Die „Real Life Guys“, hinter diesem Namen stecken Johannes und Philipp Mickenbecker. In ihren YouTube-Videos widmen sich die 23-jährigen Zwillinge den verrücktesten Projekten, in denen sie beispielsweise selbst ein U-Boot oder einen Heißluftballon bauen und ohne Geld nach Afrika trampen. Und: Die beiden sind überzeugte Christen. Der Glaube hilft ihnen durch gute wie schlechte Zeiten: Anfang Oktober gab Philipp bekannt, dass er zum dritten Mal an Krebs erkrankt ist. Kurz zuvor stattete idea-Redakteurin Lydia Schubert den beiden einen Besuch ab.
Ein sonniger Vormittag auf einem Bauernhof im Süden Hessens. Wer den Blick etwas schweifen lässt, sieht von Rasenstreifen gesäumte Getreidefelder, einen sandigen Zufahrtsweg und – ein knallgelbes U-Boot?! Tatsächlich: Von einem Gabelstabler gehalten, schwebt das 1,4 Meter breite Unterwassergefährt knapp über dem Boden einer großen Halle, die wohl einmal als Scheune diente. Jetzt erinnert sie – abgesehen von einem Traktor in der hinteren Ecke – eher an eine Werkstatt als einen landwirtschaftlichen Betrieb. In Regalen und Kisten stapeln sich die verschiedensten Werkzeuge: Schraubenzieher in allen möglichen Größen und Farben, Latten, Schweißgeräte, Hämmer … Passend dazu ist auch der Geruch: Lack statt Landluft. Wo sind wir hier gelandet?
Jeder Tag ist anders
Glücklicherweise sind die Entwickler des U-Boots nicht weit: Philipp und Johannes Mickenbecker. Sie sind auf YouTube unter dem Namen „The Real Life Guys“ vor allem für spektakuläre Erfindungen und Bauten bekannt. Der Bauernhof ihres Onkels Bernd diente ihnen schon für viele ihrer Ideen als Werkstatt und Unterstellplatz. Klar, ein U-Boot oder eine fliegende Badewanne (richtig gelesen, siehe Video vom 15. Januar 2018) lassen sich eben nicht einfach so im Hausflur konstruieren. Vor allem, wenn viele mithelfen – denn bei jedem Projekt werden die Jungs von Freunden unterstützt. Als selbstständige YouTuber sind die beiden auch mal spätabends oder bis 4 Uhr nachts in der Werkstatt. Kein Tag ist wie der andere. Heute etwa musste Philipp bereits kurz nach 6 Uhr kurzfristig ins rund 300 Kilometer entfernte Konstanz fahren, um einen Spezialkleber zu besorgen.
Früher Gastank, heute U-Boot
Bereits jetzt kommt das U-Boot optisch an seine industriell gefertigten Vorbilder heran. Kaum zu glauben, dass die mittlerweile gelb lackierte Kugel bis vor kurzem noch grau und ein Gastank war. Heute finden sich darin Sitzbank, Schalthebel und Schläuche für den Druckausgleich. Viele Teile haben bereits ein „anderes Leben“ hinter sich: Als Beschwerung dienen gusseiserne Klaviergewichte, als Antrieb Außenbordmotoren für Kanus. Immerhin: Die Farbe stammt tatsächlich aus dem Bootsbedarf. Mit 1,3 Tonnen inkl. Fahrwerk ist das U-Boot zwar jetzt schon kein Leichtgewicht – um unterzugehen, braucht es wegen des Auftriebs allerdings noch mehrere hundert Kilo zusätzlich. Und auch der Wasserdruck spielt eine entscheidende Rolle. „Was das angeht, muss unser U-Boot im Prinzip sogar mehr aushalten als ein Raumschiff“, weiß Freund Bleibtreu, der heute für den letzten Anstrich zuständig ist. Nicht jedes Vorhaben der „Real Life Guys“ gelingt immer aus Anhieb. „Aber aus jeder Erfahrung und auch jedem Fehler lernen wir und probieren Dinge so lange aus, bis es klappt“, sagt Bleibtreu. Jedes Projekt ist somit auch ein Zeugnis für funktionierende Teamarbeit, enorme Kreativität – und viel Durchhaltevermögen.
Mit der fliegenden Badewanne zum Bäcker
Die Begeisterung für kreative Aktionen begleitet Johannes und Philipp in gewissem Sinne schon immer. Bis zur vierten Klasse von der Mutter daheim unterrichtet, konnten sie dem „normalen Schülerleben“ danach nicht viel abgewinnen. Den halben Tag damit zuzubringen, möglichst still dazusitzen und wahllos Wissen in sich hineinzustopfen – so ihre Perspektive auf Schule: nutzlos und nervig! Stattdessen widmeten die beiden sich lieber eigenen Projekten, wie der heimischen Naturfotografie. Bereits als 14-Jährige gewannen sie damit auf Anhieb mehrere Jugend- und Schülerpreise. Auch nach ihrem Schulabschluss reichen einige Monate Umweltingenieurswissenschaften an der Universität aus, um ihnen zu zeigen: Lernen um des Lernens oder eines Abschlusses willen ist nicht ihr Ding. Stattdessen begannen sie 2016 – noch als Schüler – damit, eigene Projekte umzusetzen, sich dabei zu filmen und das Ergebnis dann auf YouTube hochzuladen. Ob Floß, Baumhaus und Seilbahn, alles selbst gebaut versteht sich. Das Interesse der Zuschauer war schnell geweckt. Ihr knapp vierminütiger Clip „Amphibienbadewanne DIY“, der nur vier Monate nach dem Start erschien, erreichte bis heute über zehn Millionen Aufrufe. Mittlerweile erreichen die Zwillinge 1,2 Millionen Abonnenten, waren mit ihren Freunden schon auf mehreren Kontinenten unterwegs, durften in einem Baumarkt eine Achterbahn mit Looping errichten, und ihr eigenes Haus ziert eine Wasserrutsche aus 30 Badewannen. Zugleich sind ihre Projekte und Videos – von denen sie mittlerweile leben können – ein klares Signal an viele junge Menschen von heute: Lebt eure Träume, denn das echte Leben ist so viel spannender als Social Media und Co.
Gottvertrauen trotz Rückschlägen
So außergewöhnlich und aufwendig die Projekte auch sind, mittlerweile spielt ein anderes Thema im Leben der Zwillinge die wichtigste Rolle – der christliche Glaube. In einem theologisch konservativen Elternhaus aufgewachsen, konnten sie dem zunächst lange Zeit nichts abgewinnen. „Damals hab’ ich wirklich gedacht, dass ein Leben mit Gott extrem langweilig ist und absolut keinen Spaß macht“, erinnert sich Philipp. Doch mit 16 Jahren erkrankte er an Krebs, der zwar zunächst erfolgreich behandelt wurde, doch wenige Jahre später wiederkehrte. Im Krankenhaus betete der heute 23-Jährige um Heilung ohne Chemotherapie und dass Gott ihm ein Zeichen – nämlich Feuer vom Himmel – schicken möge. „Und das Verrückte ist: Es sind auch beide Sachen passiert.“ Johannes wiederum suchte nach dem Buddhismus oder den Zeugen Jehovas schließlich in der Bibel Antworten auf die Fragen, die ihn bewegen – mit Erfolg. Auch als ihre damals 18-jährige Schwester Elli 2018 nur drei Tage nach Philipps Entscheidung für Jesus bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, schenkte der Glaube Halt, Trost und neue Hoffnung. Mittlerweile besuchen die beiden regelmäßig eine freikirchliche Gemeinde und wissen nun, was ein Leben in Fülle wirklich bedeutet – und dass keine Klippe, kein U-Boot oder 50 Millionen Abonnenten auf YouTube geben können, was Gott geben kann. Selbst was ihre Projekte angeht, stehen die Zwillinge darum immer in Kontakt mit „ganz oben“. Schon oft standen sie morgens vor einem Berg an Aufgaben – und gingen dann erst mal zwei Stunden mit ihren Freunden in Gebetsgemeinschaft. „Und wir haben gemerkt: Gott hilft wirklich mit.“ Ein Beispiel sind die Baggerketten, die das U-Boot auf den bzw. vom Anhänger ziehen. Bei 4.000 Euro und 3 Monaten Lieferzeit hätten die Angebote im Internet gelegen. „Wir haben dann gebetet: Gott, wenn du willst, dass wir das Projekt machen, kannst du uns dabei helfen“, so Johannes. Dass sich kurz darauf über den Freund eines Freundes ein Bagger findet, dessen Ketten in genau dem gesuchten Maß die Jungs für gerade einmal 700 Euro bekommen können, ist für sie darum kein Zufall. „Wir haben nur gedacht: Wie krass ist Gott?“
Auch Gott hat „Bock auf Abenteuer“
Doch zurück zur Werkstatt: Hier soll die gelbe Metallkugel heute an ihrer Vorderseite ein Sichtfenster erhalten. Was nach einem relativ unkomplizierten Arbeitsschritt klingt, hat es in sich, denn die Konstruktion muss den Druck von bis zu 1.000 Metern Tiefe aushalten können. Schnell werden noch ein paar Aufnahmen gemacht – dann ist endlich Mittagspause angesagt. Klar, dass auch beim Essen mit ihren Freunden und Mitarbeitern Bleibtreu und Julius schon die nächste Aktion geplant wird. Zuvor steht aber erst mal noch ein weiteres und relativ junges Herzensanliegen der beiden auf dem Programm. Gemeinsam mit dem befreundeten Beststellerautor und Abenteurer Christopher Schacht („Mit 50 Euro um die Welt“) haben sie einen neuen christlichen YouTube-Kanal namens „LIFE LION“ gegründet, auf dem sie die Geschichten weitergeben wollen, wie Gott in ihr Leben eingreift. Aktuell planen die Zwillinge und Christopher dafür sogar eine Reise durch Jordanien und den Irak bis nach Israel. „Wir haben ja immer schon versucht, eine gute Botschaft mit unseren Videos rüberzubringen. Aber jetzt ist es mir noch wichtiger geworden, auch auf unseren Glauben aufmerksam zu machen“, erklärt Johannes. Ihre Zuschauer wollen etwa oft wissen, wie sie mit dem Tod ihrer Schwester umgegangen sind oder warum wir in den Videos so viel Freude ausstrahlen. Über ihre Befürchtung, dass Christsein Langeweile bedeutet, können die beiden inzwischen jedenfalls nur noch lächeln. „Gott ist einer, der Bock auf Abenteuer hat und auch bei so verrückten Aktionen mithilft, wie wir sie starten“, ist Philipp vielmehr überzeugt. „Ich find es mega cool, dass er uns nicht einengt und irgendwelche Regeln gibt, die keinen Sinn machen oder uns einschränken, sondern genau das Gegenteil. Und das wollen wir auf unserem neuen Kanal zeigen: wie Gott uns im Alltag hilft und dass er ein richtig cooler Gott ist.”
Mehr über Johannes und Philipp Mickenbecker erfährt man auch in der fünften Folge des Interview-Podcasts „ideaListen“, in der idea-Videoserie Königskinder sowie in dem Buch „Meine Real Life Story“ (adeo, 2020).