Weltweit ist die Zahl der verfolgten Christen erneut gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt das christliche Hilfswerk Open Doors in seinem Weltverfolgungsindex 2021 (WVI), der am 13. Januar veröffentlicht wurde. In den 50 erfassten Ländern leiden demzufolge 309 Millionen der dort lebenden 760 Millionen Christen unter starker oder extremer Verfolgung. Zähle man die Christen hinzu, die in weiteren 24 Ländern unter einem hohen Maß an Verfolgung leiden, komme man sogar auf 340 Millionen. Seit Jahren steigt die Zahl an: Anfang 2017 hatte die Organisation noch von 200 Millionen Betroffenen in den 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung gesprochen, im vergangenen Bericht von 260 Millionen. Für den aktuellen WVI hat das Werk die Entwicklungen vom 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 erfasst. Es veröffentlicht die Statistik bereits seit 1993.
In Nordkorea ist die Verfolgung seit 2002 am schlimmsten
Seit 2002 steht das kommunistisch regierte Nordkorea an der Spitze des Indexes. Auch auf den folgenden Plätzen hat sich gegenüber dem Vorjahr wenig verändert: 2. Afghanistan, 3. Somalia, 4. Libyen, 5. Pakistan, 6. Eritrea, 7. Jemen (2020: Platz 8), 8. Iran (Platz 9), 9. Nigeria und 10. Indien. Der Sudan (2020 Platz 7) zählt nicht länger zu den zehn Ländern mit der schlimmsten Christenverfolgung. Aufgrund der positiven Entwicklungen im vergangenen Jahr rangiert der Staat nun auf Platz 13. Erstmals landet Nigeria (2020: Platz 12) auf der Top-10-Liste.
In Nigeria wurden die meisten Christen getötet
Im vergangenen Jahr stieg laut Open Doors die Zahl der dokumentierten Morde an Christen von 2.983 auf mindestens 4.761. Einsamer Spitzenreiter sei dabei Nigeria mit 3.530 Getöteten (2018: 1.350). 2.200 davon seien im Zeitraum zwischen April und August – also während der dortigen Corona-Beschränkungen – Opfer von Übergriffen geworden. Dabei seien Hunderte christliche Dörfer angegriffen, oft auch Felder und Ernten zerstört worden. Über 270 Kirchen seien Ziel von Anschlägen geworden.
Tödlichste Region für Christen: Länder südlich der Sahara
Insgesamt bezeichnet das Hilfswerk die afrikanischen Länder südlich der Sahara als tödlichste Region für Christen. Treibkräfte der Verfolgung dort seine vor allem radikale islamistische Gruppierungen wie Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde), Fulani-Nomaden oder die Terrormilizen, die dem sogenannten Islamischen Staat (IS) nahestehen. Neben Nigeria sind dem Bericht zufolge Burkina Faso (Platz 32), Mali (28), Niger (54), Kamerun (42), die Demokratische Republik Kongo (40) und Mosambik (46) von der islamistischen Gewalt besonders betroffen.
China: Druck auf Christen nimmt weiter zu
Im kommunistisch regierten China steigt nach Angaben von Open Doors der Druck auf Christen seit Jahren: Rangierte das Land 2018 nach auf Platz 43, steht es heute auf Platz 17. Schätzungsweise 570 Millionen Überwachungskameras seien im Einsatz, die Chinas Bewohner über ein Gesichtserkennungsprogramm mit einem Punktesystem bewerten. Religionszugehörigkeit führe zu Minuspunkten. Die analoge und digitale Überwachung der Kirchen habe mit Verweis auf die Eindämmung der Corona-Pandemie weiter zugenommen. 3.088 Gotteshäuser seien geschlossen oder zerstört worden (2020: 5.576). Auch im Privaten sei der Druck weiter hoch: In mehrere Provinzen drohten etwa die Behörden, Christen die Sozialleistungen – etwa die Rente – zu streichen, wenn diese christliche Symbole in ihren Wohnungen nicht gegen Bilder des chinesischen Präsidenten Xi Jinping ersetzten. „Wer Gott über Xi Jinping setzt, muss mit Bestrafung rechnen“, fasst der Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode (Kelkheim bei Frankfurt am Main), die Situation der Christen in China zusammen.
Christen leiden unter militärischem Vorgehen der Türkei im Ausland
Wie es in dem Bericht weiter heißt, nimmt der religiöse Nationalismus weltweit zu. Besonders deutlich zeige sich dies in der muslimisch geprägten Türkei. Das Land stieg von Platz 36 im Vorjahr auf Platz 25. Die scharfe Rhetorik der türkischen Regierung habe das Misstrauen und den Widerstand gegen Christen in der Gesellschaft verschärft. Zwei Christen seien getötet worden. Neben der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee sei es zu mehreren Übergriffen auf Kirchengebäude gekommen. Zudem seien Christen belästigt und tyrannisiert worden. Mindestens 25 ausländischen Christen sei die Einreise verboten oder sie seien zur Ausreise gezwungen worden. Doch auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus habe das Vorgehen der Türkei negative Auswirkungen auf Christen: Aufgrund der Militäroffensive im Nordirak sei die Region nun praktisch christenfrei. Seit Anfang 2020 seien Christen aus mindestens 25 Dörfern geflohen. Auch in Nordostsyrien hätten islamistische Söldnertruppen im Auftrag der türkischen Armee Hunderte Christen zur Flucht gezwungen. Erneut sei das Eigentum von Christen mit einem „N“ (für Nasrini, also Christen) gekennzeichnet worden – wie schon 2014 im Irak durch den Islamischen Staat.
Wie Open Doors Verfolgung definiert
Über die Nutzung des Begriffes „Verfolgung“ schreibt das Werk, es gebe „keine allgemein anerkannte rechtliche Definition“. Bestimmte Situationen könnten als Verfolgung eingeordnet werden, wenn zum Beispiel Personen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwehrt werde. Die WVI-Methodik folge „eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition“. Nach diesem Ansatz sei Verfolgung definiert als „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus. Dies kann feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen umfassen.“ Dabei unterscheide sie zwischen zwei Haupterscheinungsformen von Verfolgung: „squeeze“ (konstanter Druck) und „smash“ (gewaltsame Übergriffe). Während „smash“ durch das Registrieren gewaltsamer Übergriffe relativ gut erfassbar sei, werde das Ausmaß von „squeeze“ auf andere Art ermittelt: Hierfür werde der Druck untersucht, der auf das alltägliche und das religiöse Leben von Christen in fünf ausgewählten Lebensbereichen ausgeübt wird.