(“Adventisten heute”-Aktuell, 25.7.2014) Die Fußball-WM hat Deutschland wieder ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer beschert. Fast zwei Drittel der Deutschen (62 Prozent) glauben, dass der Stolz der Bürger auf ihr Land durch die WM zunehmen wird, so das Ergebnis einer Emnid-Umfrage. Ist Patriotismus auch bei Christen möglich? Dürfen wir stolz auf Deutschland sein?
PRO
Ja, auch auf dem Auto eines Christen darf während der WM die deutsche Fahne wehen – neben dem Fisch-Aufkleber. Es stört mich nicht, wenn Jungen und Mädchen zum Kindergottesdienst in Deutschlandtrikots kommen. In den letzten Wochen war es nicht zu übersehen: Auch Christinnen und Christen sind stolz auf Thomas Müller und Manuel Neuer, sie sind stolz auf ihre Heimat Deutschland. Und gleichzeitig wissen wir als Christen, dass wir das Geschenk, ein erfolgreiches und – was noch wichtiger ist – sicheres Heimatland zu haben, nicht uns selbst verdanken.
Wenn ich an einen lebendigen Gott glaube, dann halte ich es nicht für Zufall, dass ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin und hier lebe. Meine Heimat ist für mich Gabe und Aufgabe zugleich. Stolz bin ich auf vieles: Wir leben in einer Demokratie, es gibt eine große Rechtssicherheit, als Christ werde ich nicht verfolgt. Stolz bin ich auf unsere Region im Nordosten, in der viele Menschen trotz entmutigender Umstände für ein gutes gemeinsames Leben arbeiten. Nur wenn ich mein Land liebe, engagiere ich mich guten Mutes dafür, das zu ändern, was mich nicht stolz macht: eine zunehmende Kälte gegenüber Familien, Kinderarmut oder unseren Umgang mit Flüchtlingen. Ich weiß auch um die Schattenseite in der deutschen Geschichte und setze mich deswegen dafür ein, dass z.B. nie wieder ein solches Unrecht von Deutschland ausgeht wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Aber nur wenn ich für die Platzanweisung Gottes in meinem Heimatland dankbar bin, kann ich Menschen aus anderen Ländern zugestehen, ebenfalls ihre Nation zu lieben. Dann freuen wir uns über die Vielfalt der Schöpfung Gottes und werden nicht als Angehörige verschiedener Völker aufeinander herabsehen.
Der Autor, Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald), ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
KONTRA
“Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall” (Sprüche 16,18). So lautete die Losung des letzten Sonntags. Wie viele andere biblische Texte beinhaltet dieser Vers eine Warnung. Jedes stolze Volk ist aus biblischer Sicht besonders gefährdet. Und die deutsche Geschichte zeigt, dass vor den beiden Weltkriegen der Stolz auf das eigene Volk sehr groß war.
Stolze Nationen überschätzen sich oft und sind nur selten fähig, Anliegen der Völkergemeinschaft wahrzunehmen. Wer stolz auf Deutschland und seine Wirtschaft ist, kann oft nicht verstehen, warum andere Nationen sich nicht auch mehr Wohlstand erarbeiten können. Menschen aus anderen Ländern, die aus wirtschaftlichen Gründen hierherkommen, sind deshalb nicht willkommen; umgekehrt beträgt die deutsche Entwicklungshilfe nicht einmal 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Was heißt das für den Stolz auf Deutschland zum Beispiel bei der Fußballweltmeisterschaft? Dürfen wir uns nicht doch ein bisschen freuen? Aber ja! Jedenfalls wenn die Leistung der Kontrahenten auch gewürdigt wird. Und wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass der Erfolg der deutschen Mannschaft auch das Ergebnis der Einwanderung aus anderen Ländern ist.
Im Fußball wird immer wieder deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel der Menschen aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen ist. Da erübrigt sich der Stolz auf das rein Deutsche ganz von selbst! Wenn Stolz vor allem die Zufriedenheit mit sich selbst und den eigenen Fähigkeiten ist, kann er den Erfolg sogar verhindern und Schaden anrichten. Deshalb warnt die Bibel an vielen Stellen vor dem Stolz von Menschen und Völkern. Und das ist gut so.
Der Autor, Rolf Zwick, ist Leiter des evangelischen Jugendzentrums Weigle-Haus in Essen und Vorsitzender der Micha-Initiative Deutschland, der Kampagne der Evangelischen Allianz gegen extreme Armut und für globale Gerechtigkeit. (idea)