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Pro-Kontra: Ist die Sprache der Kirche zu akademisch?

Die Sprach- und Redeformen des Christentums eröffnen Erfahrungsräume. (Foto: Megafon_R_by_M.E._pixelio.de)

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragte sich der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Bedford-Strohm, kürzlich, warum es so wenig gelinge, den christlichen Glauben der Gesellschaft zu vermitteln. An der Botschaft liege es nicht. Ist vielleicht die Sprache der Kirche zu akademisch?

PRO

Wenn evangelische Bischöfe „kybernetisch-missionarische Kompetenz“ einfordern oder die „Apostolizität“ beschwören, so haben sie nicht einen Kirchengänger erreicht – und dazu die Sprache Luthers verraten. Doch selbst in der Lutherbibel sind nicht alle Wörter voller Kraft –  nicht das „Verwesliche“ zum Beispiel und die „Unverweslichkeit“ (so nur im 1. Korintherbrief). Und da stellt sich die Frage, ob ein Prediger ausgerechnet diese Begriffe neunmal verwenden, zur zentralen Aussage einer Osterpredigt machen und mit ihnen für etwas so Lebendiges wie Bach-Kantaten werben soll (wie gerade bei Bischof Markus Dröge in Berlin geschehen).

Wundern und Gähnen

Ja, das „Verwesliche“ steht noch im Duden: das der Fäulnis Ausgesetzte, will es besagen. Doch für uns Heutige klingt das ein bisschen rätselhaft und jedenfalls nicht angenehm, und vermutlich muss sogar ein Deutschlehrer grübeln, welche Aussage er dem Satz der Predigt „Das Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit“ eigentlich entnehmen soll. Kann ein Gottesdienstteilnehmer von einer solchen Osterpredigt irgendetwas mit nach Hause   genommen haben? In der Kirche war vermutlich die größte Leistung, die er erbringen konnte, sich nicht zu wundern und nicht zu gähnen. Und was steht nicht alles in ihr, dieser grandiosen Lutherbibel! In schlichten Wörtern das Äußerste an Kraft: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23,1). In bösen Wörtern das Äußerste an Bildhaftigkeit: „Die Geißel macht Striemen, aber ein böses Maul zerschmettert das Gebein“ (Jesus Sirach 28,21). So liest es sich, das Unverwesliche.

(Der Autor, Wolf Schneider (Starnberg), ist Journalist und Autor. Er gilt als meistgelesener Lehrer für deutsche Sprache. Schneider ist Träger des Medienpreises für Sprachkultur der „Gesellschaft für deutsche Sprache“.)

KONTRA

In einem Sinne muss ich der Pro-Rede recht geben. Nämlich dann, wenn mit „akademisch“ die Wort- und damit Denkhülsen gemeint sind, die sich in inner-(wie immer)-kirchlicher   Selbstreproduktion selbst verwalten: „gottgeliebte Langeweile“. Theologisches Denken als aufschließende – auf Kommendes öffnende – denkerische Praxis hingegen ist unerlässlich. Sie lässt sich von Denkfiguren unterschiedlichster Art berühren, wissend, dass sie sich dabei verändert. Sie ist „getreues Erfinden“ und tastet nach neuen Sprachformen. Gelegentlich ist sie traditionell, aber zugleich unterwandert sie sich selbst. In diesem Sinne kann eine Predigt nicht akademisch genug sein.

Bitte keine Verkaufssendung!

Der eigentliche Kontrahent dieser Debatte ist übrigens nicht akademisch, sondern konsumistisch: Die Verkaufsrede verhandelt alles im Modus des Verkaufs. Ihre rhetorischen Formen, ihre ästhetischen Vorbilder in Werbung und Television geben sich erfolgversprechend und mehrheitsheischend. Die Realapostel solch kommerziellen Christentums investieren denn auch Millionen und verkündigen dabei doch immer nur ihren „Deal“. Christentum ist aber weder Verwaltung noch Deal. Christentum ist Neue Schöpfung! Als solche ist es minderheitlich. Es ist im Werden. Seine Sprach- und Redeformen bilden sich an den Rändern des Schweigens, im Kleinen. Sie eröffnen Erfahrungsräume; machen feine Unterschiede in Sprache, Sprechen und Vollzug; Abweichungen von dem, was man gewohnt ist – also immer nur erkennt, weil man es schon kennt; und wenn nichts mehr zu sagen ist, gibt es vielleicht noch etwas zu singen …

(Der Autor, Dietrich Sagert, ist Referent für Redekunst/Rhetorik des Zentrums für evangelische Predigtkultur in der Lutherstadt Wittenberg.)


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