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Willow-Creek-Leitungskongress in Leipzig: wieder gut!

("Adventisten heute"-Aktuell, 14.2.2014) Der 8. Willow-Creek-Leitungskongress war der drittbeste besuchte: Nach 11.000 Teilnehmern 2005 in Stuttgart und 8.100 2002 in Oberhausen, kamen rund 8.000 Christen vom 6. bis 8. Februar auf dem Messegelände in Leipzig zusammen, um sich im Einsatz für Kirche und Welt motivieren zu lassen. Diese Resonanz bewog Ulrich Eggers, den Vorsitzenden von Willow Creek Deutschland zum Fazit: "Ich bin erstaunt, dass bei uns nach 20 Jahren Kongressarbeit in Deutschland die Vitalitätskurve eher noch nach oben geht."

Vier persönliche Höhepunkte

Die vier Video-Mitschnitte, die ich als DVD nach Hause brachte, enthalten die vier Themen, die mich am meisten angesprochen haben: die ersten zwei Vorträge von Bill Hybels bzw. Michael Herbst, der Freitagabendvortrag des Geigenbauers Martin Schleske und der vorletzte Vortrag des Kongresses von John Ortberg. Eine sehr gute Ausbeute, wie ich meine.

Wenn Gott Menschen im Gottesdienst berührt

Predigt, Musik und Gemeinschaft - das sind die drei wichtigsten Dinge, durch die Gott Menschen im Gottesdienst berührt. Das sagte Bill Hybels, Hauptpastor der Chicagoer Gemeinde Willow Creek Church, beim Eröffnungsvortrag. (Er hatte das im Programm angegebene Thema geändert.) Als Pastor fühlte ich mich besonders von seiner Einladung angesprochen, bei der Ausarbeitung meiner Predigten darauf zu achten: Gibt es mindestens eine Stelle, an der ich bewusst die Hörer darauf vorbereite, dass der Heilige Geist ihre Herzen (zusätzlich zu ihrem Verstand) berührt? Natürlich spielen auch die Musik und die Gemeinschaft im Gottesdienst eine besondere Rolle, wie er mit besonderen Erfahrungen aus seinem Leben belegte.
Seine Ausführungen darüber, dass es in jeder Gemeinde so etwas wie "Zellen liebevoller Gemeinschaft" geben sollte, damit niemand (auch kein Gast) in der Masse untergeht, erinnerten mich daran, welch Potenzial in meiner eigenen Freikirche steckt: In Adventgemeinden teilen sich die Anwesenden im ersten Teil des Gottesdienstes in kleinen Gruppen auf, um sich ca. 30 Minuten lang über ein biblisches Thema auszutauschen, mit dem sich jeder während der Woche zu Hause beschäftigt hat. Würden wir uns in dieser Zeit nicht nur aufs Bibelgespräch beschränken, sondern auch einen persönlichen Austausch und eine Zeit des Gebets praktizieren, dann hätten wir genau das: Zellen liebevoller Gemeinschaft, in denen sich jeder aufgefangen weiß!

Die Volkskirche hat keine Zukunft

Michael Herbst, Professor für Praktische Theologie an der Universität Greifswald und Vorsitzender des Instituts für die Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung, ist bei jedem Kongress ein authentisch-überzeugender Redner. Ihm zuzuhören macht Spaß: Er besitzt einen ausgeprägten Sinn für Humor, der Niveau hat und ernste Inhalte unterstreicht. Ihm zuzuhören macht nachdenklich: Er nennt Dinge beim Namen, um die sich andere herum drücken. Eine zentrale Frage seines diesjährigen Vortrags lautete: "Hat die Kirche Zukunft und braucht die Zukunft Kirche?". Seiner Ansicht nach wird die "Volkskirche als privilegierte Kirche des ganzen Volkes" sterben. Kirche im Sinne von Versammlungen von Christen, werde es aber weiterhin geben: "Das ist gewiss, weil Jesus bleibt", sagte er. "Den kann euch niemand nehmen."
Herbst sagte, die Christen in Deutschland bräuchten "Mut, von Jesus zu erzählen und nicht immer nur zu sagen, dass das wichtig wäre. Mut, Altes zu beenden und einen Schritt hinaus in die Welt zu tun. Mut, Gutes zu tun, ein Segen zu sein, Liebe zu üben." Christen würden auf diese Weise nicht die Welt "transformieren", sie könnten aber so ein Zeugnis von der Großzügigkeit und dem Erbarmen Gottes sein. Die "Fantasie der Liebe" schaue nicht auf die Zukunft der Kirche, sondern "liebt einfach die Menschen, die es brauchen können". So wachse die Kirche der Zukunft.
Typisch Herbst ist die Tatsache, dass er nicht vom grünen Tisch her redet, sondern aus der Praxis. Auch deswegen sind seine Vorträge so motivierend. Da war in Leipzig die Rede von Christen, die den Gottesdienst in die eigene Hand nehmen, weil es im Dorf keinen Pfarrer mehr gibt. Oder von den alten Damen, die im kalten Winter in eigener Regie Raum für Obdachlose in ihrer Kirche schaffen. Oder vom "Chor der Muffeligen", der sich in einen "Chor der Glücklichen" verwandelt und sogar in der Konzerthalle auftritt. Oder, oder ...

So ähnlich könnte es bei Jesus gewesen sein

Vom Geigenbauer in Bayern, der ein christliches Buch geschrieben hat und auch im Fernsehen aufgetreten ist, hatte ich bereits gehört. Nun konnte ich ihn am Freitagabend auf der Bühne erleben: Martin Schleske, Geigenbaumeister und Dipl.-Physik-Ingenieur. Seine authentische, bescheidene Art, seine bildhafte Predigt, die Tiefe seiner geistlichen, auf der Bibel beruhenden Gedanken - das alles hat mich regelrecht fasziniert. Und die tausenden Kongressteilnehmer um mich herum auch, denn am Schluss gab es Standing Ovations (vermutlich überhaupt nicht in seinem Sinne).
Neben einer Werkbank auf der Bühne erzählte Schleske von Herzen, die stumpf werden - wie seine Werkzeuge: "Es ist nicht die Schuld des Eisens, dass es stumpf wird. Es liegt in der Natur der Sache. Nur das unbenutzte Herz bleibt scharf. Es ist nicht schlimm, stumpf zu werden, schlimm ist es, sich nicht schärfen zu lassen." Er beschrieb den Unterschied zwischen Perfektion und Vollkommenheit und verband seine Gedanken über "die Gottlosigkeit der geraden Linie" und über den "Faserverlauf" des Menschseins mit Aussagen aus dem Römerbrief. Beim Zuhören, Mitschreiben und Betrachten seiner Handgriffe an der Werkbank kam mir in den Sinn: So ähnlich mag es bei Jesus in der Zimmermannwerkstatt zugegangen sein, wenn er sich mit seinem Vater Josef über geistliche Themen unterhielt!
Ich habe mir inzwischen sein Buch "Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens" (Kösel-Verlag) besorgt und freue mich darauf, das Gehörte zu vertiefen. (Übrigens: ein sehr fein gestaltetes Buch, das mit dem wertvollen Inhalt sehr gut harmoniert.)

Verpackung irreführend, Inhalt einwandfrei!

Der erste Vortrag des bekannten Autors John Ortberg hatte mich enttäuscht: Nicht das Thema an sich, denn was sollte man auszusetzen haben, wenn ein Redner in den schönsten Worten von Jesus Christus und dessen Rolle in der Weltgeschichte spricht! Nur: Was mich als evangelistische Ansprache sehr erfreut hätte, enttäuschte mich im Blick auf die Zuhörerschaft. Er rannte bei uns offene Türen ein, ich vermisste allerdings die Bezüge darauf, wie wir als engagierte Jesusnachfolger unser Verhältnis zu Jesus vertiefen und ihn noch besser in den Mittelpunkt unseres Lebens, unseres Dienstes und unseres Zeugnisses stellen können.
Umso gespannter war ich aus diesem Grund auf den zweiten Vortrag desselben Redners mit dem Titel "Wenn Gott schweigt". Ich war auch neugierig, weil ich exakt mit dem selben Titel eine Predigt habe, die bei meinen Gemeindeeinsätzen häufig gewünscht wird. Er sprach nur sehr am Rande darüber, denn sein Thema war "Der Tag dazwischen", und zwar der Samstag zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Diesmal ging er sehr einfühlsam auf die Situation, die jeder Christ wohl kennen dürfte: Trauer, Resignation, Hoffnungslosigkeit. Das Problem bei diesen "Drei-Tages-Erfahrungen" sei, dass man nie weiß, wie lange dieser "Zwischentag" wohl dauern wird.
Da auch zu diesen Ausführungen ein kleines Buch gerade erschienen ist ("Warum eigentlich Ostern? Drei Tage, die alles veränderten", Gerth Medien), freue ich mich darauf, seine Ausführungen nachzulesen und zu vertiefen.

"Prüfet alles und das Gute behaltet!"

So betitelt "idea Spektrum" (vom 12.2.2014) dem Kommentar von Matthias Pankau. Ich schließe mich dem voll und ganz an: Es war sehr amerikanisch und alles war großartig (great), und trotzdem kann man einiges von unseren Glaubensgeschwistern in den USA lernen. Die Musik war mir immer noch zu laut, daher habe ich die eher ruhiger vorgetragenen Anbetungslieder gemocht. Die Theaterstücke sind sicher nicht jedermanns Sache, aber die Professionalität der Mitwirkenden wird wohl niemand infrage stellen - und sie führten die Zuhörer immer zum anschließenden Thema, was auch deren Sinn und Zweck war. Mir fiel diesmal etwas negativ auf, dass es häufig (häufiger als sonst?) Eigenwerbung gab. Aber irgendwie müssen die Veranstalter auf ihre Kosten kommen bzw. für die Fortsetzung ihrer Arbeit werben. Auch des Einsatzes im sozialen Bereich, sehr beeindruckend dargestellt durch die Inderin und Menschenrechtsaktivistin Pranitha Timothy, die erfolgreich gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel kämpft.

2016 geht es weiter - 2015 aber gewissermaßen auch

Willow Creek Deutschland führt den Leitungskongress alle zwei Jahre durch. Veranstaltungsort wird 2016 Hannover sein. Durch ein Grußwort von Pastor Horst Marquardt am letzten Tag kam zum Ausdruck, dass der Kongress christlicher Führungskräfte, dessen Vorsitzender er ist, in keinerlei Konkurrenz zu den Willow-Creek-Kongressen steht, sondern dass beide "in dem Bemühen zusammenstehen, Menschen mit der Kraft des Evangeliums zu unterstützen": Willow-Creek in der Stärkung der Arbeit in den Gemeinden und der christliche Führungskräftekongress in der Ermutigung, Verantwortungsträger in Wirtschaft, Industrie und Politik Kraft aus dem christlichen Glauben zu schöpfen. Dies ist auch das Ziel des nächsten Kongresses 2015 in Hamburg.
Von den knapp 8.000 Teilnehmern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Kirchen, Freikirchen und Gemeindebünden, waren 83 Prozent Ehrenamtliche. 43 Prozent gehören einer evangelischen Landeskirche an, 1,6 Prozent sind katholisch. Von Freikirchen waren der Bund Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden mit 15 Prozent sowie die Freien evangelischen Gemeinden mit 11 Prozent am stärksten vertreten. Von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten nahmen 212 Personen am Kongress teil. Die Teilnehmer kamen vor allem aus dem deutschsprachigen Europa. Darüber hinaus waren auch Gäste aus Belgien, Dänemark, Italien, Luxemburg, den Niederlanden sowie aus Paraguay, Angola und Afghanistan anwesend. Von den deutschen Teilnehmern kam der größte Anteil aus dem Postleitzahlgebiet 0 (Sachsen, Ostthüringen, Süd-Brandenburg, Süd-Sachsen-Anhalt). Elí Diez-Prida


Sätze, die hängen bleiben



  • "Ihr baut die besten Autos der Welt. Warum nicht auch die besten Kirchen?" Bill Hybels

  • "Meine Stimme ist leise, aber in Gottes Hand ist sie sehr kraftvoll." Pranitha Timothy

  • "Du lernst in der Stille, wie du leitest im Sturm." Gottfried Locher

  • "Hätte man zu Jesu Lebzeiten wetten sollen, wessen Einfluss länger überdauern würde - der von Jesus oder der des Römischen Reiches -, hätte wohl niemand auf Jesus gesetzt. Aber heute nennen wir unsere Kinder Peter, Maria oder Johannes und unsere Hunde Cäsar und Nero." John Ortberg

  • "In den Sendschreiben der Offenbarung hören wir die ernste Mahnung: Kehrt um! Wenn ihr die erste Liebe verlasst, kehrt um! Wenn ihr nicht mehr auf Jesus hört, kehrt um! Wenn euch die Not der Menschen nicht mehr berührt, kehrt um! Wenn ihr dem Wort des Herrn nicht mehr traut, kehrt um! ... Kirchen und Gemeinden, die ihr eigenes Kirche- und Gemeindesein verleugnen und verlassen, können sterben, sich in Luft auflösen, auch wenn es sie Jahrhunderte lang gab." Michael Herbst

  • "Bei Jesus gab es keinen Kindertisch. Bei ihm saßen alle zusammen." Kara Powell

  • "Der gesetzliche Glaube zieht und zerrt an den Dingen. Er macht sich zum Nachhilfelehrer Gottes." Martin Schleske




Weitere Informationen






Bill Hybels, Gründer und Hauptpastor der Willow-Creek-Gemeinde in South Barrington (bei Chicago)

hielt die erste und letzte Ansprache.

(Foto: Thorsten Indra/ Willow Creek)




Michael Herbst





Michael Herbst ist Professor für Praktische Theologie an der Universität Greifswald und Vorsitzender des Instituts für die Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung .


(Foto: Claudia Börner, Willow Creeck)




Lobpreisband



Seit einigen Jahren sind die Lobpreisband

fast alle Lieder auf deutsch -

eine Herausforderung für Amerikaner!

(Foto: edp)




Kongress-Teilnehmer



8.000 Teilnehmer, 83 Prozent davon Ehrenamtliche,

nahmen am Kongress in Leipzig teil.

(Foto: Thorsten Indra/ Willow Creek)




Pranitha Timothy





Pranitha Timothy (links)




kämpft in Indien gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel.


(Foto: edp)




Martin Schleske




Martin Schleske ist


Geigenbaumeister und Dipl.-Physik-Ingenieur.

Laut Wikipedia wird er der Stradivari des 21. Jahrhunderts genannt.

(Foto: Thorsten Indra/ Willow Creek)





John Ortberg




John Ortberg, ein begnadeter Autor,

sprach in seinem ersten Vortrag über Jesus als die wichtigste Person der Weltgeschichte.

(Foto: edp)





Abschlusszeremonie



Ein bewegender Abschluss: Willow-Mitarbeiter tragen die Kärtchen mit den Gebeten und Entschlüssen der Teilnehmer auf die Bühne.

(Foto: edp)




Bill Hybels



Auf Wiedersehen am 11. Februar 2016

in der TUI-Arena in Hannover!


(Foto: edp)


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