Die Bremer Künstlerin und Lehrerin Antje Huse hat in fünf Jahren alle 27 Bücher des Neuen Testaments in Handarbeit kalligrafiert. Kalligrafie ist die Kunst des schönen Schreibens. Derzeit stellt Huse ihr Werk erstmals öffentlich in der Stadtkirche Wittenberg aus. Anlass ist eine Aktionswoche, die vom 19. bis 26. September zum 500. Jubiläum der Übersetzung des Neuen Testaments durch den Reformator Martin Luther (1483–1546) stattfand.
Wie Huse gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA mitteilte, hatte sie im August 2016 vier kalligrafische Banner mit den Grundsätzen der Reformation für die St. Martini-Kirchengemeinde in Bremen fertiggestellt. Dabei sei ihr der Gedanke gekommen, die ganze Bibel kalligrafisch abzuschreiben. Ein tägliches Pensum von fünf Versen habe sie sich gut vorstellen können. Deshalb habe sie mit einer Rechnung begonnen und alle Verse der Bibel durch 365 und noch einmal durch fünf geteilt. Sie sei schließlich auf 17 Jahre gekommen, die sie für die Abschrift der gesamten Bibel benötige. Damit könne sie die Bibelabschrift bis zu ihrem Renteneintritt schaffen, so die 52-Jährige. Bei ihren weiteren Recherchen habe sie bemerkt, dass im Jahr 2022 das 500. Jubiläum der Übersetzung des Neuen Testaments und 2034 das 500. Jubiläum der Übersetzung der gesamten Bibel durch Luther ins Deutsche begangen wird. Laut Huse haben ihre Berechnungen ergeben, dass sie mit ihrem täglichen Pensum von fünf Versen die jeweiligen Bibelabschriften bis dahin schaffen kann: „Für mich waren diese zehn Minuten an meinem Schreibtisch ein Moment, in dem ich ganz deutlich Gottes Arbeitsauftrag vernommen habe.“ Am 29. August 2016 habe sie schließlich mit der Bibelabschrift des Neuen Testaments und im März 2021 mit der Abschrift des Alten Testaments begonnen.
Jedes Bibelbuch in einer anderen Schriftart
Die 27 Bücher des Neuen Testaments liegen laut der Künstlerin meist einzeln als gebundenes Buch oder als aufhängbares Leporello vor. Jedes dieser Exponate befinde sich in einer historischen Schatulle und sei in einer jeweils anderen historischen Schriftart geschrieben worden. Deshalb sei ihr Werk zugleich auch ein Einblick in die Schriftgeschichte. Die Ausstellung solle nun an unterschiedlichen Orten in Deutschland zu sehen sein. „Möge Gottes wundervolles Wort viele Menschen neu begeistern und ihnen Mut, Kraft, Freude und Wegweisung geben“, so Huse. Für sie sei es wichtig, dass die Ausstellungen auch zukünftig kostenfrei bleiben, da Gottes Wort ein Geschenk sei. „Es darf niemals ein kommerzielles Interesse hinter diesem Projekt stehen“, so Huse. Allerdings erfordere die Organisation der Ausstellungen „jede Menge Zeit, Kraft und Finanzen“. Deshalb sei sie derzeit auf der Suche nach einer Organisation oder Stiftung, die sie in ihrem Vorhaben unterstützen könnte.
Gemeindepfarrer ist „tief angerührt“
Ende 2014 habe sie die Kalligrafie als Hobby entdeckt. Die Schulleiterin an einer Bremer Grundschule ist inzwischen auch Dozentin für Kalligrafie am Landesinstitut für Schule in der Hansestadt. Für Huse ist die Kalligrafie nach eigenen Worten eine Art Meditation. Das „Abtauchen“ in die Schrift ermögliche ihr, zur Ruhe zu kommen. Wie der Pfarrer der Stadtkirche, Fabian Mederacke, gegenüber IDEA sagte, wurde Huses Ausstellung noch einmal um drei Wochen verlängert. Er selbst sei „tief angerührt“ von vielen Werken: „Frau Huse hat ein einzigartiges Werk geschaffen, dass die Liebe zum Wort Gottes mit Kunst verbindet.“ Neben der Ausstellung werden im Rahmen der Aktionswoche unter anderem wissenschaftliche Vorträge und Jugendveranstaltungen zum Thema Bibelübersetzung heute und zu Luthers Zeiten angeboten. Veranstalter sind neben Huse die Evangelische Stadtkirchengemeinde Wittenberg, die dortige Landeskirchliche Gemeinschaft sowie die Bibelübersetzungsgesellschaft Wycliff Deutschland (Burbach bei Siegen).