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Sollten Christen vor dem Arbeitsgericht streiten?

("Adventisten heute"-Aktuell, 20.6.2014) Auch in christlichen Werken kommt es zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen - nicht selten landen die Fälle sogar vor Gericht. Einigt man sich nicht gütlich, steht eine unschöne Trennung bevor. Am Ende gibt es oft nur Verlierer. Sollten Christen also überhaupt vor dem Arbeitsgericht streiten? Dazu ein Pro und Kontra.

PRO

Dass Paulus sich auf den Kaiser berufen und damit eine Rechtsinstanz angerufen hat, dient Gerichtsbefürwortern oft gerne mal als Alibi. Anwaltskunst ist es, dem Mandanten realistische Grenzen aufzuzeigen.
Verblüffend mag es klingen, wenn ich sage: Gerade bei Streitigkeiten, die durch ein besonderes Näheverhältnis geprägt sind, kann man ruhig gleich zum Gericht gehen, wenn außergerichtliche Klärungsversuche nicht zielführend waren. Die Erfahrung zeigt nämlich: Wir Menschen kommunizieren ständig aneinander vorbei. Die babylonische Sprachverwirrung lässt sich oft auf folgende Weise auflösen: Beide Seiten treffen sich an einem neutralen Ort im Beisein ihrer auf Frieden bedachten Anwälte, die zur Not aber auch um der Sache willen mit allen Kniffen streiten können, und eines kompetenten Dritten, des Richters, der auch durch ein Urteil durchgreifen kann. Bei Störungen im Arbeitsverhältnis ergeben sich oft wundersame Klärungen, wenn man gezwungen wird, der anderen Seite in Ruhe zuzuhören und deren Sicht der Dinge wahrzunehmen.
Das Gericht ist verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Wer meint, bei Gericht herrsche üblicherweise ein heftiges Geschrei, irrt sich. Gerade im Arbeitsrecht sind die Vergleichsquoten vor Gericht besonders hoch, und der Streitverhandlung ist immer ein obligatorischer Gütetermin vorgeschaltet. Bei einem Vergleich entfallen zur Belohnung auch die Gerichtsgebühren. Allerdings sind diese Verfahren öffentlich. Und noch etwas: Wer nicht aus eigener Kenntnis alle Details von fremden Streitigkeiten weiß, sollte besser stille schweigen, um nicht jemandem Unrecht zu tun.

Der Autor, Ingo Friedrich (Babenhausen bei Frankfurt am Main), ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er engagiert sich in der Initiative "Christ & Jurist".


KONTRA

Kirchen und christliche Werke leben im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und geistlichem Anspruch. Im Blick auf das Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer bin ich sehr dankbar, in einem freiheitlichen Rechtsstaat leben zu dürfen. In diese Dankbarkeit eingeschlossen ist auch der Dank für ein um Fairness und Gerechtigkeit bemühtes Arbeitsrecht und das damit verbundene Institut des Arbeitsgerichtes, das diesem Recht bei unlösbaren Streitfällen zur Durchsetzung verhelfen kann.
Der Gang mit einem Bruder oder einer Schwester vor das Arbeitsgericht wird aus geistlicher Perspektive aber nicht leichtfertig und selbstverständlich, sondern nur als ultima ratio erfolgen können. Jesus selbst hat es für klug und beispielhaft erachtet, die persönliche, außergerichtliche Einigung der Kontrahenten einem offiziellen Gerichtsverfahren vorzuziehen (Matthäus 5,25). Frieden stiften bedeutet nicht nur, den berechtigten Forderungen nach einem rechtmäßigen Umgang Raum zu geben, sondern vor allem zu einem versöhnten Miteinander zurückzufinden. Von derselben Intention geprägt ist eine Ermahnung des Apostels Paulus (1. Korinther 6, 1-8). Für ihn ist der betrübliche Tatbestand, dass Geschwister einander beherrschen, belügen, beneiden, ausnützen, austricksen oder ausgrenzen, eine Schande für das Evangelium. Wenn sie dazu noch ihren Streit nicht selber zu schlichten verstehen, sondern die öffentlichen Gerichte entscheiden müssen, was wahr und was gerecht ist, dann ist das seiner Meinung nach ein geistliches Armutszeugnis. "Ist denn kein Weiser (geistlich reif, berufserfahren und juristisch kompetent) unter euch, der zwischen Bruder und Bruder richten könnte?" Diese Frage fordert uns auch heute noch zu überzeugenden Alternativen heraus.
Der Autor, Dietmar Kamlah, ist Vorsitzender der Dienstgemeinschaft für Verkündigung und Seelsorge (RGAV, eine Hauptamtlichenvereinigung im Pietismus) und Vorsitzender des Süddeutschen Gemeinschaftsverbandes e.V.

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