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Was vom Glauben übrig blieb (Filmkritik)

("Adventisten heute"-Aktuell, 18.4.2014) Für den Dokumentarfilm "Pfarrer" begleiteten zwei atheistische Filmemacher ein Jahr lang Vikare bei ihrer Ausbildung in der Lutherstadt Wittenberg. Der Film zeigt eine grüblerische Generation von Geistlichen. Eine Rezension von Karsten Huhn.

Segnen will gelernt sein. Genauso wie das öffentliche Beten und Singen, das Predigen und Zelebrieren. Dafür gibt es Predigerseminare wie das in der Lutherstadt Wittenberg. Dort wird geflüstert und herausposaunt, der liturgische Sprechgesang eingeübt und darüber diskutiert, was denn nun eigentlich das Evangelium sei. Ein Jahr lang haben die Dokumentarfilmer Chris Wright und Stefan Kolbe einen Vikarsjahrgang begleitet - und dabei eindrückliche Szenen festgehalten. Sie zeigen die kreative Plage der Predigtvorbereitung, Dehnungsübungen in der Schlosskirche, Gesangsversuche vor den verdutzten Augen von Touristen. Spannung bezieht der Film vor allem durch die naiv-raffinierten Fragen der beiden atheistischen Filmemacher. Sie sind während der Dreharbeiten ganz nah dran. "Es gab Situationen, wo wir beide beim Drehen geheult haben, weil Andachten oder Predigten vor allem am Anfang sehr persönlich gehalten waren", sagt Stefan Kolbe. "Da kriegt's einen dann natürlich." Davon ist im Film allerdings nichts zu spüren. Die beiden Dokumentarfilmer treten als Advocatus diaboli (Anwalt des Teufels) auf und stellen Fragen wie: "Warum bist du hier?" Die angehenden Pfarrer geraten beim Antworten ins Stocken und Stammeln.
"Ist es Wahrheit oder Wahnsinn?" Ein Vikar antwortet: "Genau. Ich habe das Gefühl, hier ist es Wahrheit, und im Alltag ist es dann Wahnsinn."
"Was ist Abendmahl?" Die Antwort lautet: Brot mit viel Bedeutung, gefeiert von einer großen Familie.
"Können wir da mitmachen?"
Ja, sagt eine Vikarin. Nein, sagt ein Vikar.
Über alles wird am Predigerseminar diskutiert: Bin ich berufen? Was ist der Wille Gottes? Glaube ich an ein Leben nach dem Tod? Was glaube ich - und was nicht? Tauge ich dafür? Schaff ich es, Glaube am Fließband zu produzieren?

Trockenübungen "auf der Insel" Wittenberg

Noch sind es Trockenübungen, doch schon bald kommt der Praxistest in den Gemeinden. Das Predigerseminar - knapp 100 km südlich von Berlin - sei wie eine Insel, sagt der Studienleiter des Predigerseminars, Wolf-Jürgen Grabner. Es sei "wie auf dem Mars", meint eine Vikarin: "Wittenberg hat nichts mit der Realität zu tun. Das ist hier eine Kunstwelt." Das Gruppengefühl habe "was von einer Droge". Gelungen ist mit diesem Film ein intimer Werkstattbericht, der Einblick gibt in die Seelenlage angehender Pfarrer. Gezeigt werden sie als große Zweifler und Grübler, die mit sich selbst und ihrem Glauben hadern. "Leute! Spielt Fußball, geht Bier trinken, habt mal Spaß", möchte man den Vikaren zurufen. Liegt es am skeptischen Blick der Filmemacher, oder geht es tatsächlich so düster, ernst und freudlos zu?

Das Kreuzverhör

Die Schlüsselszene des Films ist eine Art Kreuzverhör, in dem der Regisseur Chris Wright selbst vor die Kamera tritt: "Lieber Herr Pfarrer, hat mein Leben einen Sinn?" Erstaunlicherweise gibt er sich die Antwort gleich selbst: Gibt es Gott, gibt es Sinn.
"Was hindert dich daran, an Gott zu glauben?", fragt daher eine Vikarin.
"Mein Verstand", antwortet der Dokumentarfilmer. "Das ist so was von schwachsinnig, das geht gar nicht."
Darauf antwortet die Vikarin mit dem seltsamsten Satz im ganzen Film: "Aber Gott und Verstand haben ja auch nichts miteinander zu tun." Meint sie das ernst? Wozu dann noch Theologie studieren, über Gott nachdenken und von ihm erzählen?

Zweifel im Überfluss

Etwas mager ist auch, wie Studienleiter Grabner das Evangelium definiert: Dieses sei Begegnung, das einander Zuhören. Unbestritten sind das Voraussetzungen für ein gelingendes Gespräch, aber ist das schon alles, was die Kirche den Menschen zu bieten hat?
Falls die gezeigten Filmszenen für die Vikarsausbildung repräsentativ sind, muss einem bange sein, um den Pfarrernachwuchs: Zweifel gibt es im Überfluss, dagegen sind Gewissheit und Glaubensfreude überschaubar. Ein Vikar verabschiedet sich im Laufe des Films von der Vorstellung eines allmächtigen Gottes. Vielleicht sei Gott nur eine Einbildung, um nicht verrückt zu werden, sagt er. Vielleicht sei er aber auch nur eine Einbildung, die verrückt macht. Während seine Kollegen die Ordination ablegen, bleibt sie bei ihm offen. Schwermütig sind in "Pfarrer" die Gedanken, fröhlich stimmt hingegen der Gesang.

Pfarrer, Dokumentarfilm, 2014, Regie: Chris Wright und Stefan Kolbe, 90 Minuten, Kinostart 10. April.

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