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Wolf Biermann und sein Freund, Pfarrer Storck

("Adventisten heute"-Aktuell, 14.11.2014) So etwas hat der altehrwürdige Reichstag in Berlin auch noch nicht erlebt: Ein Sänger, der eigentlich singen sollte, hielt eine derart spektakuläre Rede, dass sie die ganze Nation bewegte. Ein Beitrag von Helmut Matthies.

Bei der Gedenkfeier des Deutschen Bundestages zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls sollte Wolf Biermann eigentlich nur sein Lied "Ermutigung" vortragen. Stattdessen rechnete der 77-jährige Künstler, den die DDR 1976 wegen seiner kritischen Haltung zur SED ausbürgerte, erst einmal mit denen ab, denen er als einstiger Marxist früher eng verbunden war: der "Linken", im Wesentlichen eine Nachfolgepartei der SED/PDS. Nur wenige Meter vor deren Abgeordneten warf er ihr vor, nicht links, sondern reaktionär zu sein: "der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde", die "Drachenbrut" - also die ein ganzes Land unterdrückende SED. Beifall bei CDU/CSU und SPD, Entsetzen bei der Linkspartei.

Ein Pfarrer verriet ihn

An seiner Gitarre zupfend, meinte der aus einer jüdischen kommunistischen Familie stammende Biermann zu seinem Lied, es habe manchen der (280.000) Gewissensgefangenen in der DDR in der Zelle ermutigt durchzuhalten, es sei Seelenbrot gewesen. Zwei nannte er beim Namen: seinen Freund Pfarrer Matthias Storck (58) und dessen Frau Christine, die mittlerweile in der westfälischen Stadt Herford wirken. Storck wurde 1979 als Theologiestudent wegen seines Engagements gegen den Wehrkundeunterricht von der Stasi im pommerschen Greifswald zusammen mit seiner damaligen Verlobten verhaftet und zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Er war von seinem Freund, Pfarrer Frank Rudolph, verraten worden. Rudolph wurde danach als Stasispitzel nach Westdeutschland geschickt, um bei einem großen kirchlichen Publizistikunternehmen an wichtiger Stelle tätig zu sein. Storck und seine Verlobte erlebten in der Haft in Berlin-Hohenschönhausen und Cottbus eine schreckliche Zeit, waren sie doch sadistischen Aufsehern ausgeliefert.
Nach 14 Monaten kaufte die westdeutsche Regierung die beiden frei. Seine erschütternde Biografie "Karierte Wolken" (Brunnen Verlag) bezeichnete Joachim Gauck (heute Bundespräsident) als für ihn prägend. In ihr schreibt Storck, das Beeindruckendste in seiner Haft sei gewesen, wie ihn einmal sein Vater besucht habe. Ausnahmsweise durfte er etwas Kaffee und Kuchen mitbringen. Sein Vater fragte ihn, wonach er sich nach Monaten in der Haft sehne. Und sein Sohn antwortete, er möchte einmal wieder das Abendmahl empfangen. Da nahm der Vater den Kuchen und sprach die Einsetzungsworte Jesu: "Das ist mein Leib, für dich gegeben" und den Kaffee: "Das ist mein Blut, für dich vergossen". Sie feierten das Heilige Abendmahl in einem schlimmen Gefängnis der DDR.

Der Vater wurde erpresst

16 Jahre nach der Haft - Storck war längst Pfarrer der westfälischen Kirche - erfuhr er aus seinen Stasiakten, dass auch sein Vater ihn verraten hatte. Ein Schock für den Sohn, denn sein Vater hatte ihm immer wieder eingeschärft, keine Kompromisse mit dem SED-System einzugehen. Ausgerechnet sein Vater war von der Stasi in brutaler Weise erpresst worden. Doch sein Sohn Matthias vergab ihm. Kurz vor dem Tod des Vaters kam es noch zu einer Versöhnung. (idea)

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