Über die ideale Länge einer Predigt im Gottesdienst sind sich Pastoren, Pfarrer und Zuhörer oft nicht einig. Als eine Faustregel gilt häufig: nicht länger als 20 Minuten, weil viele Menschen dann abschalten. Deswegen: Sollten Predigten länger als 20 Minuten sein?
PRO
Ich glaube: Eine Predigt ist kein Vortrag, sondern ein Moment, in dem sich Himmel und Erde berühren. Da geht es bei weitem nicht nur um Information, sondern ganz besonders auch um Transformation. Wenn Gott durch sein Wort redet, kann eine einzige Wahrheit ein ganzes Leben verändern – und das lässt sich nicht in Minuten messen. Klar, unsere Welt ist schnell geworden. Wir sind inzwischen gewohnt, nach 15 Sekunden weiter zu „wischen“, wenn uns etwas nicht packt. Aber Kirche ist kein Instagram-Reel. Menschen kommen in den Gottesdienst, weil sie spüren: Da gibt’s mehr. Mehr Tiefe, mehr Wahrheit, mehr Hoffnung. Besonders Menschen, die vom Evangelium noch nicht viel gehört haben, brauchen Zeit, um sich auf das Neue einlassen zu können.
Ich erlebe es immer wieder: Wenn eine Predigt ehrlich, relevant und vom Heiligen Geist getragen ist, dann bleibt man als Zuhörer dabei – egal ob sie 15, 20, 30 oder 45 Minuten dauert. Eine gute Predigt ist keine Frage der Länge, sondern der Leidenschaft. Darum finde ich: Wir sollten weniger über Minuten reden und mehr darüber, was Gott in dieser Zeit tun will. Wenn er Menschen berührt, heilt oder herausfordert, dann ist jede Minute gut investiert. Am Ende zählt nicht, wie lang eine Predigt war – sondern ob jemand danach sagt: „Gott ist mir begegnet.“ Und wenn das passiert, war keine Sekunde zu lang.
Der Autor, Tobias Teichen, ist leitender Pastor der evangelischen Freikirche ICF München. ICF steht für International Christian Fellowship.
KONTRA
Eine Predigt im Sonntagsgottesdienst sollte auf höchstens 15 Minuten geplant werden. Denn dann ist Luft nach oben, um spontane Gedanken einzufügen. Sollten die Hörer die Stirn runzeln, kann das Gesagte noch einmal genauer erläutert werden. Sollten sie sehr aufmerksam zuhören, kann verlängert werden. Obergrenze ist auf jeden Fall 20 Minuten.
Das gebietet die Rücksicht auf unsere Konfis, für die schon zehn Minuten Zuhören eine Herausforderung ist. Auch für nicht geübte Predigthörer, wie sie sich etwa in jeder Taufgesellschaft finden, kann eine zu lange Predigt abschreckend wirken.
Die Predigt ist ja nur ein Baustein von mehreren im Gottesdienst. Ihr Ziel ist es, einen biblischen Lesungstext genauer zu durchleuchten sowie seine Relevanz für uns heute in verständlicher Sprache aufzuzeigen. Wenn sich ein Prediger wirklich darauf konzentriert, kann in 15 Minuten Vieles und Wesentliches gesagt werden. Schwierig finde ich es, wenn biblische Kernaussagen durch ganz andere Themen verdrängt werden. Das kann Predigten in die Länge ziehen. Und in einem solchen Fall können die Lieder, die Psalmen und Lesungen, die Gebete, die liturgischen Stücke und der Segen den Gottesdienst retten – also alles, was nicht Predigt heißt. Gottesdienst bedeutet ja, dass Christen zusammenkommen, um gemeinsam den auferstandenen Herrn Jesus Christus in ihrer Mitte zu feiern.
Wem 20 Minuten Predigt zu wenig sind, für den sollte es Predigtnachgespräche, Bibelkurse oder Hauskreise geben. Auch online kann man viel guten biblischen Input finden. Mir persönlich war selten eine Predigt zu kurz, wenn ich einen Gottesdienst besuchte. Hingegen hätte ich mir schon manches Mal statt der letzten fünf Minuten Predigt einen schönen Psalm oder ein paar Liedstrophen mehr gewünscht.
Der Autor, Robert Augustin, ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Hammelburg (Unterfranken).
