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Sechs Jahre Bedford-Strohm: Fleißig, streitbar, polarisierend

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. (Foto: Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern)

Bei ihrer Tagung vom 7. bis 10. November in Bremen wird die EKD-Synode einen neuen Rat wählen. Auch der Ratsvorsitzende dieses höchsten Leitungsgremiums innerhalb der evangelischen Kirche wird neu gewählt, nachdem Heinrich Bedford-Strohm angekündigt hatte, nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Was bleibt nach sechs Jahren Bedford-Strohm an der Spitze der EKD? Eine Bilanz von IDEA-Leiter Matthias Pankau

Heinrich Bedford-Strohm ist bienenfleißig. Die Arbeitswoche des Pfarrerssohnes umfasste in den vergangenen Jahren 70 bis 80 Stunden. Etwa 40 Interviews gab er im Jahr, er hielt rund 65 Predigten, 50 Vorträge und ebenso viele Grußworte. Hinzu kamen Andachten und Kurzansprachen bei Sitzungen, Konferenzen und Dienstbesprechungen. Heinrich Bedford-Strohm hat zudem ein gewinnendes Wesen. Menschenscheu ist ihm – im Unterschied zu manch anderen kirchlichen Spitzenvertretern – fremd. Er sucht das Gespräch mit den Menschen. Das galt auch für die ihm oft kritisch gegenüberstehenden konservativen Protestanten. Und das galt für IDEA. Obwohl wir einige seiner Äußerungen kritisch kommentiert haben, begegnete er der Redaktion stets zugewandt.

„Man lässt keine Menschen ertrinken“

Der gebürtige Memminger hat sich in den vergangenen Jahren auch den Ruf als streitbarer Kirchenleiter erarbeitet, der für geistliches wie auch politisches Engagement steht. So kritisierte er wiederholt die Flüchtlingspolitik der EU und warf ihr Versagen bei der Aufgabe vor, schiffbrüchige Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Er setzte sich deshalb dafür ein, dass die Kirche zusammen mit anderen Organisationen ein Rettungsschiff erworben hat. Bei der Schiffstaufe der „Sea-Watch 4“ im Februar 2020 in Kiel sagte er zum Auftrag des Schiffes: „Man lässt keine Menschen ertrinken.“ Kritikern, die dieses Engagement nicht im Einklang mit dem kirchlichen Auftrag sehen, hielt der Landesbischof entgegen: „Es ist Teil des diakonischen Gesamtauftrags.“ Warum er diesen diakonischen Gesamtauftrag auf die Rettung im Mittelmeer beschränkt und nicht etwa viel stärker das Leid der zig Millionen bedrängter Christen weltweit in den Mittelpunkt gestellt hat, bleibt sein Geheimnis. Immer wieder warnte Bedford-Strohm vor der AfD. „Wenn im Bundestag und in den Landtagen vertretene Parteien rechtsradikale Ideen in ihren Reihen dulden, dann disqualifizieren sie sich im demokratischen Diskurs“, sagte er vor der EKD-Synode 2019 in Dresden. Hier wäre eine Verurteilung jeglicher Form von Extremismus wohltuend gewesen.

Der schwierigste Moment der Amtszeit

Den nach eigenen Worten schwierigsten Moment seiner Amtszeit hatte Bedford-Strohm im Oktober 2016. Bei einem Besuch des unter muslimischer Verwaltung stehenden Tempelbergs und der jüdischen Klagemauer in Jerusalem hatten er und der damalige Vorsitzende der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (München), ihr Amtskreuz abgelegt. Dafür hagelte es – auch in säkularen Medien – massiv Kritik. Manche Kritiker warfen Bedford-Strohm daraufhin vor, den Herrn der Kirche verleugnet zu haben. Er wies die Kritik zunächst energisch zurück. Beide hätten die ohnehin angespannte Situation nicht verschärfen wollen und deshalb die Kreuze abgelegt. Aber natürlich verstecke er seinen Glauben nicht, so der Landesbischof damals. Später erklärte er, hätte er davon in der Zeitung gelesen und wäre nicht selbst beteiligt gewesen, hätte er auch den Kopf geschüttelt.

Was der Muezzin-Ruf bedeutet

Ein weiteres Thema, das dem scheidenden EKD-Ratsvorsitzenden wichtig war: der interreligiöse Dialog. Als die Stadtverwaltung in Köln jüngst beschloss, es den muslimischen Gemeinden der Domstadt freizustellen, freitags öffentlich fünf Minuten lang den Muezzin rufen zu lassen, sah Bedford-Strohm darin kein Problem. „Wenn das in Köln als integrativer Teil eines religiösen Lebens gesehen wird, dann ist dagegen nichts zu sagen“, äußerte er in einem Interview. Zur Erinnerung: Im islamischen Gebetsruf heißt es unter anderem: „Allah ist am größten. Es gibt keinen anderen Gott außer Allah …“ Sollte der oberste Repräsentant einer Kirche, deren Herr von sich sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich“, in einer solchen Debatte nicht andere Worte finden?

Messen mit zweierlei Maß

Bereits 2018 besuchte Bedford-Strohm mit anderen Vertretern der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in Nürnberg eine Moschee, die wegen Verbindungen zur islamistischen Muslim-Bruderschaft vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Dialog ist grundsätzlich nichts Verwerfliches. Nur stellt sich dann die Frage: Warum einerseits Gespräche mit Muslimen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, und andererseits die kategorische Ablehnung, mit Vertretern der AfD zu sprechen, unter denen es ja auch Christen gibt? Auch dieses Messen mit zweierlei Maß dürfte das Vertrauen in die Kirche beschädigt haben.

Für geistliche Erneuerung der Kirche

Im Blick auf die geistliche Ausstrahlung der Kirche schlägt er auch selbstkritische Töne an. „Viel zu oft klingt es hölzern oder wie eine angelernte theologische Wahrheit, wenn wir als Kirche von Jesus Christus reden. Viel zu wenig kommen das Gefühl und die Erfahrung rüber, dass die Orientierung an Jesus Christus wirklich die Grundlage für ein erfülltes Leben ist“, sagte er auf der Tagung der EKD-Synode im November 2018 in Würzburg. Im September des gleichen Jahres besuchte er die IDEA-Redaktion in Wetzlar. Dabei vertrat er die Ansicht, dass die Kirche eine geistliche Erneuerung brauche. Er wünsche sich, dass Christen ihren Glauben leidenschaftlicher lebten und bezeugten, ohne gesetzlich zu sein.

Was die Kirche verpasst hat

Was bleibt also? Dass er ein blasser Ratsvorsitzender gewesen sei, wird man ihm sicher nicht vorwerfen können. Er hat Themen gesetzt – allerdings kaum geistliche, sondern überwiegend gesellschaftspolitische: Klima, Seenotrettung und eben der interreligiöse Dialog. Das dürfte für nicht wenige Fromme und Konservative der letzte Ausschlag gewesen sein, die Kirche zu verlassen. Denn sich für die Rettung von Menschen im Mittelmeer einzusetzen oder sich gegen den Klimawandel zu engagieren können viele. Dazu braucht es die Kirche nicht! Menschen den Weg zum Himmel zu weisen – das hingegen kann nur die Kirche. Das sollte ihre genuine Aufgabe sein. Dann fände sie auch wieder mehr Gehör.

… und was es jetzt braucht

Gerade die vergangenen knapp zwei Jahre der Corona-Pandemie hätten sich ausgezeichnet dazu angeboten, die evangelische Kirche geistlich zu profilieren. So viele Menschen sehnten sich nach Halt und Orientierung. Die Kirche hätte Antworten geben können auf die zentralen Fragen nach Leid, Schuld und Tod. Sie hat es verpasst. Für Bedford-Strohms Nachfolger kann das eine Chance sein. Allerdings muss ihm die Leidenschaft für die christliche Botschaft ein zutiefst inneres Anliegen sein. Denn nur wes des Herz voll ist, geht bekanntlich der Mund über.


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