(“Adventisten heute”-Aktuell, 30.10.2015) Drei Wochen lang haben im Vatikan 270 Bischöfe aus aller Welt mit Experten über Fragen von Ehe und Familie diskutiert. Herausgekommen ist ein gut 30 Seiten langes Abschlussdokument. Es zeigt vor allem, dass deutsche Fragestellungen – wie der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten oder Homosexuellen – in der katholischen Weltkirche eine eher untergeordnete Rolle spielen. Eine Einschätzung des katholischen Journalisten Gernot Facius (Bonn).
Eine “Schlacht” zwischen Konservativen und Reformern
“Synode” klingt evangelischen Christen vertraut: Sie kennen sie als eine Versammlung, die verbindliche Beschlüsse für ihre Kirche fasst. Anders sieht es im Katholizismus aus. Römische Bischofssynoden, wie die jetzt beendete über Ehe und Familie, haben nicht die Bedeutung eines “Kirchenparlamentes”, sie sind lediglich Beratungsorgane des Papstes. Auf ihn kommt es letztlich an, er ist der Gesetzgeber, nur er und die Konzilien können die kirchliche Lehre fortentwickeln. Deshalb konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz auf Franziskus: Wie wird er mit den Papieren der 13 Sprachgruppen umgehen, von denen die besonders reformorientierte deutsche die kleinste ist? Wo doch nach den martialischen Worten von Kurienkardinal George Pell eine “Schlacht” zwischen Konservativen und Reformern tobte.
Die Sensation blieb aus
Die von einigen erhoffte Sensation ist freilich ausgeblieben. Das mit Zweidrittelmehrheit verabschiedete Schlussdokument (94 Thesen) nimmt nur allgemein zum kontroversen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen Stellung. Eine Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen (diese Personen dürfen “nicht diskriminiert” werden) wird kategorisch ausgeschlossen. Es gebe “kein Fundament dafür”. Gemessen an den Erwartungen seien viele womöglich enttäuscht, bilanzierte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Nun ranken sich die Hoffnungen der Reformorientierten an Franziskus’ (noch unbestimmtes) Plädoyer, “die Wirklichkeit mit Gottes Augen zu sehen” und Gesetze als für Menschen gemacht zu begreifen, nicht umgekehrt. Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, suchte der “Offenheit” des Synodenpapiers eine positive Deutung zu geben: Sie erlaube es dem Papst, sein “Reformprojekt” voranzubringen.
In Afrika ist die Vielehe ein Problem
In einer Weltkirche gibt es eben viele Herausforderungen. So ist in Afrika die Vielehe ein drängenderes Problem als die im deutschen Sprachraum so leidenschaftlich diskutierte Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Die deutschen Synodalen um Kardinal Reinhard Marx (München) und den Berliner Erzbischof Heiner Koch haben dennoch für die fallweise Zulassung dieser Gläubigen zur Kommunion geworben und damit die Tür zu einer weiteren Diskussion offengehalten. Bereits in ihrem Zwischenbericht plädierten sie für “eine personalausgerichtete Seelsorge”, die auch die “Gewissensfähigkeit” der Menschen im Blick behält und den Priestern im Beichtstuhl eine zentrale Rolle einräumt.
Ein kleines Wunder: der Brückenschlag
Der Text wurde in der deutschen Sprachgruppe einstimmig verabschiedet. Ein kleines Wunder am Tiber, von Erzbischof Koch zunächst für “unmöglich” gehalten, gehört doch auch der als “Betonkopf” verschriene Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, diesem Zirkel an. Im Grunde läuft die Formulierung darauf hinaus: An der Bestimmung zum Ausschluss der wiederverheirateten Geschiedenen von den Sakramenten wird im Prinzip nicht gerüttelt, es soll aber Änderungen hinsichtlich der Seelsorge geben: Nicht mehr verurteilend und belehrend, sondern zuhörend und barmherzig. Das wäre der Versuch eines Brückenschlags zwischen den kirchlichen Lagern.
Bischöfe bitten um Verzeihung
In den Synodentexten der deutschen Bischöfe findet sich erstmals ein Reuebekenntnis, verbunden mit der Bitte um Verzeihung: “Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuelle orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete.”
Die deutschen Synodalen gestanden ein, dass sie sich mehr Mut gewünscht hätten, sich intensiver mit den “Realitäten” zu befassen und sie als Zeichen der Zeit anzuerkennen, “in denen Gott uns etwas sagen will”. In das Schlussdokument aufgenommen wurden diese Passagen zum Bedauern der deutschen Teilnehmer allerdings nicht. Doch sie suchten Trost darin, dass die Synode “kein Ende, sondern einen Doppelpunkt” bedeute. Kardinal Marx bezog sich auf die “historische” Rede von Papst Franziskus, in der der Wunsch nach einer Stärkung der nationalen Bischofskonferenzen zum Ausdruck kam; Rom betrachtet sie bislang lediglich als unverbindliche Arbeitsgemeinschaften. Es bedürfe einer “heilsamen Dezentralisierung”, hatte der Pontifex gesagt.
Wird der Vorrang des Papstes relativiert?
Ist Franziskus’ Räsonieren über eine “synodale Kirche” und ein Überdenken des Papstprimats schon das Vorzeichen einer großen “Wende”? Eine stärkere Synodalität hätte zweifellos Auswirkungen auf das Verhältnis Roms zur Orthodoxie und zu den evangelischen Kirchen, die ihre synodalen Strukturen pflegen. Beobachter erinnern allerdings zu Recht daran, dass auch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mit Forderungen nach einer Neuausrichtung des Petrusamtes auftraten, ohne dass dies dann in der Praxis vertieft wurde. “Wende” ist eben ein großes Wort. (idea)