Von berühmten Model zu UN-Sonderbotschafterin gegen Beschneidung
Das Nomadenmädchen in Somalia flüchtete im Alter von 13 Jahren vor der Zwangsverheiratung mit einem Mann, der ihr Großvater hätte sein können. Sie kam schließlich nach London und arbeitete dort als Hausmädchen und bei einer Fast-Food-Kette. Mit 18 Jahren wurde sie vom englischen Star-Fotografen Terence Donovan als Model entdeckt und gelangte zu internationaler Berühmtheit. Waris Dirie zierte die Titelseiten der großen Mode- und Frauenmagazine von "Vogue" bis "Marie Claire". Als James Bond Girl spielte sie an der Seite von Timothy Dalton in "Der Hauch des Todes".Die BBC drehte 1995 über ihre einmalige Karriere den Dokumentarfilm "Eine Nomadin in New York". 1996, auf dem Höhepunkt ihrer Modelkarriere, berichtete Waris Dirie erstmals der Journalistin Jaura Ziv für die Zeitschrift "Marie Claire" über ihre Beschneidung und löste damit ein weltweites Medienecho aus. Im selben Jahr wurde sie UN-Sonderbotschafterin gegen Beschneidung. 1997 erschien in New York ihre Biografie "Wüstenblume", ein internationaler Bestseller der einschließlich 65 Lizenzausgaben über elf Millionen Mal verkauft wurde. Im März 2008 verfilmte der deutsche Oscar-Preisträger Peter Hermann das Buch. Der Film lief bisher in über 30 Ländern. 2002 gründete Waris Dirie die "Desert Flower Foundation" in Wien, die weltweit Kampagnen gegen weibliche Genitalverstümmelungen durchführt.
Grausames Ritual auch bei Christen
In einem Expertengespräch im Anschluss an die Ausführungen von Waris Dirie beim Koloproktologiekongress informierte der Geschäftsführer der "Desert Flower Foundation", Walter Lutschinger, dass die genitale Verstümmelung von Mädchen in 28 Ländern, vor allem in Afrika, im arabischen Raum und in Asien praktiziert werde. Das grausame Ritual gebe es nicht nur bei Muslimen und einheimischen Religionen, sondern auch bei Christen. Auch in Migrantenfamilien in Europa, den USA, Kanada und Australien werde dies praktiziert. "Laut UN-Angaben werden täglich 8.000 Mädchen Opfer dieses unmenschlichen Rituals, und über 2.000 von ihnen überleben es nicht", so Lutschinger. Weltweit seien rund 150 Millionen Frauen durch Genitalverstümmelung traumatisiert."Wenn du nicht beschnitten bist, bist du keine Frau, sondern ein kleines Mädchen." In bestimmten Kulturen werde damit Druck ausgeübt, betonte die aus Afrika stammende Evelyn Brenda, welche in Kenia ein Internat betreut, das Mädchen Zuflucht vor Beschneidung und Zwangsheirat bietet. Um hier ein Umdenken zu bewirken, müssten alle Familienmitglieder einschließlich der Männer mit einbezogen werden. In einem weiteren Projekt kümmere sich Brenda inzwischen auch um Frauen, die durch Genitalverstümmelung inkontinent geworden seien. Operativ könne in vielen Fällen Abhilfe geschaffen werden.
Auch das Berliner Krankenhaus "Waldfriede" wolle in Deutschland Migrantenfrauen, die genital verstümmelt und dadurch inkontinent geworden seien, mit einer operativen plastischen Chirurgie helfen, berichtete der Geschäftsführer der Klinik, Bernd Quoss. Bis zum Frühjahr 2013 könnten dazu die medizinischen Voraussetzungen geschaffen werden. Das Projekt sollte weitgehend aus Spendengeldern des Krankenhauses finanziert werden.