(“Adventisten heute”-Aktuell, 23.06.2017) Weiter geht es mit den letzten zwei Konferenztagen und einem persönlichen Fazit von Advent-Verlgas-Leiterin Jessic Schultka.
Tag 3 – Unity 2017
Heute wurde die Frage nach Einheit näher beleuchtet. Dabei sprach Wendy Jackson über Ellen Whites Verständnis von Einheit. Wendy Jackson (PhD) ist Dozentin am Avondale College (Auckland) für systematische Theologie.Sie zeichnete die Entwicklung von Ellen Whites Verständnis über Einheit nach. Ihre Sichtweise auf Einheit hat sich über die Jahre geändert. Während sie am Anfang die Lehrmeinung als das einende Moment betrachtete, kam sich später zu der Überzeugung, dass Einheit durch gemeinsame Praxis und Ziele erreicht werden kann. Ihre Sicht auf Kirche war später vor allem auf den Auftrag fokussiert.Jackson fasste Ellen Whites Sicht auf Einheit folgendermaßen zusammen: Einheit ist für die Kirche wesentlich und kann nur durch die Verbindung mit Christus erreicht werden.
Einheit in Johannes 17 (Roy Adams)
Roy Adams, Professor für systematische Theologie, ehemaliger Redakteur von Adventist Review sprach darüber, was Jesus in Johannes 17 über Einheit sagte.Er entfaltete seine Auslegung anhand der Bitten Jesu um Verherrlichung, Offenbarung, Bewahrung, Heiligung und Einheit. Er legte dar, dass die Einheit der Dreieinigkeit Vorbild für die Einheit Christenheit ist – ja, Gott selbst, der sich als dreieiniger Gott offenbart, ist das Modell für Einheit unter uns.
Alle in eine Form zwingen zu wollen, zerstört Chance auf Einheit (John Brunt)
John Brunt, neutestamentlicher Theologe und Pastor (i. R.) sprach über eine Theologie der Einheit.Er legte anhand von 1. Korinther 9 dar, dass Einheit nur durch gelebte Vielfalt entstehen kann. Paulus wusste, dass der Versuch, alle Christen, sowohl Juden als auch Heiden, in eine Form zu zwingen, letztlich jede echte Chance für die Einheit zerstören würde. Einheit müsse immer auch die Spannung zwischen individueller Integrität und der Gruppenidentität aushalten. Außerdem brauche eine Theologie der Einheit auch immer einen klaren Blick darauf, was Freiheit in Christus bedeute. So wird ein Konzept von Einheit auch immer die Gewissensfreiheit des Einzelnen beinhalten.Morgen wird es eine Podiumsdiskussion geben. Gespräche mit den TeilnehmerInnen machten deutlich, dass viele nun darauf warten, welche Schlussfolgerungen wir aus diesen Erkenntnissen ziehen. Es bleibt also spannend!
Unity 2017: Tag 4 und Fazit
Der vierte und letzte Tag war geprägt von Vorträgen über Gewissensfreiheit und der Frage danach, wie es nun weitergeht.
In die Freiheit des neuen Bundes treten (Olive Hemmings)
Olive Hemmings (PhD, Professorin für Religion an der Washington Adventist University) sprach über die Freiheit in Christus – ein steiler und schmaler Pfad zur Einheit. Sie verglich die frühere Kirche, die von verschiedenen kulturellen Hintergründen und Überzeugungen geprägt war mit der Freikirche und zog dabei einen Vergleich zwischen der Diskussion über das Götzenopferfleisch mit der über die Frauenordination.Die neutestamentliche Lehre über die Einheit sei ein Aufruf, in die Freiheit des neuen Bundes einzutreten. Das befreie die Gemeinde von den Ritualen und Vorschriften, die an sich keinen geistlichen Wert haben, sondern den Menschen nur versklaven. So ordnete sie die Frage nach der Frauenordination derselben Kategorie zu wie beispielsweise die der Beschneidung – es seien rituelle Fragen, die noch im alten Bundesdenken behaftet sind. Deswegen betonte Paulus die Freiheit in Christus, die Freiheit des neuen Bundes (Galater 3,28).Dass wir aber trotz des neuen Bundes und der Freiheit in Christus über solche zeitbezogenen Fragen bestimmen wollen, liegt an unseren irdischen Grenzen. Hemmings gab einen Ausblick darauf, dass in Christus die Angst vor Unsicherheit vergeht und wir Ruhe finden in der geheimnisvollen Gegenwart Gottes. Ein solches Erlebnis kann nicht abgestimmt, verkündet oder gezwungen werden, sondern ist das Ergebnis von geistlicher Disziplin und Unterweisung durch ein geistgeleitetes Bibelstudium. Das ist nämlich viel schwerer, als in solch rudimentären Fragen Einheit zu erzwingen und damit das individuelle Gewissen zu übergehen. Aber es ist der Weg, zu dem Jesus einlädt.
Sich unabhängig machen von festgelegten Bekenntnissen (Reinder Bruinsma)
Reinder Bruinsma, Pastor (i. R.) sprach auch über Religionsfreiheit aus historischer Perspektive mit einigen Anwendungen. Er erinnerte daran, dass es unseren Pionieren so wichtig war, kein Glaubensbekenntnis zu haben, nachdem sie sich von den festgelegten Bekenntnissen der anderen Kirchen befreit hatten, aus denen sie gekommen waren. So war es auch den Reformatoren wichtig, sich unabhängig von festgelegten Überzeugungen zu machen, die Bibel zu studieren und eigenständig zu denken. Dass die Reformatoren selbst ihren Anhängern oft nicht dieselbe Freiheit gewährten, sollte eine Warnung sein. So sei es zwar erfreulich zu sehen, dass Adventisten sich schon immer für die Gewissens- und Religionsfreiheit eingesetzt haben, aber es könnte an der Zeit sein zu prüfen, ob die Überbetonung von Einheit diese Anliegen ernsthaft gefährdet.
Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber ist folge der Sünde und nicht gottgewollt
Ray Roennfeldt, Professor für Systematische Theologie und Rektor des Avondale Colleges (Australien) sprach über die Frage, ob Gott überhaupt ein Interesse an Gerechtigkeit und Gleichberechtigung hat.Er legte dar, dass im ursprünglichen Schöpfungsideal die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau angelegt war, diese ursprüngliche perfekte Beziehung aber schon in Genesis 3 kaputt gegangen ist durch die Sünde. Roennfeldt schließt daraus, dass die Unterordnung der Frau unter dem Mann eine sündhafte Folge des Menschseins sei, aber ganz bestimmt nicht gottgewollt oder gar ursprünglich so von ihm beabsichtigt gewesen sei.Er führte beispielsweise Hagar an, die von Gott gesehen und geachtet wurde (Gen 16). Es wird auch deutlich, dass Jesus sich während seines Wirkens auf der Erde für Gerechtigkeit eingesetzt hat (siehe z. B. in Lukas 4,18-21). Auch Paulus betonte die Gleichberechtigung, die herrscht, wenn alle in Christus eins sind (Gal 3,28).Trotz dieser Befunde gibt es aber Texte in der Bibel, die sich eben nicht explizit gegen Sklaverei aussprechen und durchaus über das Herrschen des Mannes über die Frau reden. Wie lassen die sich im Gesamtkontext einordnen und verstehen? Obwohl es im Alten Testament erlaubt war, Sklaven zu haben, wurden ihnen verhältnismäßig viele Rechte zugesprochen. Auch im Neuen Testament ließ sich eine Entwicklung verzeichnen. Es gab zwar noch Sklaven, aber Paulus deklarierte die Gleichheit aller Menschen in Christus. Nur mit der Umsetzung dieses Grundsatzes dauerte es noch etwas länger. So gibt es auch Texte über Frauen in der Bibel, die für uns heute schwer nachvollziehbar sind. Roennfeldt beendet diesen Absatz, indem er deutlich macht, dass es zwar unterschiedliche Aussagen zu Gleichberechtigung und Gerechtigkeit in der Bibel gibt, aber gleichzeitig auch einen roten Faden entdeckt, der sich durchzieht, wenn es um Gottes Willen nach Gerechtigkeit geht.So schließt er mit der Aussage, dass es nicht richtig sei, Fragen nach Gerechtigkeit dem Anliegen der Mission unterzuordnen. Jesus habe nie getrennt zwischen der Botschaft und dem Auftrag, sondern beides als Einheit gesehen. Genauso wünscht er sich auch heute eine Lösung wie in Apostelgeschichte 15: eine Lösung, die für viele Parteien praktikabel ist.
Was bleibt?
In den Schlussbemerkungen betonte Ricardo Graham, Vorsteher des Pazifik-Verbandes (USA), dass die Konferenz Unity 2017 zwar keine offizielle Veranstaltung der Kirche gewesen sei, damit aber noch lange nicht illegal oder verboten. Er sieht es als den ethischen Auftrag unserer Kirche an, für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einzustehen.Dave Weigley, Vorsteher des Columbia-Verbandes (USA), sprach von drei Schritten, die der Konferenz folgen würden: 1. Heavenly currency: Die Art und Weise wie sie vorgehen wollen, sollte einem himmlischen, friedvollen und liebevollen Weg folgen. 2. Diplomacy: Sie wollen Lösungen anbieten und niemanden verurteilen. 3. Communication: Gespräche suchen.Wenn diese drei Schritte nicht funktionieren, müssen sie protestieren, so wie George Knight in seinen 9.5 Thesen dargelegt hat: http://bit.ly/2tKxllNBrad Kemp, Vorsteher des Neuseeländisch Pazifischen Verbandes, schloss mit den starken Sätzen, dass er eine Leidenschaft in unserer Kirche sähe für: 1. Unseren Auftrag, Reich Gottes zu bauen, 2. die Rechte und Freiheit derjenigen zu respektieren, die anderer Meinung sind als wir, 3. denen zu helfen, die in Not sind und 4. zu verkünden dass Männer und Frauen eins sind in Christus, um ihm zu dienen.
Persönliches Fazit
Nachdem ich die Tagung ein paar Tage verdauen konnte, bin ich einerseits sehr froh und dankbar über die spannenden Gedanken zum Thema Einheit und Vielfalt im Lichte der Bibel und adventistischen Kirchengeschichte. Deutlich wurde, dass es schon immer Vielfalt in der Praxis und Einheit in Christus gab. Spannend wird sein, ob unsere Kirche in der Frage der Möglichkeit, Frauen zu ordinieren, Vielfalt in der Praxis erlauben kann, oder ob sie sich schließlich daran spalten wird. Erkennbar ist auf jeden Fall, dass die jetzige Situation sehr angespannt ist und einer baldigen Lösung bedarf.Was mir persönlich gefehlt hat, waren zwei Aspekte: der Blick weiter hinaus. Die Referate blieben sehr selbstreferentiell und wagten kaum einen Blick in heutige Diskussionen, beispielsweise in Sozialwissenschaften, Psychologie. Zudem wäre es spannend gewesen, zu entdecken, wie andere Kirchen diese oder ähnliche Fragen gelöst haben. Die zweite Sache, die mir fehlte, waren Frauen im Vorbereitungs- und Leitungsteam. Leider ist unsere Kirche – selbst bei denjenigen, die sich eigentlich für Frauenrechte einsetzen – strukturell sehr männlich geprägt. Wenn wir Gerechtigkeit und Gleichberechtigung wollen, so wie sie ursprünglich mal von Gott gedacht war, dann brauchen wir an dieser Stelle auch Veränderung, Wachsamkeit und Mut. Diesen Mut hatten schon in der Vergangenheit immer diejenigen, die vom Heiligen Geist erfüllt waren. Das stimmt mich trotz allem zuversichtlich, dass wir auch in dieser Frage als Kirche nicht zerbrechen müssen, sondern den Heiligen Geist um Weisheit, Einheit und Wachsamkeit bitten dürfen. (js)