(“Adventisten heute”-Aktuell, 25.4.2014) Sollten sich Kirchengemeinden auf Online-Portalen ähnlich wie Hotels oder Restaurants bewerten lassen? Diesen Vorschlag machte Hoteldirektor Olaf Dierich auf dem Fachkongress “Kirche und Tourismus” der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland in Lübeck. Dazu ein Pro und Kontra.
PRO: Potenzielle Besucher im Internet abholen
Die ganze Welt lässt sich bewerten bzw. muss sich bewerten lassen. Rein rechtlich kann niemand etwas dagegen tun. Sogar Lehrer dürfen bewertet werden. Warum also nicht auch Kirchen? Es geht gar nicht darum, dass man direkt eine Person bewertet, sondern eher den Gottesdienst im Allgemeinen. Auch Taufen, Hochzeiten und Konfirmationen können eine Grundlage für eine Bewertung sein.
In den Hotels hat das Aufkommen und die große Beachtung von Bewertungen dazu geführt, dass die Hotels sich verbessern mussten, damit sie nicht von den Gästen übersehen werden. Wer nicht gut bewertet wird, bekommt weniger oder bei sehr schlechten Bewertungen gar keine Buchungen mehr. Und nicht nur Hotels müssen sich anstrengen, ein gutes Bild in der Öffentlichkeit zu haben. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass die Kirchen keine Besucher mehr bekommen, weil sie schlecht bewertet werden. Ein Gottesdienst wird immer besucht und für die, die immer kommen, spielen Bewertungen keine Rolle.
Wenn ein Gottesdienst aber richtig gut bewertet wird und sich eine Art “Fangemeinde” findet, könnte es dazu führen, dass die Gottesdienste besser besucht werden und die Menschen wieder mehr Lust auf Kirche bekommen. Hier heißt das Zauberwort “Transparenz”. Sie ist bisher eher nicht zu finden. Bewertungsportale können Worte und Werte greifbar, erlebbar und teilbar machen.
Die Suche beginnt heute im Internet und genau dort kann auch die Kirche ihre “Gäste” abholen. Durch innovative und “etwas andere” Gottesdienste, über die im Internet gesprochen wird, ist es um ein Vielfaches einfacher, die Menschen für etwas zu begeistern, was sie entweder noch nicht kennen oder wovon sie vielleicht ein falsches Bild haben.
Olaf Dierich ist Direktor im relexa hotel Bellevue in Hamburg.
KONTRA: Gottesdienst kann nur geistlich beurteilt werden
Zugegeben, es gibt Gottesdienste, die mich enttäuscht, kopfschüttelnd oder gar ärgerlich zurücklassen. WennÂṀs ganz schlimm kommt, gabÂṀs nicht mal schöne Lieder. Aber würde ich meine Eindrücke anschließend ins Netz stellen? Nein! Denn es handelt sich um meine persönlichen Eindrücke.
Zum Gottesdienst bringen alle Menschen ihre Lebensgeschichte, ihre augenblickliche Lebenssituation, ihre soeben vergangene Woche mit. Woher soll ich wissen, wer angesprochen wird und wer nicht? Wer sagt mir, ob nicht ein Wort aus der Lesung, ein Satz aus der Predigt, eine Bitte im Gebet, eine Zeile eines Liedes, eine Melodie von der Orgel oder die Atmosphäre einer Kirche Menschen angesprochen haben? Und wenn es nur ein Mensch ist, der berührt wurde und gestärkt nach Hause geht, war es für diesen Menschen ein guter Gottesdienst. Vielleicht nicht für mich, aber ich habe nicht das Recht, mich selbst zum Maßstab für andere zu machen. Denn Gottesdienst ist ein geistliches Geschehen und kann daher nur geistlich beurteilt werden.
Eine Leistungsbeurteilung – zumal im Netz und womöglich aus einmaligem Erleben heraus – ist dem Gottesdienst wesensfremd. Im Gottesdienst wird keine Leistung erbracht, sondern er wird gefeiert, und wie in jeder Feier werden Menschen unterschiedlich berührt, wie Gottes Geist es will. Das entbindet weder von solider Vorbereitung noch von liturgischer Präsenz noch von lebenslanger Fortbildung. Aber eine Gewähr für “erfolgreichen” Gottesdienst gibt es nicht. Wer wirklich an der Qualität des Gottesdienstes interessiert ist, wird Pfarrerinnen und Pfarrern helfen, sich von Aufgaben zu befreien, die sie daran hindern, sich mit der nötigen Muße auf Gottesdienste vorzubereiten!
Pastor Andreas Kahnt (Westerstede), ist Vorsitzender des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. (idea)