Vom 25. bis 29. Mai findet in Erfurt das Christival mit mehr als 10.000 Teilnehmern statt. Es soll junge Christen ermutigen, ein missionarisches Leben zu führen, sagt Projektleiter Chris Pahl. Mit ihm sprach IDEA-Reporter Karsten Huhn.
IDEA: Herr Pahl, das Christival findet zum siebten Mal statt. Was wird diesmal anders sein?
Pahl: Die Ur-Idee hat sich nicht geändert: Wir wollen junge Christen in ihrem Glauben ermutigen und zurück zur Bibel und zu einem missionarischen Leben führen. Geändert hat sich unsere Zielgruppe. Sie ist jünger geworden. Früher richtete sich das Christival vor allem an junge Erwachsene, heute haben wir auch die 14- bis 15-Jährigen im Blick. Ebenfalls geändert haben sich die Methoden: Wir wollen am Puls der Zeit sein und wollen die Formen nutzen, die heute angesagt sind. Wir setzen stark auf Dialog und auf den Einsatz von Multimedia.
IDEA: Das schlichte Bibellesen war gestern, heute wird die Bibelarbeit in der Christival-App so angekündigt: große Screens, satter Sound, Drama“.
Pahl: Wir holen die Jugendlichen da ab, wo sie sind. Natürlich wird bei uns dann auch die Bibel gelesen. Während der vier Tage wird es um den Brief an die Philipper gehen. Wir wollen den Brief erlebbar machen, zum Beispiel durch unser Format Bible Mining.
IDEA: Der Begriff erinnert an den Bergbau.
Pahl: Genau darum geht es: Wir wollen tief schürfen und das Umfeld des Bibeltextes genau untersuchen. Das Schöne am Christival ist: Die Jugendlichen können wählen, welches Angebot am besten zu ihren Interessen passt. Das kann die dialogische Bibelarbeit sein, die multimediale oder eine richtig tief in den Text reingehende.
IDEA: Die Hauptprogrammpunkte heißen Xplore, Spaces und Stages. Was verbirgt sich dahinter?
Pahl: Wir haben extra eine Arbeitsgruppe mit Jugendleitern eingesetzt, die sich mit Wortfindungen in Jugendsprache beschäftigt hat. Da kommen dann solche Sachen bei raus.
IDEA: Für mich klingt das Ergebnis ziemlich cringe*. (* Jugendwort des Jahres 2021. Der englische Begriff bedeutet wörtlich „zusammenzucken“ oder „erschaudern“. Es wird als Ausdruck für etwas Peinliches oder Unangenehmes benutzt.)
Pahl: Ich muss ja nicht jeden Namen gut finden. Xplore kommt von entdecken, also nicht nur konsumieren, sondern selbst aktiv werden. Dahinter verbergen sich unsere Bibelarbeiten am Morgen. Space bedeutet Raum, das sind unsere zehn verschiedenen Themenräume. Dazu zählen Sportangebote, der Bereich Theologie und die Themenwelt mit Jesus im Alltag. Dazu kommen am Abend die Stages, also Bühnen, auf denen Konzerte stattfinden, aber auch Verkündigung.
IDEA: Warum wird nicht gleich das gesamte Christival auf Englisch abgehalten?
Pahl: Wir sprechen Deutsch, aber die Jugendkultur ist stark englisch geprägt. Ich weiß, dass das manche stört, aber mir geht es um die Inhalte. Ob es nun Xplore oder Bibelarbeit heißt, ist mir egal, solange es christuszentriert ist.
IDEA: Wer hätte das gedacht: Hinter „Explore Essentials“ verbirgt sich nichts anderes als der gute alte Jugendgottesdienst!
Pahl: Die Namen sind Marketing. Und wenn wir Jugendlichen durch einen cooleren Namen Lust auf Bibellesen und Gottesdienst machen, ist das doch super.
IDEA: Beim Stöbern in der Christival-App fiel mir ein „Escape-Bus“ auf, in dem man Paulus‘ Gefangenschaft nacherleben kann.
Pahl: Das Projekt ist in Kooperation des Flensunger Hofs und Entschieden für Christus (EC) entstanden und wird seine Premiere auf dem Christival haben. In der Christival-App stellen sich die Teilnehmer ihr Programm zusammen und der Bus ist das erste, was bereits ausgebucht ist. Pro Stunde können zehn Leute in den Bus reingehen. Die Gruppe wird dann eingeschlossen und hat die Aufgabe innerhalb von 60 Minuten gemeinsam Aufgaben zu lösen, um sich wieder zu befreien. Die Rätsel drehen sich rund um den Philipperbrief. Auf spielerische Weise wollen wir so Bibelwissen vermitteln.
IDEA: Erstmals wird es beim Christival kein Programmheft geben: Alle Informationen findet man auf seinem Smartphone.
Pahl: Wir haben uns gesagt, bei einer Jugendveranstaltung im Jahr 2022 braucht es keine dicken Papierbücher mehr, wir machen alles in einer App. Wir sind sehr gespannt, wie das funktioniert. Was ist, wenn alle Akkus leer sind? Es wird auf dem Messegelände genügend Ladestationen geben, damit alle ihr Handy rechtzeitig aufladen können. Die „Powerbanks“ stehen auf unserer Packliste ziemlich weit oben. Aber es gibt auch eine Möglichkeit, ohne Smartphone dabei zu sein und sein Programm vorher im Internet zu wählen.
IDEA: Was gehört noch dazu, damit so eine Großveranstaltung funktioniert?
Pahl: Das Besondere am Christival ist die Zusammenarbeit von 80 Organisationen, darunter sind Landes- und Freikirchen, CVJM, EC, FeG-Jugend und viele mehr. Das macht es anstrengend, es ist aber auch bereichernd. Ich denke öfter mal: Mit einem kleineren Vorbereitungsteam wäre manches einfacher, aber es wäre dann auch nicht so kreativ und vielfältig. Und wir hätten wahrscheinlich deutlich weniger Teilnehmer.
IDEA: An welcher Stelle gab es den größten Diskussionsbedarf?
Pahl: Als wir beschlossen haben, dass die Verpflegung auf dem Christival vegetarisch sein wird. Da wurde sehr angeregt diskutiert. Die einen sagten: Das müssen wir machen, es ist wichtig fürs Klima. Die anderen sagten: Wenn es kein Fleisch gibt, kommen meine Jugendlichen nicht.
IDEA: Welche Lösung haben Sie für die Fleischesser gefunden?
Pahl: Jeder kann sein Fleischbedürfnis stillen, indem er sich außerhalb des Christivals einen Burger, Döner oder seine Currywurst holt.
IDEA: Ich dachte, in der Vorbereitung diskutieren Sie tiefschürfende theologische Fragen über Himmel und Hölle, Erlösung und Verdammnis.
Pahl: Bei der Vegetarier-Diskussion konnten wir auch gut miteinander lachen, denn das ist ja nicht heilsentscheidend. Natürlich gehen die Diskussionen zwischen liberalen und konservativen Christen nicht spurlos an uns vorbei. In unseren Arbeitsgruppen sitzen Menschen verschiedener Kirchen und theologischer Ausrichtung. Das harmoniert in vielen Fällen ganz gut, weil man sich um der gemeinsamen Sache willen in Streitfragen zurückhält. An anderen Stellen wird heiß diskutiert, zum Beispiel welchen Sprecher man einlädt – oder eben auch nicht. Jeder hat seine Favoriten und Leute, die er eher schwierig findet. Wenn ich mir die Bandbreite unserer Verkündiger anschaue, finde ich, dass wir eine ganz gute Auswahl getroffen haben.
IDEA: Gibt es heiße Eisen, die Sie aussparen, um sich nicht die Finger daran zu verbrennen?
Pahl: Das Christival hat ja eine Geschichte mit heißen Eisen, und das merken wir in Gesprächen mit der Stadt oder Veranstaltungspartnern …
IDEA: … Sie spielen auf das Christival 2008 in Bremen an. Dort wurde ein Seminar zum Umgang mit Homosexualität angeboten. Es gab dafür nur vier Anmeldungen, sorgte aber in den Medien sowie bei Gegendemonstranten für einen Riesenwirbel.
Pahl: Wenn man im Internet nach „Christival“ sucht, findet man immer noch Berichte darüber. Deshalb müssen wir immer wieder erklären, worum es damals ging und wofür wir stehen. Wir betonen immer wieder: Unser Hauptthemen sind Bibel, Leben als Christ und Jesus Christus. Ethische Themen sind uns wichtig, aber wir haben aus den Bremer Erfahrungen gelernt, dass das Christival für gesellschaftlich heiß diskutierte Fragen der Sexualethik den Teilnehmern keinen Schutzraum bieten kann. Deshalb haben wir uns entschlossen, sie nicht mehr aufs Programm zu setzen. Es gibt beim Christival aber Möglichkeiten, wo Jugendliche darüber reden können, etwa in der Seelsorge. Wenn Jugendliche das Thema einbringen, werden wir es nicht abwürgen.
IDEA: Sexualität ist für Jugendliche ein Top-Thema.
Pahl: Ich habe selbst jahrelang Jugendarbeit gemacht und oft darüber gesprochen. Wir müssen darüber reden – aber in einem geschützten Rahmen.
IDEA: Sie rechnen mit 10.000 Teilnehmern. Das ist deutlich weniger als vor zehn Jahren. Liegt das nur am Coronavirus?
Pahl: Die Frage ist, wie man rechnet. In Karlsruhe gab es 8.000 Dauerteilnehmer, plus 2.500 Mitarbeitende sowie 2.500 Tagestickets. Das macht in der Summe 13.000. Für Erfurt rechnen wir Stand heute mit 8.500 Dauerteilnehmern, plus 2.000 Mitarbeiter. Wie viel Tagestickets wir verkaufen werden, wissen wir noch nicht, aber insgesamt sollten es sicher über 10.000 Teilnehmer sein. Entscheidend sind für mich die Dauerteilnehmer, und da liegen wir über der Zahl von Karlsruhe.
IDEA: Welche Vorteile bietet ein Megafestival gegenüber einer kleinen Jugendgruppe?
Pahl: Man kann über den Tellerrand schauen und trifft auf andere Formen, Musik zu machen, zu feiern oder zu beten. Man lernt eine Vielfalt von Menschen, Themen und Musikstilen kennen. Ganz wichtig ist auch die Erfahrung: In meiner Klasse bin ich vielleicht der einzige, der an Jesus glaubt, aber hier stehe ich mit 10.000 anderen jungen Christen. Ich bin nicht allein, ich kann etwas bewegen.
IDEA: Gibt es auch Nachteile?
Pahl: Der Nachteil ist, dass es ein Event ist, das nach fünf Tagen vorbei ist. Der Effekt kann schnell verpuffen. Deshalb ist es so wichtig, dass danach die Impulse in der Jugendgruppe weitergelebt werden. Nur so kann das Christival nachhaltig wirken.
IDEA: Wenn ich nicht etwas übersehen habe, ist das Christival die erste christliche Großveranstaltung seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Welche Sicherheitsvorkehrungen treffen Sie?
Pahl: Ich hatte gerade noch mal ein Gespräch mit dem Erfurter Gesundheitsamt: Außer den ohnehin geltenden Hygieneregeln liegen keine Auflagen vor. Wir haben im Vorstand noch nicht entschieden, ob es in Innenräumen eine Maskenpflicht geben soll. Wir empfehlen den Teilnehmern, sich testen zu lassen, verlangen aber keinen Nachweis darüber.
IDEA: Ist das großes Gottvertrauen oder Leichtsinn?
Pahl: Zuerst: Wir sind wirklich dankbar, dass das Christival stattfinden kann. Diese Chance wollen wir nutzen. Viele Jugendliche hatten in den letzten zwei Jahren eine schwere Zeit. Manche sind gut durch die Zeit gekommen, aber andere haben an den Kontaktbeschränkungen gelitten. Es gab keine Konzerte, kaum Freizeiten und Jugendgruppen oft nur noch online. Die Zahl seelischer Probleme hat spürbar zugenommen. Jetzt wollen wir den Jugendlichen ermöglichen, wieder zusammen zu feiern und Zeit mit Gott zu verbringen. Gleichzeitig bleiben wir vorsichtig und nehmen das Coronavirus weiter ernst.
IDEA: Für Jugendliche, die noch nicht angemeldet sind: Welche drei Gründe gibt es teilzunehmen?
Pahl: 1. Das Christival findet nur alle sechs Jahre statt – und diese Chance ist jetzt. 2. Es kommen die O’Bros, Jana Highholder, die Outbreakband und viele andere Künstler und Influencer. Bei uns kannst du sie alle live erleben. 3. Komm mit deiner Jugendgruppe! Das Christival erlebt man am besten in Gemeinschaft.
IDEA: Vielen Dank für das Gespräch!
Christival 22
Das Christival ist ein christliches Jugendfestival, das von 80 Werken und Organisationen, darunter evangelische Landes- und Freikirchen, getragen wird. Schirmherr ist der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Zum Kuratorium gehört neben anderen die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Die Veranstaltung findet alle sechs bis acht Jahre statt. Das Budget des Festivals liegt bei etwa 3,1 Millionen Euro.