(“Adventisten heute”-Aktuell, 28.8.2015) Nach Ansicht des muslimischen Schriftstellers und Friedenspreisträgers des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani (Köln), bietet der Islam gegenwärtig ein “verheerendes und fürchterliches Bild”. Das Kernproblem sei “ein völliger Bruch mit seiner geistigen, spirituellen und ästhetischen Tradition”, sagte der 47 Jahre alte Orientalist der Zeitung “Kölner Stadt-Anzeiger”. In gewisser Weise könne man neidisch auf das Christentum sein. Es habe seine Tradition ungleich besser bewahrt als der Islam.
Kermani nannte es ein Missverständnis zu glauben, dass der Islam erst einmal in der Moderne ankommen müsse. Der Fundamentalismus wende sich gerade gegen die Tradition, weil er die 1.400-jährige Deutungsgeschichte des Korans ablehne. Die Ausrottung der guten eigenen Tradition in islamischen Ländern sei erschütternd.
Scharfe Kritik an Saudi-Arabien: Barbarei
Scharfe Kritik übte Kermani am fundamentalistisch-sunnitischen Regime in Saudi-Arabien: “Sie haben nicht den geringsten Respekt vor der Vergangenheit, weder als ästhetisches Gefüge, noch für die klassische islamische Gelehrsamkeit, und schon gar nicht für die Volksfrömmigkeit.” Stattdessen errichteten die Saudis von Zentralasien bis Bosnien überall identische “McMoscheen” aus dem Baukasten und planierten die Altstädte, um darauf Einkaufszentren oder Wolkenkratzer zu bauen.
Vor dem Hintergrund dieser Barbarei warnte Kermani die Kirchen davor, die ästhetische Dimension ihrer Religion zu vernachlässigen. “Mir scheint, ein wesentlicher Grund für den Bedeutungsverlust des Christentums in unseren westlichen Gesellschaften liegt darin, dass die Kirchen so wenig auf die Form achtgeben, nicht nur, aber gerade auch in den Gottesdiensten.” (idea)