Der volkstümliche Vatertag wird in Deutschland an Christi Himmelfahrt begangen. In den vergangenen Jahren hat sich der Tag zu einer „Herrenpartie“ entwickelt, statt tatsächlich die Väter zu ehren. Tabitha Bühne erklärt, warum sie am 13. Mai trotzdem doppelt feiert.
Es gibt zwei Väter, die mein Leben heute stark prägen. Der eine ist mein Vater Wolfgang Bühne, der andere ist mein Schwiegervater Artur Spieker. Beide werden in Kürze 75 Jahre alt. Den einen zog es im Vertrauen auf Gott ins tiefe Sauerland, um für die Schwachen und Verstoßenen eine Zuflucht zu schaffen. Der andere hat nur 100 Kilometer weiter als Pastor in der Schlosskirche Greifenstein Menschen den Weg zu Jesus gezeigt und einem Jungen vorgelebt, was es heißt, ein Mann zu sein: treu, aufrichtig, geradlinig, unerschütterlich im Glauben, fest in Gottes Wort. Artur hat Gott immer an die erste Stelle gesetzt, aber direkt danach kam die Familie und erst dann die Gemeinde. Markus wäre ohne seinen Vater nicht der Mann, den ich heute an meiner Seite habe. Und ich wäre ganz sicher nicht dieselbe ohne meinen Vater. Ich schulde beiden meinen Dank.
Himmelfahrt trifft Vatertag
Ich habe den Vatertag eigentlich nie gemocht. Männerhorden ziehen mit Bollerwagen betrunken durch den Wald, statt „Christi Himmelfahrt“ zu feiern. In Thailand schenkt man den Vätern eine Pflanze, die für Männlichkeit steht. In Amerika werden Paraden veranstaltet. Bei uns wird Bier in Schubkarren gezogen. Natürlich gibt es auch Familienväter, die ganz bewusst an diesem Tag Zeit mit ihren Kindern verbringen. Aber wer denkt an diesem Tag noch an den Vater im Himmel?
Ich feiere neuerdings beides: Vatertag und Vater-im-Himmel-Tag. Ich feiere alle guten Väter und solche, die es noch werden wollen, alle echten Kerle und natürlich ganz besonders den stärksten Mann der Welt, der bewiesen hat, was wahre Kraft und Liebe ist. Denn Himmelfahrt zeigt vor allem eines: Jesus ist auf diese Welt gekommen, um zu beweisen, dass wir einen Vater im Himmel haben. Er gibt den Einsamen ein Zuhause. Er lädt ein, seine Kinder zu werden. Er ist in den Himmel zurückgekehrt, um uns dort eine Wohnung zu bereiten. Jesus beweist: Gott ist nicht weit weg. Er ist kein distanzierter Schöpfer. Wir sollen ihn unseren Vater nennen: „Vater unser, der du bist im Himmel …“ Jesus ist gekommen, um zu bleiben.
Abwesende Väter und verlorene Söhne
Wenn man manche Menschen reden hört, könnte man glauben, diese Welt wäre besser, wenn Väter mehr wie Mütter wären. Oder wenn es gar keine Männer mehr gäbe. Dann gäbe es weniger Gewalt, Tyrannei und Missbrauch. Was für ein Unsinn! Neue Untersuchungen zeigen, dass häusliche Gewalt zwischen den Geschlechtern nahezu gleich verteilt ist. Langzeitstudien belegen, wie wichtig die Bedeutung des Vaters für die psychische Gesundheit seiner Kinder im späteren Erwachsenenleben ist. Man muss sich nur die Väter von Hitler, Stalin, Mao ansehen, um einen Eindruck zu kriegen. Es waren Totalausfälle, inkompetent und lieblos. Und die Folgen entsprechend.
Was macht gute Väter aus?
Es gibt wenige Fragen, die einen Mann dermaßen ins Herz treffen wie diese: „Wie ist dein Verhältnis zu deinem Vater?“ Ein abwesender Vater ist eine lebenslange Quelle von Traurigkeit, Scham, Bitterkeit und Aggression. Ein Sohn braucht einen Vater, damit er ein „ganzer Mann“ werden kann. Bleibt der Vater fern, so bleibt der Sohn sich selbst fremd. Töchter brauchen natürlich auch ihren Vater, um ein realistisches Männerbild zu entwickeln. Bekommen sie von ihrem Vater nicht genug Aufmerksamkeit, suchen sie manchmal ein Leben lang danach bei anderen Männern. Aber Söhne sind noch abhängiger von der Sicherheit und Flexibilität vermittelnden Präsenz eines Vaters, der mit der Mutter liebevoll verbunden ist. Viele Jungen werden in den ersten zehn Lebensjahren ausschließlich von Frauen erzogen: zu Hause, in Krippen, Kindergärten und Grundschulen. Es fehlt an männlichen Identifikationspersonen. Kein Wunder, dass viele Jungen dazu neigen, sich kämpferische, überzogene Männlichkeitsbilder zu suchen, Killerspiele und Hardcore-Pornos inklusive.
Vater sein ist Hochleistungssport. Wenn es eine Stellenausschreibung für Väter gäbe, wären die bevorzugten Eigenschaften Güte und Stärke. Autorität und Liebe. Kompetenz und Vertrauen sind nicht nur Schlüsselkompetenzen für Führungspositionen. Ein guter Vater hilft in Verwirrungen durchzusteigen. Er beschützt. Er gibt Ratschläge, die ein Leben lang helfen und halten.
Unser leiblicher Vater prägt unser Gottesbild. Leider hat es auch in der Kirchengeschichte viele distanzierte Väter gegeben. Die besten Väter sind jene, die sich als Söhne eines Vaters im Himmel wissen und im Alltag seine Liebe, Stärke und Güte bezeugen.
Wie mein Vater mir den Weg zum Himmel zeigte
Mein Vater ist sicher nicht perfekt. Ich sehe seine Fehler, aber sie machen ihn für mich nicht kleiner. Er hat meiner Mutter einen Heiratsantrag auf einem Friedhof gemacht. Nicht gerade romantisch. Zusammen haben sie als junges Ehepaar einen Bauernhof zum Freizeitheim umgebaut, neben ihren sieben Kindern noch Kinder von Prostituierten, Drogenabhängigen und gescheiterten Familien aufgenommen. Heute predigt er, reist für Jesus um die Welt, verlegt und schreibt Bücher. Und scheut sich nicht, heiße Eisen anzufassen. Was ich an meinem Vater besonders vorbildlich finde: Er kann mit Gegenwind umgehen, muss nicht von allen gemocht werden. Er ist bereit, für die Wahrheit zu kämpfen, aber sucht auch nach Versöhnung. Einer, der deshalb stark ist, weil er von Gottes Kraft felsenfest überzeugt ist. In unserer Großfamilie ist mein Vater nach wie vor der wichtigste Kompass. Er hat ein Gespür für die richtige geistliche Orientierung, während ich oft das Gefühl habe, dass ich herumirrlichtere.
Wenn ich an meinen Vater denke, muss ich an seinen alten Sessel denken. Ich weiß nicht, wie viele Stunden er davor kniend verbrachte, vor allem als ich weglief und mich vom Glauben verabschiedete, weil ich Model und Schauspielerin werden wollte. Es war für ihn ein Schlag in die Magengrube. Seine Tochter, der er vorgelebt hatte, nicht oberflächlich zu sein und nicht den Ruhm der Welt zu suchen, wollte ins Rampenlicht. Jahrelang betete er für mich. Bis mich Jesus fand und ich den Weg nach Hause.
Manchmal sind die härtesten Lektionen die heilsamsten. Bei mir war es die Situation, als ich meinen Eltern eine Schuld beichten musste. Mein Vater weinte, was ich selten erlebt habe. Ich bin froh, dass ich den Mut hatte, ihm diese eine Frage zu stellen: „Papa, hast du mich jetzt nicht mehr lieb?“ Er antwortete unter Tränen: „Aber natürlich habe ich dich noch lieb! Ich weine nur wegen all der Last und den Schmerzen, die in dein Leben gekommen sind.“ Er nahm mich in den Arm. Mir fiel eine riesige Last von der Seele. Ich will nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn ich in diesem Moment nicht begriffen hätte, dass ich trotz allem geliebt bin. Mein Vater hat mir aber damit noch etwas Wichtigeres gezeigt: die Liebe und Güte Gottes, die allen Verstand übersteigt. Denn so, wie mein Vater auf meinen Sturz reagierte, tut es auch Jesus.
Der Brief eines Vaters
Es gibt noch andere Väter, die mich inspiriert haben, allen voran der Dichter Matthias Claudius (1740–1815). Sein Brief an seinen Sohn Johannes habe ich Dutzende Male durchgelesen und die für mich wichtigsten Aussagen festgehalten: „Hänge Dein Herz an kein vergänglich Ding. Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, sondern wir müssen uns nach ihr richten. Halte Dich an Gottes Wort. Tue das Gute vor Dich hin und bekümmere Dich nicht, was daraus werden wird. Sorge für Deinen Leib, doch nicht so, als wenn er Deine Seele wäre. Sage nicht alles, was Du weißt, aber wisse immer, was Du sagst. Nicht die Frömmelnden, aber die frommen Menschen achte und gehe ihnen nach. Habe immer etwas Gutes im Sinn. Gehe nicht aus der Welt, ohne Deine Liebe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch irgendetwas öffentlich bezeugt zu haben.“ Das ist vielleicht das Wichtigste, was Väter für ihre Kinder leisten können: ihren Vater im Himmel groß zu machen. Ich freue mich auf Himmelfahrt, weil ich dann doppelten Grund zur Freude habe.
(Die Autorin, Tabitha Bühne (Markkleeberg), ist Sportjournalistin und Buchautorin. Im Podcast „Bühne frei“ des Senders ERF Pop gibt sie Tipps für Fröhlichkeit, ganzheitliche Gesundheit und Glaubensfreude.)