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Ruanda - Wunder der Versöhnung (idea-Bericht)

Der Nordwesten Ruandas mit den Virunga-Vulkanen. (Foto: Von RwandaVolcanoAndLake.jpg: CIATderivative work: Amakuru (talk)

Am 7. April beginnen in Ruanda die Gedenkfeierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Völkermordes an einer Million Tutsi. In rund 100 Tagen töteten 1994 Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der Tutsi-Minderheit. Heute leben die Volksgruppen friedlich zusammen. Wie es zu Versöhnung kommen kann, beschreiben Pfarrer Wolfgang Reinhardt und seine Ehefrau Denise Uwimana-Reinhardt, eine Überlebende des Völkermordes.

Nach langer Fahrt durch die wunderschöne Landschaft der „Schweiz Afrikas“ werden wir in Mukoma im Südwesten am Kivu See von tanzenden, singenden Frauen und Kindern voller Freude und Herzlichkeit empfangen. Wir sind umso mehr erstaunt, als wir ihre Geschichte erfahren: Ihre Männer der Bevölkerungsgruppe der Tutsi waren im April 1994 in ein Verwaltungsgebäude gelockt und dann lebendig verbrannt worden. „Wir Mütter wurden von den Milizen gezwungen, unsere eigenen männlichen Babys zu holen. Wir mussten ihren Kopf auf einen Baumstamm legen, auf dem ihre Köpfe abgehackt wurden.“ Andere wurden gezwungen, ihre eigenen Kinder selbst zu töten. Wie ist es möglich, dass diese Frauen heute solch eine Freude ausstrahlen? Im ganzen Lande wurden in nur 100 Tagen eine Million Tutsi bestialisch umgebracht. Es war eine Gnade, erschossen zu werden im schnellsten, öffentlichsten Völkermord aller Zeiten mit der größten Beteiligung der Zivilbevölkerung. Weil die Welt untätig zugesehen hat, sollten gerade Christen in dieser Gedenk- und Trauerzeit ab dem 7. April Mitgefühl zeigen und denen helfen, die jetzt an die Schrecken erinnern und oft retraumatisiert werden („Weinet mit den Weinenden …“).

Der geplante Genozid

Der Abschuss des Präsidentenflugzeugs am 6. April 1994 gilt als der Auslöser des Völkermords. Die Maschine wurde beim Landeanflug auf den Flughafen der Hauptstadt Kigali mit zwei Raketen abgeschossen. Im Flugzeug befand sich unter anderen Staatschef Juvénal Habyarimana. Der Abschuss wurde sofort den Tutsi angelastet. Doch der Genozid war keine spontane Racheaktion. Wie internationale Untersuchungen zeigten, haben die Hutu-Militärs das Flugzeug abgeschossen, in dem ihr eigener Präsident saß, um die ihm von der internationalen Gemeinschaft aufgedrängte Machtteilung mit Exilruandern der Tutsi zu verhindern. Vor allem aber war der Völkermord geplant und vorbereitet durch Einfuhr von einer Million Macheten, Ausbildung von Milizen, Todeslisten und eine jahrelange mörderische Propaganda. Die bestialischen Grausamkeiten an den Körpern erinnern an die Verstümmelungen der Geschlechtsorgane von Frauen im Ostkongo die durch den mutigen Nobelpreisträger und Christ Denis Mukwege neu ins Blickfeld geraten sind und die vor allem im Einflussbereich der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), dem Sammelbecken der unter dem Schutz der Franzosen in den Kongo geflohenen ruandischen Völkermörder, heute noch geschehen. Diese Terrororganisation wurde von Deutschland aus durch Ruander gelenkt, die jahrelang wie andere Völkermörder unbehelligt in unserem Lande lebten und erst nach zähen Prozessen verurteilt wurden.

Die Rolle der Kirchen

Alle Kirchen waren in der langen Vorgeschichte und im Völkermord selbst aktiv beteiligt. Es gab mutige Ausnahmen wie den katholischen Bischof Bigurumwami oder die Christen der Ostafrikanischen Erweckungsbewegung, die „ethnische“ Spaltung, Hass und Massaker kritisierten und selbst in Lebensgefahr gerieten, wie der Märtyrer-Pastor Yona Kanamuseyi 1964 oder 1994 der Leiter von Africa (Evangelistic) Enterprise, Israel Havugimana.

Wie die Versöhnung gelang

Heute gilt Ruanda als Musterland. Es ist eines der sichersten und saubersten Länder Afrikas, in Armutsbekämpfung und Bildungspolitik vorbildlich. Es gibt eine Nulltoleranz für Korruption. Das Land ist investitions- und umweltfreundlich, hat ein starkes Wirtschaftswachstum. Die Hälfte der Unternehmen ist in Frauenhand. Ruanda hat den höchsten Frauenanteil aller Parlamente der Welt …

Vor allem hat die Regierung keine Vergeltung geübt, sondern betreibt eine „Politik der Einheit und Versöhnung“. Heute spricht man nicht mehr von Hutu und Tutsi, sondern es heißt: „Wir sind alle Ruander.“ Geständige Mörder konnten schon nach sieben Jahren freikommen. Unnachgiebig ist man gegen jede Politik der Spaltung und ethnische Propaganda.

Was Christen beitragen

Christen leisten heute viel zur Heilung der Traumata, zu Versöhnung und zur Selbsthilfe. Zu diesen drei Zielen dürfen wir mit unserem Verein Iriba Shalom International e.V. und mit unseren ruandischen Partnern beitragen. Der Traumaexperte Prof. Vincent Sezibera hat erforscht, dass nicht die individuelle Traumatherapie am effektivsten ist, sondern der gemeinschaftsbasierte Ansatz: Traumatisierte Personen, die in einer Gemeinschaft ökonomisch und emotional unterstützt werden, bauen am besten ihre Widerstandsfähigkeit auf. Die eingangs erwähnten Frauen, die so unvorstellbares Leid ertragen und alle Angehörigen verloren haben, erfahren in der Gemeinschaft eine „neue Familie“: Man tröstet und ermutigt sich, arbeitet zusammen. Die stärkeren Jungen helfen den schwächeren Alten. Man betet, singt und tanzt zusammen. Verstärkend wirkt „die internationale Familie“: durch Besuche, durch Patenschaften nicht nur für Kinder, sondern auch für Mütter, Senioren und Jugendliche.

Versöhnung aus der Kraft Gottes

Versöhnung geschieht in Ruanda mehr als in jedem anderen Land der Welt, aber es ist jedes Mal ein Wunder, wie bei Cancilde und Emmanuel. Er hatte als 18-Jähriger in einer Gruppe die Kinder der Frau getötet. Später hat er seine Schuld rückhaltlos bekannt, um Vergebung gebeten, wurde entlassen, und sie hat ihm vergeben aus der Kraft des Evangeliums und der Gemeinschaft. Sie sei jetzt für ihn wie eine Mutter geworden, sie helfen sich gegenseitig, wo sie können. Versöhnung als Programm einer ganzen Gemeinschaft geschieht z.B. bei den Peace Maker Women der Gemeinschaft Shalom Ministries in Ruhango. Sie hatten sich lange Zeit gehasst: „Tutsi“-Witwen, deren Angehörige im Genozid getötet wurden, „Tutsi“-Frauen, deren „Hutu“-Ehemänner am Genozid beteiligt waren, und „Hutu“-Witwen, deren „Tutsi“-Ehemänner im Genozid getötet wurden. Aus der Kraft Gottes heraus leben und arbeiten sie heute zusammen in Einheit.

Versöhnung ist ein langer Prozess, der nicht immer gelingt. Aber aufgeben darf man nie.


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