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“Pimp the Lutherdeutsch!” (Kommentar von Wolf Schneider)

Von: ADVENT VERLAG Datum Beitrag: 29.04.2016 Kommentare: Keine Kommentare Tags:

(“Adventisten heute”-Aktuell, 29.4.2016) “Besonders von evangelischen und noch mehr von evangelikalen Organisationen werden zunehmend Anglizismen bei Ankündigungen verwendet. Mancher macht sich damit sprachlich lächerlich, meint Deutschlands meistgelesener Lehrer für deutsche Sprache und Stil, Wolf Schneider, in seinem folgenden Kommentar.”

Können Sie “pimpen”? Im Langenscheidt ist “the pimp” der Kuppler, der Zuhälter, der Bordellbetreiber (und sonst nichts). Da darf man schon rätseln: Wohin hat ein evangelischer Kreisjugenddienst uns eigentlich eingeladen mit der Überschrift “Pimp my Andacht” – in die Kirche oder in einen Puff? Ja doch, “pimp” ist eine Anleihe beim Jugendjargon, und da hat das in Deutschland erfundene Verbum “pimpen” die Bedeutung “verschönern, aufbrezeln, aufmotzen” angenommen, und wer das nicht weiß, gehört eben zum alten Eisen. Doch bis zu welchem Grade darf, soll die Kirche sich dieses Jargons, überhaupt eines Jargons bedienen? Soll sie vielleicht einen “geilen Gottesdienst” versprechen – weil geil in der Jugendspreche längst “toll, super, fetzig, erste Sahne” heißt? Würde nicht auch dies junge Leute in die Kirche locken – wie es offensichtlich die Absicht ist, wenn allenthalben Churchnights angeboten werden, manchmal mit dem Zusatz School’s out – Worship Summerparty?

Wie man sich sprachlich lächerlich macht

Solche Absicht wäre ja nicht zu tadeln, und in der Tat ist es wohl so: Die Heranwachsenden sind einerseits oft nicht sehr gläubig und fühlen sich andrerseits von allem Englischen mehr als von allem Deutschen angezogen. Es fragt sich nur, ob die Liebe zum Pimpen hier nicht übertrieben wird. Schon mal, weil zu bedenken wäre: Laufen Menschen gesetzten Alters (also die Autoren, die Veranstalter vermutlich) nicht Gefahr, sich gerade bei den 17-Jährigen lächerlich zu machen, wenn sie deren Jargon nachäffen? Gelten sie vielleicht geradezu als Anbiederer, als Spielverderber? Und zweitens: Werden solche Sprachgebilde auch nur von den Adressaten verstanden mit ihrem selbst erfundenen Anglo-Mischmasch?

Youvent heißt ein Landestreffen der Evangelischen Jugend in Baden, offenbar aus youth und event zusammengeleimt – das geht ja noch. Youthival ist schon schwieriger, und bei Youcat (einem Einfall der katholischen Kirche) setzt alle Verstehbarkeit aus. (“Jugendkatechismus” soll es bedeuten.)

“Message heißt jetzt Ju Godi.”(???)

Das Angebot nethelp 4 U (von der Evangelischen Jugend in Stuttgart angeboten) hat demgegenüber den Vorzug, dass es Luther nichts wegnimmt, davon konnte er wirklich noch nichts wissen – und ebenso überraschend wie erholsam sind die Sätze, die sich unter diese modische Überschrift gemogelt haben: “Kennst du das Gefühl, dass du mit niemandem reden kannst – weil dich keiner versteht? Weil du mit allem überfordert bist – und keinen Ausweg mehr siehst?” Leute – das ist ja Deutsch! Da keimt die Hoffnung, selbst 17-Jährige könnten sich zwischen solchen Wörtern zu Hause fühlen – mehr vermutlich als in der Ankündigung Spirit / Culture / Action oder gar mit der originellen Auskunft: “Message heißt jetzt Ju Godi.”(???) (Gut zu wissen.) Übertreiben sie also vielleicht, diese allzu bemühten Textverfilzer? Blamieren sie sich am Ende gerade bei denen, die sie mit ihrem Kauderwelsch erreichen wollen? Bei Freunden der Sprache sowieso.

Der Tiefpunkt sind die Luther Activities

Den Tiefpunkt solch schrägen Bemühens markieren die Luther Activities. (Wer die angekündigt hat, verschweige ich, aus Nächstenliebe.) “Activities” – das ist ein englisches Allerweltswort für irgendwelche Beschäftigungen, weder bei Shakespeare zu finden noch bei Hemingway, nach Deutschland geistreich als “Aktivitäten” importiert – einem Modewort mit zwei schlimmen Nachteilen: In der Wirtschaft werden die Aktivitäten inflationär verwendet, tautologisch sind sie meist auch. Die beliebten “Marketingaktivitäten” zum Beispiel sind ja nur das Marketing noch einmal, mehr Tätigkeit als dafür gibt’s gar nicht. Und zweitens falsches Deutsch: Die Aktivität ist ein singularetantum, ein Sammelwort ohne Plural, die Summe von hundert Aktionen. Aktivitäten gibt es so wenig wie Passivitäten, Stolze oder Milche – und kein frommes Buch auf Erden lehrt, dass man aus Frömmigkeit die Grammatik zu verhunzen habe. Was also wäre ein passender Oberbegriff für die hier zitierten Ankündigungen und Programme? “Pimp the Lutherdeutsch!” Könntet ihr nicht wenigstens diesen grandiosen Martin Luther in Ruhe lassen, ihr Anglo-German-Sprachpanscher? Wer die deutsche Sprache liebt, der pimpt sie nicht. (idea) “Wolf Schneider aus Starnberg ist Träger des Medienpreises für Sprachkultur der “Gesellschaft für deutsche Sprache” und Honorarprofessor der Universität Salzburg. Dreißig Jahre lang hat er junge Journalisten ausgebildet, in der Wirtschaft wurde er ebenso lange als Lehrer für klares Deutsch gebucht. “Lutherdeutsch”, sagt er selber.”

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