(“Adventisten heute”-Aktuell, 22.2.2013) Fast jeder dritte Deutsche ist ledig. Während das Alleinleben in der Gesellschaft inzwischen weitgehend als völlig normal gilt, wird in christlichen Gemeinden meist Familie mit Segen gleichgesetzt. Das stellt die Bundesreferentin des Vereins “Es muss was Anderes geben”, Pfarrerin Astrid Eichler (Berlin), in einem Beitrag für die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) fest. Der Verein engagiert sich vor allem unter alleinlebenden Frauen und will Lebensperspektiven für Ledige in Kirchen aufzeigen. Eichler ist Pfarrerin in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und gehört dem Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz an.
Bei den Jüngeren lebt fast jeder zweite ohne Partner
Bisher ging man davon aus, dass annähernd jeder fünfte Bundesbürger ohne Partner lebt. Doch eine Studie der Partnervermittlung ElitePartner (Hamburg) unter 25.600 Internetnutzern ab 18 Jahren zeigt ein anderes Ergebnis, das sich mit einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (Allensbach am Bodensee) deckt. Danach sind 29 Prozent der erwachsenen Deutschen Singles. Bei den unter 30-Jährigen lebt fast jeder zweite ohne Partner; zwischen Anfang 30 und Mitte 40 trifft dies auf jeden Vierten zu; danach sinkt der Anteil der Ledigen auf etwa 22 Prozent. In jungen Jahren leben eher die Männer allein: Im Alter von 25 bis 29 Jahren sind 41 Prozent von ihnen ohne Partner; bei den Frauen sind es 29 Prozent. Anders bei den Älteren: In der Altersspanne von 50 bis 54 Jahren lebt jeder fünfte Mann und jede vierte Frau allein.
“Beziehungsfluktuation” nimmt zu
Nach Angaben der Diplompsychologin Lisa Fischbach von ElitePartner hat der hohe Anteil der Ledigen viele Ursachen. Dazu zähle der Wunsch nach Selbstverwirklichung ebenso wie das Nachlassen traditioneller Werte, die früher Ehe oder Partnerschaft ab einem bestimmten Alter quasi verordnet hätten. Eine Rolle spielten auch die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen und eine zunehmende “Beziehungsfluktuation”: “Da die Ausdauer, Motivation oder Kompetenz, Krisen zusammen zu meistern, abnimmt, werden Trennungen häufiger.” Sie gehörten zur heutigen “Liebesbiographie” ebenso wie anschließende Singlephasen. Zeitweise allein zu leben, werde nicht mehr als Mangel empfunden, so Fischbach.
Tiefe Sehnsucht bleibt ungestillt
In christlichen Gemeinden empfänden das viele Ledige anders, so Eichler. Dort werde allzu oft die Gleichung “Familie ist Segen” aufgestellt, vermutlich eher unbewusst. Man müsse fragen, was dies für Menschen ohne eigene Familie bedeute. Eichler: “Die tiefe Sehnsucht bleibt ungestillt – nach Vertrautheit, nach Nähe, nach Kindern.” Brennende Fragen blieben ohne Antwort: “Wo bin ich zu Hause? Wo gehöre ich dazu? Und ganz praktisch: Mit wem werde ich alt?”
Kein Leben zweiter Klasse
Jugendlichen werde oft das Bild von Ehe, Familie und Kindern vor Augen gemalt. “Doch”, so Eichler, “was passiert, wenn nichts passiert?” Nach Ansicht der Pfarrerin brauchen christliche Gemeinden einen anderen Blick: “Im Reich Gottes gibt es kein Leben zweiter Klasse. Da heißt es nicht: entweder verheiratet sein oder einsam.” Einsamkeit sei keine Option. Die Aussage des Schöpfers “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei” (1. Mose 2,18) gelte auch für Ledige. Dies sei eine Herausforderung für christliche Gemeinden. Sie sollten auch Räume für Alleinlebende schaffen, so Eichler. (idea)