Nach 17 Jahren Übersetzungsarbeit erscheint die „BasisBibel“ erstmals in vollständiger Übersetzung. Sie soll Lust dazu machen, mit dem Bibellesen anzufangen, sagt der Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft, Christoph Rösel. Mit ihm sprach IDEA-Reporter Karsten Huhn.
IDEA: Herr Rösel, schon wieder kommt eine neue Bibelübersetzung auf den Markt – hört das denn nie auf?
Rösel: In Deutschland gibt es sehr viele Bibelübersetzungen. Nach Englisch dürfte Deutsch die Sprache mit den meisten Bibelübersetzungen sein. Neue Übersetzungen brauchen ein besonderes Profil – und genau das bietet die BasisBibel.
IDEA: Sie bewerben die BasisBibel damit, dass sie sich „in besonderer Weise durch ihre Verständlichkeit und Zuverlässigkeit“ auszeichne. Tun das andere Übersetzungen nicht?
Rösel: Grundsätzlich haben Bibelübersetzungen in Deutschland eine hohe Qualität. Die BasisBibel richtet sich vor allem an jüngere Leute. Unser Ziel war es, dass man den Urtext wiedererkennt und der Text gleichzeitig sofort verständlich ist. Da gehen wir neue Wege, besonders durch die kurzen Sätze. Zugleich haben wir tragende theologische Begriffe wie Glaube, Gerechtigkeit, Sünde und Gnade erhalten und erklären sie in einer Randspalte oder in den digitalen Ausgaben über einen Link.
IDEA: An der Übersetzung waren 40 Experten beteiligt. Kommt man sich da nicht in die Quere?
Rösel: Nicht alle waren ständig direkt an der Übersetzung beteiligt, manche waren auch in der germanistischen Redaktion oder der fachlichen Prüfung mit dabei. Aber es braucht natürlich Abstimmungen und Leitlinien, nach denen sich alle richten: 1. Kein Satz soll länger als 16 Wörter sein. 2. Jeder Hauptsatz soll maximal einen Nebensatz haben. 3. Wir verzichten auf Fremdwörter. Und dann haben wir gemeinsam um die besten Formulierungen gerungen.
IDEA: Welcher Autor der Bibel ist besonders schwer zu übersetzen?
Rösel: Im Alten Testament das Buch Hiob, im Neuen Testament die Paulus-Briefe aufgrund ihrer theologischen Dichte …
IDEA: … Paulus liebte Schachtelsätze.
Rösel: Genau. Die Bibel bietet sehr unterschiedliche Textsorten. Auch die Poesie der Psalmen in der deutschen Sprache zu erhalten war eine Herausforderung.
IDEA: Die berühmte Stelle im Römer-Brief 3,28, die Luther mit „allein durch den Glauben“ wiedergibt, übersetzt die BasisBibel so: „Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch allein aufgrund des Glaubens gerecht ist – unabhängig davon, ob er das Gesetz befolgt.“
Rösel: Diese Stelle zeigt unser Vorgehen sehr schön: Die tragenden Begriffe – Glaube und Gesetz – kommen darin vor. Das ist ein Unterschied zu manchen anderen modernen Übersetzungen, die „Glaube“ etwa mit „Vertrauen“ wiedergeben. Außerdem haben wir die Sätze neu strukturiert, um die Informationen Schritt für Schritt zu vermitteln, so dass sie vom Leser einfacher aufgenommen werden können. Deshalb haben wir die „Gesetzeswerke“, die bei Luther in der Mitte des Verses stehen, ans Ende sortiert.
IDEA: Auch das Vaterunser haben Sie verändert. Dort heißt es jetzt: „Dein Reich soll kommen. Dein Wille soll geschehen – wie er im Himmel geschieht, so soll er auch auf der Erde Wirklichkeit werden.“
Rösel: Natürlich ist das Vaterunser durch den liturgischen Gebrauch besonders geprägt. Aber in keiner Bibelübersetzung findet man es wortwörtlich so, wie es im Gottesdienst gesprochen wird. Von daher haben auch wir uns die Freiheit genommen, eine Übersetzung anzubieten, die von der liturgischen Form abweicht. Natürlich rechne ich nicht damit, dass im Gottesdienst das Vaterunser künftig nach der BasisBibel gebetet wird oder der Aaronitische Segen nach unserer Übersetzung erfolgt.
IDEA: Die BasisBibel erscheint gleich in zwei Varianten „Die Kompakte“ und „Die Komfortable“. Warum gleich zwei?
Rösel: Die „Komfortable“ ist deutlich umfangreicher, weil sie den Bibeltext in Sinnzeilen gliedert, so dass sich der Text wie ein Gedicht liest. Durch dieses Verfahren ist der Text besser lesbar, etwa beim Vorlesen im Gottesdienst. Das braucht aber viel Platz, weshalb diese Bibel auch deutlich teurer ist.
IDEA: Besonders handlich ist die „Komfortable“ nicht: Sie ist fast 3.000 Seiten dick und schwer wie ein Ziegelstein.
Rösel: Das stimmt. Komfortabel ist die Bibel vor allem fürs Lesen. Um sie mit auf Reisen zu nehmen, braucht es schon eine besonders große Überzeugung. Und es war uns klar, dass wir auch eine günstigere Bibel anbieten müssen. In der „Kompakten“ ist der Bibeltext wie in anderen Übersetzungen ohne Sinnzeilen gesetzt, das spart Platz, und die Bibel liest sich wie ein Roman. Im 5er-Pack kostet „Die Kompakte“ 75 Euro, also pro Bibel nur 15 Euro – das ist eine Menge Buch, was man für diesen Preis bekommt.
IDEA: Klingt nach einem Schnäppchen!
Rösel: Vom Preis-Leistungs-Verhältnis her sind alle Bibeln sensationell günstig: Viele andere Bücher verwenden dickeres Papier, um voluminöser zu erscheinen – obwohl vielleicht nicht so viel Inhalt drin ist. Die meisten Bibeln verwenden dagegen besonders dünnes Papier, um den ganzen Inhalt unters Volk zu bekommen.
IDEA: Für den kirchlichen Gebrauch empfiehlt der Rat der EKD die Lutherbibel. Die BasisBibel sei eine Ergänzung „insbesondere zur Erstbegegnung mit der Bibel“, etwa zur Arbeit mit Kindern, Konfirmanden und Jugendlichen.
Rösel: Die Idee zur BasisBibel ist 2002 aus Gesprächen mit Jugendmitarbeitern entstanden. Es wurde deutlich, dass es eine Bibel braucht, die näher an der Sprache junger Leute dran ist als die Lutherbibel. Die Lutherbibel ist eher etwas für Fortgeschrittene, die BasisBibel eher für Einsteiger. Als wir vorab das Neue Testament der BasisBibel veröffentlichten, hat sich aber gezeigt, dass alle Generationen gerne zu dieser Übersetzung greifen. Beim Fernsehgottesdienst zur letzten EKD-Synode hat zum Beispiel der Berliner Bischof Christian Stäblein über Römer 8 gepredigt und dabei aus der BasisBibel gelesen.
IDEA: Skandalös!
Rösel: Ich denke, das war kein Zufall. Gerade bei komplizierten Bibeltexten – etwa Paulus‘ Römer-Brief – suchen auch geübte Bibelleser eine bessere Verständlichkeit.
IDEA: Stirbt die Lutherbibel mit der Zeit aus?
Rösel: Nein, ganz bestimmt nicht. Über die Lutherbibel schwärmten früher manche, dass sie das einigende Band des Protestantismus sei. Damit wird sie in ihrer Bedeutung heute vermutlich etwas überhöht, aber es ist nach wie vor die Luther-Übersetzung, die die größte Sprachkraft aufweist und in ihrer Wirkungsgeschichte von keiner anderen Übersetzung eingeholt wurde. Goethe, Schiller und viele andere Schriftsteller spielen in ihren Werken auf die Lutherbibel an, das haben andere Übersetzungen nie geschafft. Ohne dass sie es wissen, verwenden viele Menschen geflügelte Worte aus der Lutherbibel.
IDEA: Viele Deutsche lesen die Lutherbibel vielleicht noch im Konfirmandenunterricht – und danach nimmermehr.
Rösel: Das ist keine neue Sache. Diese Beobachtung gilt seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten.
IDEA: Die BasisBibel ist ein klassisches Geschenkebuch: Sie wird verpackt, verschenkt – und verstaubt danach ungelesen.
Rösel: Das ist das Schicksal mancher Bibeln. Ich gehe manchmal ins Antiquariat und schaue dort immer auch nach Bibelausgaben. Dort findet man mitunter Bibeln, die zur Hochzeit verschenkt wurden, und man sieht ihnen an: Sie wurden niemals aufgeschlagen. Trotzdem rate ich dazu, Bibeln zu verschenken. Es ist ein Angebot, das die Chance eröffnet, irgendwann genutzt zu werden.
IDEA: Viele Menschen sagen von sich: „Ich lese nicht gern.“ Was empfehlen Sie denen?
Rösel: Für Menschen, die die Bibel nicht gewohnt sind oder die nicht gerne lesen, ist die BasisBibel mit ihren kurzen Sätzen genau das Richtige. Ich würde in diesen Fällen auch nicht gleich die komplette Bibel empfehlen, sondern die „BasisBibel-Auslese“ mit 40 ausgewählten Lesetexten, darunter sind etwa die Erschaffung der Welt, Israels Auszug aus Ägypten und die Weihnachtsgeschichte. Die Aufgabe, Freude an der Bibel zu wecken, kann eine Übersetzung auch nicht allein lösen. Dazu braucht es Menschen, die von der Botschaft der Bibel überzeugt sind und andere dazu einladen, mit ihnen die Bibel zu lesen.
IDEA: Um die Leser neugierig zu machen, enthält die BasisBibel in der Kompaktausgabe „10 Tipps, wie man gut leben kann“. Tipp 10 lautet etwas flapsig: „Du darfst alles“. Dahinter steckt die Stelle im 1. Korintherbrief 6,12: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“
Rösel: Wir haben so übersetzt: „Ihr sagt: ‚Ich darf alles!‘ – Aber das heißt doch nicht, dass auch alles gut für euch ist.“ Die 10 Tipps sollen neugierig machen und die Leute dazu bringen, die Bibel mal aufzuschlagen. Auch mit „Die 10 schönsten Gebete“ und die „10 verrücktesten Geschichten der Bibel“ wollen wir Lust dazu machen, mit dem Bibellesen anzufangen. Die Bibel enthält Tiefgründiges und Poetisches, aber eben auch Skurriles. Es lohnt sich, das alles kennenzulernen.
IDEA: Für Erstleser haben Sie die Bibel in vier Schwierigkeitsgrade kategorisiert: Die Apostelgeschichte ist zum Beispiel leicht zu verstehen, das 3. Buch Mose mit seinen Gesetzestexten und der Prophet Hesekiel sind dagegen besonders schwer.
Rösel: Wir haben uns gefragt: Was denkt jemand, der die Bibel zum ersten Mal in der Hand hat? Wir wollten den Lesern mit kurzen Inhaltsangaben und den verschiedenen Schwierigkeitsgraden Orientierung geben und Brücken zur Bibel zu bauen. Man muss nicht unbedingt beim 1. Buch Mose anfangen, sondern kann auch in andere Bücher eintauchen.
IDEA: Streng feministische Leser werden den Gender-Stern in Ihrer Übersetzung vermissen. Warum haben Sie darauf verzichtet?
Rösel: Ein Gender-Stern ist in den Urtexten nicht vorgesehen. Diese Fragen zu bedenken, ist Aufgabe der Auslegung biblischer Texte, nicht der Übersetzung.
IDEA: Wir leben in einer digitalen Welt. Wer liest denn heute noch ein Buch?
Rösel: Richtig ist, dass heute weniger Gedrucktes gelesen wird. Deshalb haben wir die BasisBibel nicht nur als Buch, sondern auch für das Lesen am Bildschirm konzipiert, auf der Internetseite www.basisbibel.de oder auf unserer App „Die-Bibel.de“. Unser Digitalangebot mit Links, Videos und Landkarten wollen wir schrittweise ausbauen.
IDEA: Warum heißt die BasisBibel eigentlich BasisBibel?
Rösel: Weil sie eine grundlegende Sprache spricht, die unkompliziert zu verstehen ist. Und weil die Bibel die Basis christlichen Glaubens bildet, passt der Name gut für eine Bibelübersetzung.
IDEA: Kann die BasisBibel eine neue Bibel-Begeisterung auslösen?
Rösel: Sie kann daran mitwirken. Ich fände es eine tolle Sache, wenn sich alle Landeskirchen dazu durchringen könnten, allen Konfirmanden zu Beginn des Konfi-Unterrichts eine BasisBibel zu schenken.
IDEA: Vielen Dank für das Gespräch!
Christoph Rösel (56) ist seit 2014 Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft. Zuvor lehrte er als Professor für Altes Testament an der Evangelischen Hochschule Tabor (Marburg). Rösel ist verheiratet.