Keine karitative Frage christlicher Nächstenliebe
Nach den Worten des Bundestagsabgeordneten und Diplom-Volkswirts Volkmar Klein (CDU) unterstellt die Frage, dass es in Griechenland um eine karitative Frage christlicher Nächstenliebe gehe: "Das ist aber nicht so. Es geht schlicht darum, wie Risiken aufgrund der griechischen Staatsschuldenkrise für andere - auch für uns - möglichst gering bleiben." Laut Klein, der dem Haushaltsausschuss des Bundestages angehört, wäre Griechenland mit dem Auslaufen der alten Anleihen zahlungsunfähig: "Und das bliebe dann leider kein isolierbares Ereignis." Spätestens seit der Pleite der US-Investmentbank "Lehman Brothers" 2008 wisse jeder, dass eine Kettenreaktion nicht auf den Finanzsektor beschränkt bleibe: "Die Schleifspuren für die weltweite wirtschaftliche Entwicklung wären schnell schlimmer als damals."Der Internationale Währungsfonds sehe gute Chancen, dass Griechenland nach einem klaren Sparkurs langfristig wieder Zugang zum Kapitalmarkt bekomme. Klein: "Ich teile diese Einschätzung und halte eine Insolvenz Griechenlands für das viel größere Risiko." Es sei christlich, abzuwägen und zu entscheiden - und den Menschen, auch in Griechenland, die Wahrheit zu sagen. Daher gehörten zum Hilfspaket notwendigerweise auch harte Auflagen für Griechenland.
Ökonom: "Sozialismus für Reiche"
Anderer Meinung als Klein ist der Professor für Volkswirtschaftslehre an der "FOM Hochschule für Oekonomie & Management", Gerald Mann (München). Die "Retteritis" für den Pleitestaat Griechenland blende die alttestamentlichen Sprüche Salomos aus, wo es heißt: "Wo man nicht mit Vernunft handelt, da ist auch Eifer nichts nütze (19,2)." Hilfe sei nur dann vernünftig und geboten, wenn sie zur Besserung führe. Doch für die Griechen habe sich seit dem Rettungsschirm vom Mai 2010 nichts gebessert. Die Wirtschaft schrumpfe. Verbessert habe sich die Lage lediglich für Investoren. Mann: "Das ist nicht Marktwirtschaft, sondern âSozialismus für Reiche' - also ungerecht."Griechenland habe zwei Probleme, die gelöst werden müssten: zum einen die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte und zum anderen die Überschuldung. Bisher sei keines dieser Probleme wirksam angegangen worden. Der Schuldenturm wachse weiter, "zunehmend verbürgt durch die Steuerzahler in Deutschland und anderen EU-Staaten". Für den Volkswirtschaftler sind zwei Schritte notwendig: ein Schuldenschnitt von mindestens 50 Prozent. Das heiße: "Die, die Forderungen gegen Griechenland haben, verlieren mindestens die Hälfte davon." Außerdem müsse das Land aus dem Euro aussteigen und zur Drachme zurückkehren. Dies führe zur Abwertung der eigenen Währung und damit zu Exportüberschüssen, so dass sich verbliebene Schulden bedienen ließen. Mann: "So könnte der griechische Patient genesen." (idea)