Bestellhotline: 0800 2383680 (kostenlos innerhalb D)
Literatur für ein Leben mit Zukunft
Kauf auf Rechnung möglich | versandkostenfrei ab 50 € (innerhalb D)

Adventistin erkämpft Grundsatzurteil für verfolgte Christen aus Nigeria

("Adventisten heute"-Aktuell, 30.11.2012) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in seinem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 21. Juni 2012 entschieden, dass die Nigerianerin Oluchi James als anerkannter Flüchtling in Deutschland bleiben dürfe. In der Grundsatzentscheidung wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu der Feststellung verurteilt, "dass für Nigeria die Flüchtlingseigenschaft gemäß 60 Absatz 1 AufenthG (Aufenthaltsgesetz) besteht" (VG Karlsruhe - A 9 K 3384/10). Damit geht ein fast dreijähriger Rechtsstreit zu Ende. Das Bundesamt hatte gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt, sondern, wie vom Gericht gefordert, in einem Bescheid vom 16. November 2012 der nigerianischen Christin mitgeteilt, dass "die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft" vorliegen.

Mit 16 Adventistin geworden

Wie Rechtsanwalt Dr. Andreas Huber (Karlsruhe), der die Nigerianerin vor Gericht vertrat, mitteilte, sei Oluchi James als ältestes von sechs Kindern aufgewachsen. Im Jahr 2005 habe sie sich im Alter von 16 Jahren durch Taufe der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten angeschlossen. Während ihrer Ausbildung zur Buchhalterin sei 2008 ihr Vater verstorben, sodass sie sich mit ihrer Mutter um die jüngeren Geschwister hätte kümmern müssen.
Die heute 24 Jahre alte Adventistin aus Jos, der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Plateau in der östlichen Zentralregion des Landes, habe neben ihrer Arbeit als Stoffhändlerin im Geschäft ihrer Mutter seit 2006 regelmäßig Menschen in Krankenhäusern besucht, so Huber. Diese wären entsprechend der dortigen Bevölkerungsmehrheit meist Muslime gewesen. Mindestens einmal pro Woche hätte sie im Krankenhaus mit Patienten und Angehörigen, die das wünschten, gebetet.

Mit Messer und Machete verletzt

Am 28. November 2008 sei es nach Kommunalwahlen in Jos zu Unruhen gekommen. "Oluchi fuhr nach ihrer Arbeit direkt mit ihrem Fahrrad nach Hause. In der Nähe bemerkte sie laut rufende muslimische Gruppen. Ihre Mutter hielt sich mit ihren Geschwistern in der Küche auf, als plötzlich Leute Flaschen in das Haus warfen und dieses zu brennen anfing. Da die Flammen Oluchi den Weg zur Küche versperrten, wollte sie um das Haus herum zur Küche laufen", schilderte Rechtsanwalt Huber. Draußen sei sie jedoch schon von jungen Männern erwartet worden. Diese hätten sie festgehalten und gerufen, dass sie die Missionarin aus dem Krankenhaus sei. Einer habe mit einem Messer in ihren Mund gestochen, damit sie nicht mehr reden könne. Dadurch hätte Oluchi ihre Vorderzähne verloren. "Ein anderer schnitt ihr mit dem Messer in die Stirn, wodurch bis heute sichtbare Narben entstanden."
Nach Hubers weiterer Schilderung sei schließlich der Anführer der Gruppe erschienen und habe Oluchi mit einer Machete mit einem einzigen Schlag den rechten Arm knapp neben der Schulter abgetrennt. "Sie verlor das Bewusstsein und wachte erst im Juth Krankenhaus wieder auf. Ihre Mutter und Geschwister starben im Feuer."
Nach zahlreichen Operationen und ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus hätte der adventistische Pastor Oluchi mit zu sich nach Hause genommen. Als es ihr besser gegangen sei, habe ihr der Geistliche erklärt, dass nun auch sein Leben wegen ihr in Gefahr wäre und sie ausreisen müsse, da sie aufgrund ihrer Verletzungen leicht zu erkennen sei. Er hätte laut Dr. Huber die Ausreise organisiert. Ihre adventistische Kirchengemeinde in Jos habe die Flucht nach Deutschland finanziert.

Kein Einzelfall

Das Verwaltungsgericht stellte in seinem Urteil fest, dass es "die muslimischen Täter offensichtlich auf die Klägerin wegen ihrer christlichen Religion abgesehen" hätten. Die Verletzungen von Oluchi wären "mit zahlreichen Presseberichten von Nachrichtenagenturen ohne weiteres in Einklang zu bringen. Nachdem mehrere Kirchen und Moscheen in Brand gesetzt worden waren, wurden Menschen mit Macheten zerstückelt, zu Tode geprügelt oder an Straßensperren angezündet. Medienberichte sprachen von 400 Toten."
Weiter führte das Gericht aus: "Zum anderen war die Klägerin nach ihrer auch insoweit glaubhaften Bekundung gerade deswegen Ziel des muslimischen Mobs, weil sie durch ihre in Krankenhäusern von Jos geleistete missionarische Arbeit ins Blickfeld der muslimischen Eiferer geraten war. Dass sie als diejenige Frau erkannt wurde, die sich in den Krankenhäusern gezielt um Moslems kümmerte und diese zum Christentum bekehren wollte, ist nicht derart erstaunlich, dass man daraus Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit herrühren könnte; denn sie hatte ihre missionarische Tätigkeit, die sicher ungewöhnlich war und Aufsehen erregt hatte, über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren ausgeübt."

Polizei und Sicherheitskräfte keine Hilfe

In dem inzwischen rechtskräftigen Urteil betonte das Verwaltungsgericht: "Das von der Klägerin glaubhaft geschilderte Geschehen illustriert beispielhaft, dass die von religiöser Gewalt bedrohten Bevölkerungsgruppen nicht darauf verwiesen werden können, sich zunächst Schutz suchend an die nigerianische Polizei zu wenden, zumal sich die Sicherheitskräfte selbst immer wieder dem Vorwurf konfrontiert sehen, schwerste Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Angehörige des Militärs und der Polizei sollen sich bei den Vorfällen von Jos Ende November 2008 sogar selbst unter die Gewalttäter gemischt haben."
Das Gericht stellte ebenfalls fest: "Im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsgebiet in Nord-Nigeria wäre die Klägerin erneut von Verfolgung in der vor ihrer Ausreise erlittenen Art bedroht. Die Konfliktlinien zwischen der dort lebenden christlichen und muslimischen Bevölkerungsgruppe bestehen unverändert fort." Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative schloss das Gericht aus: "Bei ihrer Rückkehr nach Nigeria wäre sie im ganzen Staatsgebiet zumindest von anderen Nachteilen und Gefahren bedroht."

Hilfreicher Präzedenzfall

Rechtsanwalt Dr. Andreas Huber rechne damit, dass das Urteil weiteren christlichen Flüchtlingen aus Nigeria eine Hilfe sein könne, um in Ländern der Europäischen Union aufgenommen zu werden. Der Dank gebühre zahlreichen Personen und Organisationen, die Oluchi geholfen hätten, das lange und schwierige juristische Verfahren durchzustehen, so Huber. Das gelte vor allem der Adventgemeinde Mannheim, Pro Familia Mannheim, der Stadt Mannheim, der nigerianischen evangelischen Gemeinde Mannheim, dem christlichen Hilfswerk Open Doors und der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten. (APD)

Kommentare

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Die Datenschutzhinweise habe ich zur Kenntnis genommen.