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Spannungsfeld zwischen Glaubenspraxis und staatlichem Anspruch
Von: ADVENT VERLAGDatum Beitrag: 13.09.2013Kommentare: Keine KommentareTags:
(“Adventisten heute”-Aktuell, 13.9.2013) Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11. September 2013 zwei Entscheidungen gefällt, die Auswirkungen auf die Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen haben, teilte Dr. Harald Mueller, Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, mit. In dem einen Fall ging es um eine muslimische Schülerin, die am gemeinsamen Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen eines Gymnasiums nicht teilnehmen wollte. Das Gericht habe entschieden, dass es ihr zumutbar sei, in muslimisch zugelassener Bekleidung (Burkini) an diesem Unterricht teilzunehmen. Das Argument, sie wolle nicht mit dem Anblick von Jungen konfrontiert werden, die in Badebekleidung erscheinen, die nicht den muslimischen Bekleidungsvorschriften entsprechen, ließ das Bundesverwaltungsgericht nicht gelten. Das Grundrecht der Religionsfreiheit gewähre keinen Anspruch darauf, in der Schule nicht mit den Verhaltensgewohnheiten Dritter konfrontiert zu werden, die außerhalb der Schule an vielen Orten im Alltag verbreitet seien. Die Schulpflicht stehe nicht unter dem Vorbehalt, dass die Unterrichtsgestaltung die gesellschaftliche Realität ausblende, wenn sie im Lichte individueller religiöser Vorstellungen als anstößig empfunden werde. Diese Entscheidung sei gut nachvollziehbar, so Mueller, insbesondere auch deshalb, weil die religiösen Belange der betroffenen Schülerin bei der Abwägung der beteiligten Rechtsgüter nicht völlig außen vor geblieben seien. Sie müsse zwar am Schwimmunterricht teilnehmen, dürfe dies aber in einer den Körper weitgehend verhüllenden Bekleidung tun. Die andere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September betraf einen Jungen, der die siebte Klasse eines Gymnasiums besuchte, und dessen Eltern den Zeugen Jehovas angehörten. Im Deutschunterricht wurde das Buch “Krabat” von Ottfried Preussler besprochen. Außerdem sollte der Film “Krabat” des Regisseurs Marco Kreuzpaintner besucht werden. Die Eltern wollten ihren Sohn von der Teilnahme befreien lassen, weil im Film Praktiken der schwarzen Magie gezeigt würden. Das Bundesverwaltungsgericht wies dieses Argument zurück. Eine Unterrichtsbefreiung könne nur ausnahmsweise verlangt werden. Regelmäßig sei hierfür erforderlich, dass den religiösen Belangen des Betroffenen eine besonders gravierende Beeinträchtigung drohe und der schulische Wirkungsauftrag im Vergleich dazu lediglich nachrangig berührt werde. Letzteres sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil es Aufgabe der Schule sei, die nachwachsende Generation vorbehaltlos und möglichst umfassend mit Wissensständen der Gemeinschaft und ihrem geistig-kulturellen Erbe vertraut zu machen. Anders als im Schwimmunterrichtsfall habe es hier keine Möglichkeit zum Kompromiss gegeben, meinte Mueller. Das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Güterabwägung die Religionsfreiheit des Schülers und seiner Eltern vor den Ansprüchen des staatlichen Bildungsauftrags zurücktreten lassen.Beide Entscheidungen zeigten, so der Leiter des Instituts für Religionsfreiheit, das Spannungsfeld, in dem sich individuelle Glaubenspraxis und staatlicher Anspruch – hier der schulische Bildungsauftrag – gegenüberstehen könnten. In den hier zugrundeliegenden Sachverhalten ginge es darum, dass die betroffenen Schüler die Berührung mit bestimmten Einflüssen abwehren wollten. Es sei wichtig zu beachten, dass die hierfür bestehenden Grenzen der Religionsfreiheit, wie sie das Bundesverwaltungsgericht gezogen habe, nicht übertragbar auf Fälle seien, wo beispielsweise wegen religiöser Ruhetage die Befreiung von Unterrichtsveranstaltungen beantragt werde. (APD)