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Kommentar zur vorgeschlagenen Ergänzung des Paragrafen 219a StGB – Werbeverbot für Abtreibung

Ab wann ist der Mensch ein Mensch? (Foto: Der Arzt/pixelio.de)

2018 ist die Debatte um das Thema Abtreibung in Deutschland in der Öffentlichkeit leidenschaftlich geführt worden. Das wird auch 2019 so bleiben. Denn mit der nun von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ergänzung des Paragrafen 219a StGB ist es nicht getan. Sie ist ist ein Nebenschauplatz. Eigentlich geht es vielen Kritikern, die angeblich nur um die sachliche Information von Schwangeren besorgt sind, um deutlich mehr: die Abschaffung von § 218. Ihm zufolge sind Abtreibungen grundsätzlich rechtswidrig, bleiben aber in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten nach einer bescheinigten Beratung straffrei. Ein Kommentar von idea-Redaktionsleiterin Daniela Städter.

§ 219a – Ein „beliebtes Druckmittel rechter Denunzianten“?

Ende November haben die Jusos – die Jugendorganisation der SPD – auf ihrem Bundeskongress einen Antrag verabschiedet. Er sieht die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218 und 219 vor – ohne eine Frist bei der Abtreibung. Die Juso-Vize Katharina Andres beklagte zudem in einem Interview, dass die vorgeburtliche Kindstötung als einzige „medizinische Leistung“ im Strafrecht auftauche (was nicht stimmt, weil Tötung auf Verlangen laut § 216 StGB auch verboten ist). Und nun hat der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert am 11. Dezember mit den Kritikern des Streich-Beschlusses im Handelsblatt abgerechnet. Der Paragraf 219a sei ein „beliebtes Druckmittel rechter Denunzianten“, eine Abtreibung eine „angebotene medizinische Leistung“, die wegen der „nervenaufreibenden Rechtslage“ von immer weniger Medizinern angeboten werde. Kühnert geht es um ein „Recht auf Abtreibung“. 219a sei „nur der Aufhänger für einen Konflikt, der zwar notdürftig befriedet, doch letztlich nur in die Zukunft vertagt wurde. Es geht im Kern um die Frage, ob diese Gesellschaft Frauen im Rahmen ihrer körperlichen Selbstbestimmtheit das Recht auf Abtreibungen zuspricht.“

Für den Juso-Chef sind christliche Lebensrechtler Fundamentalisten

Lebensrechtler sind für Kühnert „selbst ernannte ,Lebensschützer‘“ – von „selbst ernannten“ Umweltschützern liest man sonst nichts. Wer in Suchmaschinen nach dem Stichwort Abtreibung suche, der lande, so Kühnert, „schnell bei christlichen Fundamentalisten und anderen Scharlatanen, die nicht objektiv informieren, sondern vielmehr missionieren wollen“. Die „sogenannten ,Lebensschützer‘“ hätten keine hehren ethischen Ziele im Sinn, sondern schützten vor allem ohne Rücksicht auf Verluste „ihr zutiefst frauenverachtendes Weltbild. Und damit sollte sich, bei aller Sensibilität der Debatte, niemand solidarisieren.“

Ob der Kompromiss umgesetzt wird, ist noch gar nicht sicher

Eindeutiger geht es kaum. „Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los“, schrieb schon Johann Wolfgang von Goethe im Zauberlehrling. Und so sollte sich niemand täuschen lassen. Mit einem Kompromiss beim § 219a ist die Debatte nicht beendet – zumal noch gar nicht klar ist, ob dieser jetzt vorgestellte Kompromiss überhaupt kommen wird. Eine konkrete Formulierung zur Ergänzung von § 219a liegt noch gar nicht vor. Bislang ist es eine reine Absichtserklärung, die großen Teilen der SPD nicht weit genug gehen wird.

Ab wann ist der Mensch ein Mensch?

Kühnert und seine Jusos sind nicht allein. Auch die Partei „Die Linke“ fordert bereits seit Langem die Abschaffung der § 218 und 219. FDP und Grüne wollen keinen Kompromiss bei § 219a. Und die Abtreibungsärztin Kristina Hänel, die die Debatte angefacht hat, hat sich in einem Streitgespräch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an einer Stelle klar positioniert: Für sie ist der Mensch mit der Geburt ein Mensch. Auf die Nachfrage, ob sie, wenn das Menschsein erst mit der Geburt beginne, auch Abtreibungen bis kurz vorher vornehmen würde, wich sie wiederum aus: Sie glaube nicht, „dass eine Frau so spät zu mir kommen würde“. Der Weg wird von den Abtreibungsbefürwortern sprachlich immer weiter bereitet: hin zu einem Recht auf Abtreibung als ärztliche Dienstleistung, über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus. So klar sprechen es bislang nur die wenigsten aus. Aber die Grenzen werden verschoben. Schritt für Schritt. Der Vorsitzende der „Ärzte für das Leben“, Prof. Paul Cullen, hat bereits öfters angemahnt, die eigenen Positionen klarer und verständlicher zu formulieren. Da hat er recht. Und hier gilt: Ärzte sollen heilen, nicht töten. Wer Abtreibungen vornimmt, tut aber genau das. Wie wäre es da mit einer konzertierten Aktion der beiden großen Kirchen? Die evangelische Kirche betont die Fortschritte in der Ökumene, die Kritiker in der katholischen Kirche wie Kardinal Kurt Koch sagen, dass das Leitwort in der Ökumene „Glaube trennt, Handeln eint“ heute nicht mehr gilt, sondern dass neue Probleme auf ethischem Gebiet aufgetaucht sind. Die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) etwa sind für eine Abschaffung von § 219a. In dieser Debatte braucht es klare Positionen für die Schwächsten und Wehrlosesten. Sonst prägen andere Stimmen die Diskussion und die Entwicklung.


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