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Thomas' Tagebuch - Tag 4: Die Stimmung ist gereizt

Der heutige Sonntag (5.7.) beginnt wolkenverhangen, was die Hitze etwas dämpft. Der heutige Tagebucheintrag sollte ursprünglich nicht so ausführlich ausfallen, denn es stehen überwiegend Routinepunkte auf der Agenda, nämlich Änderungen an einzelnen Formulierungen der Gemeindeordnung, die meist unumstritten sein dürften. Doch es kommt anders.

Nach einer lebendigen Andacht über die Wiederkunft Christi beginnt die Geschäftssitzung. Änderungswünsche für die Gemeindeordnung werden an den Gemeindeordnungsausschuss zurückverwiesen. Viele Delegierte äußern die Meinung, dass die bisherigen Regelungen ausreichen, sind sich aber nicht ganz sicher und wollen eine erneute Prüfung.

Debatte um geschlechtsneutrale Bezeichnung von Pastoren

Als an einer Stelle in der Gemeindeordnung die Ausdrucksweise in Bezug auf die Pastoren geschlechtsneutral formuliert werden soll ("individuals" statt "men"), scheint das für die Gegner der Frauenordination ein Signal zu sein, Flagge zu zeigen. Die Theologen Clinton Wahlen und Gerard Damsteegt argumentieren gegen die vorgeschlagene geschlechtsneutrale Formulierung und verbinden das gleichzeitig mit einer Werbung für ihre jeweiligen Bücher gegen die Frauenordination.

Die Geschäftssitzungen werden von sehr erfahrenen Personen geleitet.Dazu zählt z. B. der Kanadier Lowell Cooper,der seit 1998 einer der Vizepräsidenten der Weltkirchenleitung ist,nun aber in den Ruhestand geht. (Foto: Dejan Stojkovic/TED)


Auf Antrag von Israel Leito, dem Vorsteher der Inter-Amerikanischen Division, erhalten die beiden Theologen eine Zurechtweisung und es wird an sie appelliert, auf weitere Werbebeiträge zu verzichten. Es gibt etliche Beiträge, die den Antrag auf eine geschlechtsneutrale Sprachregelung unterstützen. Man spürt, dass alle Wortmeldungen vor dem Hintergrund der Debatte über die Frauenordination geschehen, die am Mittwoch verhandelt werden soll. Das wird auch von der Tagungsleitung wahrgenommen (heute Vormittag: Generalkonferenz-[GK]-Vizepräsidenten Geoffrey Mbwana und Armando Miranda; am Nachmittag: Artur Stele). Obwohl die vorgeschlagene Sprachänderung formal nichts mit der Ordinationsfrage zu tun hat (Pastorinnen gibt es ja bereits), hängt das Thema "Ordination" in der Luft, die zu flirren beginnt. Die Stimmung ist gereizt.

Die Aussprache droht zu einer Stellvertreterdebatte zu werden. Und tatsächlich wird der Änderungsvorschlag zugunsten der geschlechtsneutralen Sprache auf Antrag des TV-Evangelisten und Gegners der Frauenordination, Doug Batchelor, mit knapper Mehrheit bis Mittwoch zurückgehalten, damit er erst nach der Entscheidung über die Ordinationsfrage behandelt werden kann. Sofort bricht eine Debatte darüber aus, ob der Sitzungsleiter, GK-Vizepräsident Geoffrey Mbwana, die Geschäftsordnung korrekt angewandt hat. Da gibt es offenbar ernstzunehmende Zweifel, auch Geoffrey Mbwana ist sich nicht ganz sicher. Weil der Antrag aber auf jeden Fall noch einmal auf den Tisch kommen soll, bleibt es bei der Zurückstellung.


Delegierter am Mikrofon

Jeder Delegierte hat das Recht,zu den Agendapunkten am Mikrofon zu sprechen.Je nach Andrang kann die Redezeit begrenzt werden. (Foto: Steven Norman/NAD)


Interessant ist, dass zu dieser Frage meist Delegierte aus Nordamerika das Wort ergreifen (überwiegend die Formulierungsänderungen unterstützend), aber die schweigende Mehrheit der Delegierten aus den anderen Regionen offenbar anders denkt. Wenn dieses erste Stimmungsbild aus dem Delegiertenkreis sich am Mittwoch bestätigen sollte, dürfte die Frauenordination wohl abgelehnt werden. Wo bleiben die Wortmeldungen der Europäer? Außer zweier Briten hat sich niemand aus Europa zu Wort gemeldet. Vielleicht sparen sie sich ihre Energie für Mittwoch auf.

Änderungen der Gemeindeordnung

Weitere Beschlüsse (nicht vollständig aufgezählt): Ortsgemeinden entscheiden (nach Abstimmung mit ihrer Vereinigung) über die Freigabe des Predigtpultes für andere "vertrauenswürdige" Personen als die eigenen Pastoren oder Gemeindeglieder (z. B. Geistliche anderer Konfessionen). Bisher gab es nur die Formulierung, dass "unautorisierte Personen" (z. B. ausgeschlossene Gemeindeglieder) nicht predigen dürfen.

Die Gründe für korrigierende Seelsorge sollen erweitert werden: u. a. um sexuelle Gewalt in der Ehe und um die Produktion und die Verbreitung von Pornographie. Wegen einiger unklarer Formulierungen wird der Antrag an den Gemeindeordnungsausschuss zurückverwiesen.

Es fällt auf, dass sich die Debatten oft an kleinen Formulierungen entzünden. Was die einen für eine Formalie halten, ist für die anderen ein Weltbild. Auch hier zeigt sich, dass die kulturellen Unterschiede in einer Weltkirche manchmal gewichtiger sind als die gemeinsamen theologischen Einsichten.

Wahlen: die Tücken der Technik und andere Probleme

Im Laufe des Tages sollen die Vorschläge des Nominierungsausschusses für die Besetzung der GK-Vizepräsidenten eintreffen.

Vier Vizepräsidenten gehen in den Ruhestand: Lowell Cooper, Armando Miranda, Michael Ryan und Benjamin Schoun. Es wird also einen starken personellen Einschnitt geben. Übrigens sitzt der GK-Präsident der Satzung entsprechend direkt nach seiner Wahl als beratendes Mitglied mit im Nominierungsausschuss. Seine Vorschläge dort haben ein großes Gewicht.

Nachmittags werden noch eine Reihe von kleineren Änderungen am Wortlaut der Gemeindeordnung besprochen (manchmal sehr ausgiebig) und beschlossen. Meist handelt es sich um Selbstverständlichkeiten oder sprachliche Modernisierungen.

Mittendrin gibt es Nachrichten vom Nominierungsausschuss: Als Vizeschatzmeister wurde Raymond Wahlen II vorgeschlagen. Es werden keine weiteren Informationen zur Person gegeben, was prompt von einer Delegierten bemängelt wird. Eine andere Delegierte schlägt eine geheime Abstimmung vor. Leider steht das elektronische Abstimmungssystem noch nicht zur Verfügung, so dass man offen mit Stimmkarten abstimmt. Das gilt auch für die drei beigeordneten Schatzmeister und die drei beigeordneten Sekretäre, die alle praktisch einstimmig wiedergewählt werden. Eine Wahl mit Stimmzetteln wäre die Alternative gewesen.


Delegierte halten Abstimmungsgeräte hoch

Die Probleme mit dem elektronischen Abstimmungssystem können nicht beseitigt werden:Ein letzter Versuch nach der Mittagspause am Sonntag scheitert,dann wird abgestimmt, die Technik nicht mehr zu benutzen,sondern mit den gelben Karten und bei Schlüsselthemengeheim mit Zetteln abzustimmen. (Foto: Dominik Zeh)

Das Thema um das fehlerhafte elektronische Abstimmungssystem erweist sich als brisanter als gedacht. Selbst GK-Präsident Ted Wilson schaltet sich in die Sache ein. Bevor ein erneuter Test durchgeführt wird, appelliert er an die Delegierten, bei allen Abstimmungen stets ihrem Gewissen und der Stimme des Heiligen Geistes zu folgen und nicht den Wünschen oder Vorgaben anderer. Es wird eindringlich versichert, dass man die aufrichtige Absicht hatte, geheime Abstimmungen zu vereinfachen und dazu ein häufig erprobtes System angeschafft hat, und dass die Probleme vermutlich durch die diversen W-LAN-Netze verursacht werden. Leider verläuft der erneute Test negativ, so dass geheime Abstimmungen künftig mit Stimmzettel erfolgen müssen, was Ted Wilson für sensible Abstimmungen ausdrücklich empfiehlt.

Erneut kommt eine Nachricht vom Ernennungsausschuss, und zwar die Wahlvorschläge für die GK-Vizepräsidenten: Ella Simmons, Artur Stele, Geoffrey Mbwana (diese drei sind bereits Vizepräsidenten); dazu vier Neue: Guillermo Biaggi (Argentinier, Vorsteher der Euro-Asien-Division), Abner Delosantos (Mexikaner, Inter-Amerikanische Division), Thomas Lemon (Nordamerikaner, war zuletzt in der Inter-Amerikanischen Division tätig). Das würde eine Reduktion von 9 auf 6 Vizepräsidenten bedeuten. Zwei sehr beliebte Vizepräsidenten werden nicht mehr vorgeschlagen: Pardon Mwansa und Delbert Baker. Das wird von Alvin Kibble, Vizepräsident der NAD, heftig kritisiert.


Pardon Mwansa und Delbert Baker

Sie wurden nicht mehr als Vizepräsidenten vorgeschlagen:Pardon Mwansa (links) und Delbert Baker. (Fotos: GK)

Ted Wilson, der die Personalvorschläge präsentiert und vorübergehend den Vorsitz übernommen hat (bis dahin hatte Artur Stele die Sitzung geleitet, er steht aber gerade selbst zur Wahl), kritisiert wiederum, dass dieser Kommentar öffentlich und nicht nur vor den Vorsitzenden des Nominierungsausschusses vorgetragen wird. Denn streng genommen erlaubt das unsere Geschäftsordnung nicht. So verbittet Ted Wilson sich - auch hier der Geschäftsordnung folgend - Kommentare der Delegierten zu einzelnen Vorschlägen oder eine pauschale Ablehnung dieser Vorschläge (über die natürlich trotzdem erst abgestimmt werden muss).Ein nordamerikanischer Delegierter beantragt eine geheime Abstimmung. Ein anderer (aus Afrika) spricht dagegen, weil jeder das Recht habe zu erfahren, wo der andere steht. Einige fordern, der elektronischen Abstimmung noch eine Chance zu geben, andere widersprechen. Die Diskussion wird hitziger. Ted Wilson lässt die Delegierten abstimmen. Die Delegierten lehnen mehrheitlich eine geheime Abstimmung ab. Das ist bemerkenswert, denn Ted Wilson hat kurz zuvor eine geheime Abstimmung bei Fragen wie diesen nahegelegt. Eine Delegierte möchte entgegen der Geschäftsordnung, dass der Vorschlag pauschal zurückgewiesen wird. Ted Wilson bietet ihr und anderen an, den Leitern des Nominierungsausschusses ihre Einwände hinter der Bühne vorzutragen. Diese Aussprache dauert so lange, dass am heutigen Tag keine Wahl der Vizepräsidenten mehr stattfinden wird. Waren die Einwände bedeutender als gedacht?

Währenddessen wird die Liste der Änderungen in der Gemeindeordnung weiter abgearbeitet. Viele Änderungen gehen glatt durch, bei einigen wird länger debattiert. Einige Agendapunkte müssen aus Zeitgründen auf morgen vertagt werden.

Der Abend: zwei Divisionen und William Miller

Die Ost-Zentralafrikanische Division, deren Aktivitäten am Abend vorgestellt werden, ist zahlenmäßig ein echtes Schwergewicht: 2000 Schulen, 12 Universitäten, starke ADRA-Aktivitäten, 3,1 Millionen Gemeindeglieder, hohes Gemeindewachstum (allein 1,1 Millionen in den letzten fünf Jahren) - das alles präsentiert in einem flotten Filmclip.

Danach ist es Zeit für die Fortsetzung des adventgeschichtlichen Rückblicks, der in den kommenden Tagen jeweils zwischen den beiden Divisionsberichten des Abends platziert wird (siehe den gestrigen Tagebucheintrag). James Nix, der Leiter des Ellen-White-Estate, erzählt kurzweilig über William Miller und einige Zeitgenossen, unterstützt durch projizierte Bilder.


Delegierte in Landestracht

Wie schön, wenn einige Delegierte in der Landestrachtauf die Bühne kommen! (Foto: TED)


Von 35.000 auf 115.000 Mitglieder wuchs die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, wie Divisionspräsident Guillermo Biaggi zu Beginn des Berichtes der Euro-Asien-Division stolz verkündet. 26 adventistische Schulen gibt es dort inzwischen. Einige Arbeitsbeispiele: In vielen muslimisch geprägten Gebieten liegt der Schwerpunkt auf der persönlichen Evangelisation. In Weißrussland darf man nicht außerhalb von Kirchenmauern über Religion sprechen, deshalb bauten die Pastoren dieses Landes in Minsk ein schmuckes Gebäude, das als Kirche und "Einflusszentrum" dient.


Sängerin und Geiger

Oksana Kozun (links) berührt die Herzen mit ihren Liedern.Vladislav Kucheruk spielt das bekannte Lied "You raise me up".Beide kommen aus der Euro-Asien-Division. (Foto: TED)


In einer adventistischen Kirchenverwaltung in der Ukraine räumten die Mitarbeiter ihre Büros, um dort eine Grundschule unterzubringen. Es gab die Initiative "Mission in den Großstädten" in Moskau und Kiew, ADRA-Hilfsaktionen für Kriegsflüchtlinge in der Ukraine; eine Übersetzung der Bibel in modernes Russisch wurde gerade fertig. Diese und viele andere Aktivitäten zählt der Filmclip im Stakkato auf.Mit einem Appell von Guillermo Biaggi, sich Christus erneut zu weihen und den Missionsauftrag zu erfüllen, endet dieser Abend. Aufgrund des Debattenverlaufs in den Geschäftssitzungen habe ich ein mulmiges Gefühl bekommen, was die anstehenden Entscheidungen angeht, besonders im Hinblick auf die Frauenordination. Heute wurde wenig argumentiert und viel mit der Geschäftsordnung gespielt, um die jeweilige Sichtweise durchzusetzen. Die Stimmung - insbesondere bei den Delegierten aus Nordamerika, Europa und dem Südpazifik - ist beträchtlich gesunken. Es liegt etwas in der Luft.

Thomas Lobitz, Advent-Verlag Lüneburg

Gebetsgemeinschaft

Die Delegierten beten mehrmals am Tag mit- und füreinander.Alle Gemeindeglieder weltweit sollten sich ihnen anschließen,damit der Heilige Geist die Atmosphäre schenkt,in der gute Entscheidungen getroffen werden können. (Foto: Rohann Wellington/NAD)

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