("Adventisten heute"-Aktuell, 9.9.2016) Bundespräsident Joachim Gauck hat dazu aufgerufen, die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zu vergessen. Er sprach beim "Tag der Heimat" des Bundes der Vertriebenen am 3. September in Berlin. Gauck: "Die Gesellschaft darf, ja soll sich erinnern, um - gerade in der heutigen Zeit - Sensibilität gegenüber Flucht und Vertreibung auf der ganzen Welt zu schaffen und zu erhalten." In Europa seien im Zuge des Zweiten Weltkriegs 60 Millionen Menschen vertrieben worden. Die Deutschen bildeten mit 14 Millionen die größte Gruppe. Es sei zwar mehr als sieben Jahrzehnte her, doch die Vergangenheit sei nicht gänzlich vergangen: "Noch immer sind nicht alle Wunden geheilt. Noch immer ist nicht alles Unrecht eingestanden." Erst im vergangenen Jahr habe beispielsweise der Deutsche Bundestag eine Entschädigung für deutsche Zivilisten beschlossen, die während des Zweiten Weltkriegs und danach Zwangsarbeit leisten mussten.
Die Flüchtlingssituation heute ist nicht vergleichbar
Wie Gauck weiter sagte, braucht es Zeit, Flüchtlinge in eine Gesellschaft einzugliedern. Zwischen der Situation damals und der heutigen Flüchtlingszuwanderung gebe es Unterschiede. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Menschen nach Deutschland gekommen, die "dieselbe Sprache sprachen, denselben christlichen Konfessionen und derselben Kultur angehörten". Heute falle Einheimischen und Neuankömmlingen die sprachliche Verständigung schwer, "und jede Seite fremdelt mit den Mentalitäten, Religionen und Lebensstilen des jeweils anderen".
Es dürfe auch nicht verschwiegen werden, dass die aktuelle Flüchtlingszuwanderung anders als vor 70 Jahren mit Risiken für Deutschland verbunden sei: "Kein Land, das Schutzbedürftige aufnimmt, kann völlig ausschließen, dass sich unter die Fliehenden auch Personen mischen, die dem Aufnahmeland Schaden zufügen wollen oder die sich nach der Aufnahme radikalisieren." Gauck zufolge war aber auch die Integration der deutschen Vertriebenen nicht immer eine Erfolgsgeschichte. Viele seien damals auf Ablehnung gestoßen. Gegen "Opferkonkurrenz"
Gauck wandte sich gegen eine "Opferkonkurrenz". Manche der Vertriebenen gönnten Flüchtlingen von heute die Unterstützung nicht, weil sie sie damals auch nicht bekommen hatten: "Wir brauchen keinen Wettstreit darüber, wer mehr gelitten hat und wem mehr geholfen wurde." Flüchtlinge müssten sich nicht gegenseitig verdrängen im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit, so Gauck. (idea)