Die Popularität Carsons
Die lange Vorlaufzeit bietet die Möglichkeit, schon früh auszuloten und zu verfolgen, wie sich der zukünftige Favorit in den unterschiedlichen Situationen verhält. Am Ende wird auf den jeweiligen Nominierungsparteitagen entschieden, wer am meisten überzeugen konnte, die besten Umfragewerte erzielt hat und demnach als offiziell ernannter Anwärter ins Rennen geschickt wird. Hillary Clinton scheint bei den Demokraten bereits die Konkurrenz ausgeschaltet zu haben, doch bei den Republikanern gibt es momentan acht chancenreiche Kandidaten, die zurzeit von den beiden Quereinsteigern Ben Carson und Donald Trump angeführt werden. Als Beweis für ihre berechtigten Hoffnungen auf den begehrtesten Posten im Oval Office, bekommen die beiden mittlerweile sogar Personenschutz vom Secret Service.Während Trump bereits seit mehreren Monaten durch verbale Rundumschläge von sich reden macht, hat Carson im Stillen, durch seine ruhige, besonnene Art, die Aufmerksamkeit der Wähler auf sich ziehen können. Es sind mehr als 4,7 Millionen Facebook- und fast eine Million Twitter-Fans, doch trotz der gewonnenen Popularität hat der pensionierte Neurochirurg - auch in den deutschen Medien - in den letzten Wochen immer wieder für kleinere oder größere Schlagzeilen gesorgt.
Hier nun eine kleine Presseschau zu einigen Meldungen rund um den adventistischen Arzt.
"Ben Carson ist im Moment (...) das 'Gesicht' der Adventisten"
Auf der Website von Spectrum , der nordamerikanischen, unabhängigen Zeitschrift der Vereinigung adventistischer Foren, wird vor allem auf Carsons religiösen Standpunkt Bezug genommen. Der persönliche Glaube an Gott steht für ihn im Vordergrund und weniger die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche. Insbesondere unter christlichen Wählern findet er dadurch sehr viel Zuspruch. Die Aussage, dass die Ablehnung der Ordination von Pastorinnen ein "riesiger Fehler" war, wird von vielen Adventisten in Nordamerika und Europa ebenfalls auf seiner 'Haben-Seite' notiert. Ein treffender Leser-Kommentar zum Artikel lautete: "Ben Carson ist im Moment für viele Millionen Menschen auf der Welt das âGesichtâ der Adventisten" und genau dies ist der Grund für das gesteigerte Interesse an ihm und seinen Aussagen. Zweifel daran, ob Ben Carson der Richtige für dieses Amt ist, liegen aufgrund seiner Unkenntnis des politischen Terrains auf der Hand: "Der Grund, warum Ben Carson nicht zum Präsidenten gewählt werden sollte, ist, dass er (...) nicht weiß, wie Welt und Regierung funktionieren." <i/>( Spectrum , 1.11.2015)Umstrittene Aussagen von Carson
Die evangelische Nachrichtenagentur idea hat in verschiedenen Beiträgen sowohl über Ben Carson als Person als auch über seine öffentlichen Meinungsäußerungen berichtet. "Homosexualität hält Carson für eine Entscheidung, nicht für angeboren" ( idea , 29.10.2015), Abtreibungen möchte er gänzlich verbieten. Über Lebenspartnerschaften sagt Carson: "Ich glaube, die Ehe besteht aus einem Mann und einer Frau. Das hat nichts mit Homophobie zu tun." An der laut US-Verfassung garantierten sexuellen Selbstbestimmung würde nicht gerüttelt. Neben politischen Standpunkten ist die Religion für den 64-Jährigen ein zentrales Thema. Er bekennt sich klar zur Bibel und ihrer wortwörtlichen Auslegung. Ebenfalls von idea aufgegriffen wurde die Behauptung Carsons, dass die Pyramiden von Josef erbaute Speicher für Getreide seien.In einem ausführlicheren Porträt der Frankfurter Allgemeine über den gläubigen Arzt aus Detroit, wird nicht verschwiegen, dass sich Carson bereits mehrfach im Vokabular vergriffen hat, etwa wenn er behauptet, dass die Gesundheitsreform Obamacare das Schlimmste sei, was "Amerika seit der Sklaverei passiert ist". ( Frankfurter Allgemeine , 19.10.2015) Für Unverständnis und Empörung - vor allem in Deutschland - sorgen auch seine Kommentare über die Nazizeit, beispielsweise, dass es Diktatoren wie Hitler nicht so leicht gehabt hätten, wenn die Bevölkerung mehr Waffen besessen hätte.
Das Image des 'Gentle Ben' hat Kratzer bekommen
Aussagen, wie u. a. in einem Beitrag der Welt vom 9. November, dass die Wutanfälle, die Carson in seinem Buch Begnadete Hände beschreibt, sehr übertrieben oder gar eine Lüge sein könnten, haben neue Diskussionen entfacht. So schreibt ein Leser: "Zweifel und Argwohn wird durch solcherlei Lügen Tür und Tor geöffnet. Meiner Erfahrung nach lügen Männer nur aus ein paar wenigen Gründen: für ihr Ego oder, um etwas anderes zu kaschieren. Es ist ein großer Vertrauensbruch. (...) Hoffentlich kann diese Sache aufgeklärt werden, damit wir nicht nur glauben können, was Dr. Carson uns über seine Vergangenheit erzählt, sondern auch über seine Visionen für die Zukunft." ( Spectrum , 1.11.2015)Vom Tellerwäscher zum Millionär: Die Amerikaner lieben solche Menschen, die es geschafft haben, sich aus ihrer Armut heraus ein neues, besseres Leben aufzubauen - so wie Ben Carson, der sich über das Yale-Studium hinaus bis zu einem weltbekannten Neurochirurgen hochgearbeitet hat. Vermutlich ist man der Meinung, dass der Ehrgeiz und die Disziplin, die es einem ermöglicht haben, sich aus seinen widrigen Lebensumständen zu befreien, auch auf Amerika übertragbar sind - so jemand hat das Zeug dazu, auch die Amerikaner in eine positive Zukunft zu führen. Wenn etwas an Carsons Geschichte nicht stimmen sollte, wäre das Image des sanften, authentischen 'Gentle Ben', wie er genannt wird, deutlich angekratzt. Nach der vierten TV-Debatte der Republikaner vom 10. November hat sich der Fokus momentan wieder auf alle Kandidaten verschoben und es bleibt abzuwarten, wie sich der Wahlkampf in den nächsten Wochen entwickelt und wer am Ende tatsächlich ins Weiße Haus einziehen darf.
Die Nordamerikanische Division (teilkontinentale Kirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten hatte bereits am 4. Mai in einem Schreiben klargestellt, dass die religiöse Freiheit im Zuge der Trennung von Staat und Kirche eine wichtige Errungenschaft sei und sie sich aufgrund dessen politisch neutral verhalten werde. Dass Ben Carson Adventist ist, macht ihn nicht etwa zu einem offiziellen Kandidaten der Kirche, sondern er agiert völlig losgelöst von ihr. (Nicole Spöhr, Lüneburg)