Anlässlich des vierten Jahrestages des antisemitischen Anschlags auf die Synagoge in Halle/Saale haben am 9. Oktober Vertreter aus Politik und Gesellschaft der Opfer gedacht. Damals hatte der Attentäter Stephan B. vergeblich versucht, in die jüdische Synagoge im Paulusviertel der Stadt einzudringen. Anschließend erschoss er zwei Passanten, Jana Lange und Kevin Schwarze, und verletzte zwei weitere. „In unserer Gesellschaft gibt es Judenfeindlichkeit, davor können wir unsere Augen nicht verschließen“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), bei der Gedenkfeier im Hof der Synagoge. Der größte Teil der deutschen Gesellschaft verurteile jede Form von Antisemitismus und Hass. „Aber dieser Teil muss noch viel lauter werden. Der Bogen der Geschichte neigt sich nicht zwangsläufig in Richtung Demokratie. Für unsere Überzeugungen und demokratischen Institutionen müssen wir entschlossen eintreten“, so Haseloff.
Tora-Rolle als Zeichen gegen Terror
Der Ministerpräsident ist Schirmherr des Tora-Rollen-Projektes, das während der Gedenkfeier vorgestellt wurde: In dessen Rahmen soll der Jüdischen Gemeinde Halle Ende Januar 2024 eine handgeschriebene Tora-Rolle überreicht werden. Initiatoren des Projekts sind die Organisation „Christen an der Seite Israels“ (CSI/Herrenberg) sowie die israelische Organisation „Keren Hayesod“ (Frankfurt am Main). Der Beauftragte der Bundesregierung für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Straftaten im Inland, Pascal Kober (FDP), betonte, der Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Extremismus und Terrorismus dürfe nicht nur an Gedenktagen wie diesem geführt werden. Er begrüßte das Tora-Rollen-Projekt. „Mit der neuen Tora-Rolle setzen Sie ein starkes Zeichen. Dem Antisemitismus, dem Hass und den Vernichtungsfantasien, die hier vor vier Jahren zum Versuch wurden und in diesen Tagen in Israel zur Auswirkung kommen, setzen Sie als Gemeinde ein Zeichen der Hoffnung entgegen.“ Jeder einzelne der 304.805 Buchstaben der Tora sei ein Symbol der Einheit, des Friedens und der Verbundenheit, erklärt CSI auf der Webseite das Projekt. Haseloff schrieb als Erster auf der Gedenkfeier gemeinsam mit dem aus Israel eingeflogenen Tora-Schreiber einen Buchstaben in die Schriftrolle.
Zweifache Erschütterung
Der 1. Vorsitzende von CSI, Luca Hezel, ging in seiner Rede auch auf die jüngsten Hamas-Massaker in Israel mit über 1.000 Ermordeten ein: „Wir stehen heute hier in zweifacher Erschütterung. Zum einen über die Nachrichten, die uns aus Israel ereilen – so viele getötete jüdische Menschen in so kurzer Zeit wie seit Ende des Holocaust nicht mehr – zum anderen in der Erschütterung und im Gedenken an das, was hier vor vier Jahren passiert ist, ein feiger Angriff auf die jüdische Gemeinde, der am Ende zwei nichtjüdischen Menschen, Jana und Kevin, das Leben gekostet hat.“ Man dürfe bei diesen Themen nicht länger gleichgültig sein, betonte Hezel. „Wir müssen als deutsche Zivilgesellschaft und als Christen unseren Stand an der Seite Israels und an der Seite der jüdischen Menschen hier im Land finden und einnehmen.“