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Christen, Juden und Muslime besorgt über Beschneidungsdebatte in Island

«Beschneidung in einem gewissen Land zu verbieten läuft darauf hinaus, dass dieses Land öffentlich erklärt, auf seinem Staatsgebiet keine jüdische Gemeinschaft mehr zu dulden», sagte Albert Guigui, Oberrabbiner von Brüssel. (Foto: Hansjörg Schulthess/ pixelio.de)

In einer gemeinsamen Medienmitteilung bringen der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zum Ausdruck, dass große Besorgnis unter christlichen, jüdischen und muslimischen Organisationen in Europa herrsche. Auslöser sei ein Gesetzesvorschlag, der dem isländischen Parlament, Althing, zum Verbot der Beschneidung männlicher Kinder ohne medizinische Notwendigkeit unterbreitet worden sei. Wenn der Vorschlag ins Gesetz aufgenommen werde, riskierten Eltern eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren, falls sie einen Jungen aus religiösen Gründen beschneiden lassen, schreiben CCEE und KEK gemeinsam.

Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf Religions- und Glaubensfreiheit

Demnach wäre dieser Schritt nicht nur eine Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf Religions- und Glaubensfreiheit, er würde auch als Zeichen gewertet werden, dass Menschen mit jüdischem oder muslimischem Hintergrund in Island nicht mehr willkommen seien.

Juden, Muslime und gewisse christliche Traditionen praktizieren die Beschneidung

Religiöse Gemeinschaften aus dem gesamten Glaubensspektrum praktizierten die Beschneidung seit tausenden von Jahren, so CCEE und KEK. In der jüdischen, islamischen und in gewissen christlichen Traditionen, beispielsweise in der Eritreischen und Äthiopischen Orthodoxen Kirche, sei sie ein grundlegendes Merkmal der Religionspraxis. Beschneidung sei keine optionale Zeremonie, sie stehe vielmehr im Zentrum der religiösen Handlungen. Mit diesem besonderen religiösen Ritual würden männliche Kinder in ihrer Religion aufgenommen, es stelle ein Zeichen für Gottes Bund mit den Menschen dar. Für die betroffenen Glaubensgemeinschaften sei die Beschneidung ein integraler Ausdruck ihres Glaubens, schreiben CCEE und KEK.

«Es ist wichtig, dass die Beschneidung auf legaler Basis und in einer medizinisch angemessenen und sicheren Umgebung praktiziert wird, damit die Gesundheit des Kindes nicht gefährdet wird», sagte KEK-Präsident Bischof Christopher Hill, anglikanischer Theologe, und fügt hinzu: «Wir dürfen nicht vergessen, dass es ein in der UN-Kinderrechtskonvention  anerkanntes Recht ist, zur religiösen Tradition seiner Familie zu gehören und darin erzogen zu werden.»

Bischof Hill habe auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Beschneidung in mehreren Ländern – innerhalb von etablierten medizinischen Richtlinien – ein standardmäßiges säkulares medizinisches Verfahren darstelle, das sogar nutzbringend sein könne. Aus diesem Grund könne nicht argumentiert werden, dass der Eingriff eine unannehmbare Verletzung der körperlichen Unversehrtheit darstelle. Eine solche Einschränkung der Religions- und Glaubensfreiheit könne demnach nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt werden.

Kardinal Angelo Bagnasco, Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) rief auch in Erinnerung, dass es für die katholische Kirche ein besonderes Anliegen sei, «die Rechte der Kinder zu verteidigen, zu dem auch das Recht und die Pflicht der Familie gehört, ihre Kinder ihren eigenen religiösen Überzeugungen entsprechend zu erziehen. Diese Initiative richtet sich gegen die Religionsfreiheit und die Grundlagen der Demokratie, die eine Zivilgesellschaft ausmachen». «Beschneidung in einem gewissen Land zu verbieten läuft darauf hinaus, dass dieses Land öffentlich erklärt, auf seinem Staatsgebiet keine jüdische Gemeinschaft mehr zu dulden», sagte Albert Guigui, Oberrabbiner von Brüssel und ständiger Vertreter der Konferenz Europäischer Rabbiner bei den Institutionen Europas.

Hauptimam Razawi, schottische Ahlul Bayt Society, sagte, «einen religiösen Brauch auf diese Weise zu verbieten, würde dazu führen, dass den Muslimen verboten würde, ihren Glauben auszuüben». Die jüdischen, christlichen und muslimischen Organisationen seien sich laut CCEE und KEK einig, dass ein Verbot der Beschneidung in Island zur Folge hätte, zwei Weltreligionen, Judentum und Islam, sowie deren Mitgliedschaft zu ächten. Dieses Gesetz würde ein fremdenfeindliches Bild von Island in eine religiös und kulturell vielfältige Welt aussenden. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, bestünde auch das Risiko, dass weitere europäische oder andere Länder zu ähnlichen Initiativen bewegt würden. In einem Klima von wachsendem Antisemitismus und Islamfeindlichkeit könnte die Verabschiedung dieses Gesetzes in Island solche Tendenzen anderswo unterstützen und damit den Druck auf oft schon verwundbare Gemeinschaften weiter erhöhen, so CCEE und KEK.

Männliche Beschneidung, nicht weibliche Genitalverstümmelung

Die jüdischen, christlichen und muslimischen Organisationen betonten, dass sie sich einzig auf die männliche Beschneidung beziehen würden. Der vorgeschriebene religiöse Brauch dürfe nicht mit der grausamen Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung verwechselt werden, der ein Angriff auf die körperliche Integrität der Frauen darstelle und ihre grundlegenden Menschenrechte und ihre Würde verletze.

Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)

Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) ist eine Gemeinschaft von etwa 116 orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und alt-katholischen Kirchen aus allen Ländern Europas sowie von 40 nationalen Kirchenräten und assoziierten Organisationen. Die KEK wurde 1959 gegründet. Sie hat Büros in Brüssel und Straßburg.

Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE)

Dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) gehören als Mitglieder derzeit 33 Bischofskonferenzen Europas an, vertreten durch ihre Präsidenten sowie die Erzbischöfe von Luxemburg und des Fürstentums Monaco, der Maroniten auf Zypern, dem Bischof von Chişinău (Moldau), dem Eparchialen Bischof von Mukachevo und dem Apostolischen Administrator von Estland. Der Sitz des Sekretariates befindet sich in St. Gallen/Schweiz.


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