK-Vorstände mit ihren Ehefrauen vorgestellt werden (Ted Wilson, Präsident; G. T. Ng, Sekretär; Juan Prestol-PuesÃḂn, Schatzmeister), gibt es spontanen Beifall, den weitaus stärksten Applaus erhält Ted Wilson. Er stellt den Verkündiger des heutigen Vormittags, G. T. Ng, als hingebungsvollen, gelehrten und humorvollen Diener Gottes vor. Sein Predigtthema: “Mission – von der Verzweiflung zur Hoffnung”. Traditionellerweise hält der GK-Sekretär am ersten Sabbat die Predigt, eine Woche später ist dann der GK-Präsident dran.
Zu Beginn bittet er anlässlich des US-Nationalfeiertages alle US-Amerikaner oder die dauerhaft dort lebenden Besucher, sich von ihren Sitzen zu erheben. Mindestens zwei Drittel stehen auf. In fünf Jahren sollen dann diejenigen aufstehen, die gern hier leben wollen, sagt er unter dem Gelächter der Zuhörer. Auch als eigentlichen Predigteinstieg erzählt er einen Witz, den man hier unmöglich angemessen wiedergeben kann. Alle lachen, die Stimmung ist gelöst. Immer wieder baut er witzige Bemerkungen ein, die mit Gelächter quittiert werden (“Ich brauche kein Google, meine Frau weiß alles”).
Seine Predigt beginnt sehr humorvoll, später geht Generalsekretär G. T. Ngin die (prophetische) Tiefe. Darunter (v. l. n. r.): Leslie Louis und Nikki Yankee,Delegierte aus Nordamerika, Tommy Wuysang von der GK.(Alle Fotos: Rohann Wellington/NAD)
In persönlichen Gesprächen gibt G. T. Ng zu, dass er lieber mit kleinen Gruppen zusammen ist oder im Klassenraum unterrichtet. Predigten vor großen Versammlungen seien nicht sein Ding. Und so beginnt seine Predigt als eine verkappte Bibelstunde – nämlich als ein Vergleich von Daniel 12 und Offenbarung 10. Wer sind wir als Gemeinde? – diese Frage steht am Anfang. Der Vergleich der beiden Bibelabschnitte zeige, dass in Offenbarung 10 das Buch Daniel explizit auftaucht. Die beiden Kapitel enthalten die gleichen Zeitangaben (1260 Jahre). Nimmt man die Parallelprophezeiung aus Daniel 8 hinzu, lässt sich schlussfolgern, dass in der letzten Zeit – also nach 1844 – das Buch Daniel neu verstanden werden wird, so G. T. Ng. Das ist ein bekanntes adventistisches Verständnis dieser Bibeltexte. Als Resultat der Wiederentdeckung des Buches Daniel wird die Wiederkunft Christi verkündigt werden, und das geschieht durch die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten.Als Sekretär ist G. T. Ng in seinem Element, als er anschließend Zahlen und Aktivitäten der Kirche aufzählt. Niemand tut dies begeisterter als er. Die Kapitel 10, 12 und 14 der Offenbarung seien besonders wichtig für die Identität unserer Kirche. “Wir dürfen nie vergessen, wer wir sind!” Nichts dürfe uns von unserem Auftrag ablenken, die dreifache Engelsbotschaft zu verkündigen. “Könnte es sein, dass wir durch scheinbar wichtige Dinge abgelenkt sind? Wir behandeln einen Menschen gegen Juckreiz, aber dafür stirbt er an Cholera.” Am Ende appelliert er eindringlich, sich erneut Jesus zu weihen, mehr zu beten, mehr zu spenden und sich kraftvoll für den Auftrag der Gemeinde gemäß seiner Gaben und Ressourcen zu engagieren.
Musikbeiträge bereichern das Programm, singende Kinder berühren die Herzen besonders:der Kinderchor “In Tune” aus Madison (Tennessee, USA).
Mission: bedürfnisorientiert, weltweit
Der Nachmittag ist – natürlich – der Mission gewidmet, und zwar in dem Sinn, dass zahlreiche beispielhafte Missionsprojekte vorgestellt werden. Meist sehen wir professionell gedrehte Filmclips. Dazwischen gibt es Musikbeiträge, lockere Moderationen im Dialogstil, Gebete in unterschiedlichen Sprachen, oft in Landestracht vorgetragen. Auffallend ist, dass es kaum um Evangelisationskampagnen geht. Stattdessen wird fast nur von bedürfnisorientierten Aktivitäten oder kreativen Ansätzen berichtet: soziale und medizinische Dienste (z. B. in Ebola-Gebieten), Bildung, Second-Hand-Laden, Sabbatsofa im Einkaufszentrum, etc. – und zwar praktisch überall auf der Welt.
Auch die Arbeit von Global Mission wird kurz vorgestellt – die Einrichtung der Generalkonferenz, die sich um die Verkündigung in unerreichten Gebieten kümmert. Dabei wird GK-Vizepräsident Mike Ryan, dem Gründer und ersten Leiter von “Global Mission” von Gary Krause, dem Leiter von “Adventist Mission” eine Auszeichnung für sein Lebenswerk überreicht. (Mike Ryan tritt nun in den Ruhestand.)
Wahrlich eine große Festgemeinde! (Foto: Anthony White, NPUC/NAD)
Bewegend ist die Erinnerung an die während ihres Dienstes ums Leben gekommenen Missionare und ihre Familienangehörigen – sei es, dass sie mit einem Missionsflugzeug abstürzten oder ermordet wurden. Selbst Kinder sind unter den Opfern. Anschließend wird für die Hinterbliebenen und alle Missionare um Trost und Schutz gebetet. Als Familienangehörige eines ums Leben gekommenen Missionars auf die Bühne kommen, gibt es spontanen Applaus und Winken. Die Zuschauer sind sichtlich gerührt. Auch, als ein chinesischer Adventist seine Geschichte erzählt, wie er viele Jahre um seines Glaubens willen in Straflagern verbringt. Sein Sohn ist jetzt Sekretär des China-Verbandes der Siebenten-Tags-Adventisten.
Die Präsentationen der Divisionen beginnen
Ab diesem Abend geben die 13 Divisionen ihre Berichte ab, jeden Abend sind zwei Regionen dran. Meist werden dazu professionell produzierte Filme gezeigt, die Arbeitsbeispiele vorstellen, und einige Repräsentanten oder Aktive interviewt. Den Anfang machen die Nordamerikanische Division (NAD) und der Nahost-Verband (MENA). Zudem erzählt James Nix, der Leiter des Ellen-Whites-Estate, einige Geschichten über Ellen White aus Anlass ihres 100. Todestages am 16. Juli. Ein Spielfilm über das Leben Ellen Whites mit dem Titel Tell the World ist kurz vor der Fertigstellung. Verantwortlich für die Produktion ist der Australische Verband. Wir sehen einen Ausschnitt. Der Film macht einen professionellen Eindruck.
Die Kongressabgeordnete Sheila Jackson hat nicht nur eine kräftige Stimme,sondern auch eine starke Überzeugung – als Siebenten-Tags-Adventistinund als Kongressabgeordnete. (Foto: Lee-Bryant Taylor/NAD)
Bühne frei für die Kongressabgeordnete Sheila Jackson, eine Adventistin, die Houston im US-Kongress (Repräsentantenhaus) vertritt und dort auch in Ausschüssen für Terrorismusbekämpfung und Religiöse Freiheit sitzt. In einem feurigen Grußwort überbringt sie Grüße von US-Präsident Barack Obama und vom US-Kongress. Sie sei stolz, Mitglied einer Kirche zu sein, die sich für soziale Gerechtigkeit und religiöse Freiheit einsetzt.
Der NAD-Bericht stellt u. a. den strategischen Plan REACH vor, der 2010 verabschiedet wurde. Ein Schwerpunkt ist die Jugendarbeit, denn von den Studenten beispielsweise bleiben nur etwa 30 Prozent nach ihrem Abschluss in der Adventgemeinde.Das Gebiet des Nahost-Verbandes (MENA) umfasst 20 Länder mit etwa 500 Millionen Menschen. Dort gibt es nur etwa 3200 Adventisten. Man kann die Herausforderung ahnen, die in diesem Zahlenverhältnis zum Ausdruck kommt. Unsere Kirche hat zudem Schwierigkeiten, genügend auswärtige Missionare für diese Region zu finden. Man arbeitet dort beispielsweise mit Einflusszentren, eines davon ist eine Schule, die syrische Flüchtlinge unterrichtet. Oder es gibt “Zeltmachermission”: Adventistische Berufstätige verlagern ihren Tätigkeitsort in den Nahen Osten, nebenbei versuchen sie, für Christus Zeugnis zu geben und Menschen zu erreichen. Homer Trecartin, der Verbandsvorsteher, erzählt außergewöhnliche Geschichten über die Wege, mit denen Gott dort die Menschen erreicht. Die Taufzahlen sind klein, umso mehr zählt jeder einzelne Gläubige. Viele treffen sich in kleinen Gruppen, geheim und unter mancherlei Gefahren.
Homer Trecartin ist der Vorsteher des Nahost-Verbandes (MENA)mit Sitz im Libanon. (Foto: Ansel Oliver/ANN, April 2012)
Die Gräueltaten der Terrororganisation “Islamischer Staat” führen mittlerweile dazu, dass Muslime angewidert sind und ihren eigenen Glauben hinterfragen. Gleichwohl trauen sie den Christen im Allgemeinen nicht. Eine gute Möglichkeit, die Mission in dieser Region zu unterstützen, ist die “Adoption” eines Projektes durch Adventisten in anderen Ländern. So könnte eine Vereinigung sich in besonderer Weise für die Mission in einer arabischen Stadt verantwortlich fühlen: Freiwillige senden, mit Geld soziale Projekte unterstützen oder ähnliches. Verlage könnten Buchübersetzungen übernehmen, die Bücher würden dann auf USB-Sticks oder mp3-Playern eingeschmuggelt.
[Update dieses Absatzes: 8.7.2015] Gegen Ende des Abends stellt Henry Stober kurz seinen Schöpfungsfilm vor, der ja von der Generalkonferenz “adoptiert” wurde. Der Film wird anschließend in einer gekürzten Fassung gezeigt. Leider verlassen viele Delegierte währenddessen den Dome, der Tag war lang. Sie verpassen einen sehenswerten Film mit wunderschönen Bildern, der das Herz berührt. Vielleicht wäre ein treffender Filmausschnitt oder die Vorführung zu einer anderen Zeit wirkungsvoller gewesen?
Wir verlassen die adventistische Welt im Alamodome. Irgendwann bringt sich die “andere Welt” krachend und blitzend in Erinnerung – mit einem Feuerwerk zum amerikanischen Unabhängigkeitstag. So ist dieser Tag auch ein Sinnbild dafür, dass wir als Jünger Jesu in zwei Welten leben. Aber nur eine davon ist unsere wahre Heimat.
Thomas Lobitz, Advent-Verlag Lüneburg
Die “andere Welt”: Feuerwerk zum amerikanischen Unabhängigkeitstagam 4. Juli. (Foto: DesignBolts, 2014)