Teile der Ukraine liegen in Schutt und Asche. Doch der Baptistenpastor und Bibelschulleiter Mykola Romaniuk sieht auch kleine Pflänzchen der Hoffnung aufkeimen. Was er trotz Krieg in seinem Heimatland derzeit Positives beobachten kann, hat er IDEA-Redakteurin Erika Gitt bei einem Besuch in Deutschland erzählt.
Mykola Romaniuk ist dankbar: Auf dem Gelände der Bibelschule der Baptisten in Irpin westlich von Kiew wird mit Hochdruck gebaut. Am 20. März 2022 zerstörten 30 Granaten einen Großteil des Gebäudes – ein schwerer Schlag. Doch heute entsteht Neues: Dank Spenden aus den USA konnte das Erdgeschoss wiederhergestellt werden. Das Obergeschoss ist noch nicht nutzbar. „Eigentlich bräuchten wir das zweite Geschoss dringend, um unseren Bedarf zu decken“, erzählt der Bibelschulleiter. 512 junge Menschen lassen sich derzeit theologisch ausbilden – weitere stehen auf der Warteliste. In Friedenszeiten hatten sie rund 800 Studenten: „Wenn man bedenkt, dass rund 18 Millionen Ukrainer geflohen sind, finde ich die aktuelle Studentenzahl sehr beeindruckend.“
Geistlicher Aufbruch – mitten im Krieg
Romaniuk leitet neben der Bibelschule auch eine Gemeinde mit rund 600 Mitgliedern in Irpin – und erlebt trotz der anhaltenden Kriegswirren geistliche Aufbrüche und zahlreiche Bekehrungen. „Überall dort, wo Kirchen sich für Binnenflüchtlinge öffnen, kommen Menschen zum Glauben“, erzählt er. Auch seine eigene Gemeinde wird größer, obwohl viele Mitglieder geflohen sind – aus den Trümmern wächst der Glaube. Die ständige Konfrontation mit dem Tod führt bei vielen Ukrainern zu tiefen Fragen. Die Beerdigungen häufen sich, die Hoffnung schwindet, die Kriegsmüdigkeit nimmt zu, erzählt Romaniuk. Sogar der Gedanke, Gebiete an Russland abzutreten, erscheine manchen mittlerweile attraktiv.
Inmitten dieser existenziellen Fragen suchten nun viele Menschen Trost – und finden sie Romaniuk zufolge in den Kirchen. Früher sei seine Baptistengemeinde als Sekte verspottet worden, heute erlebe sie großen Zuspruch. Geholfen haben dabei die evangelistischen und humanitären Angebote im „Christlichen Lebenszentrum“ auf dem Kirchengelände. Es wird mit Hilfe der deutschen „Mission Ost-West“ betrieben. „Wir haben derzeit so viele Bekehrungen und Taufen wie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr“, berichtet der 52-Jährige bewegt.
Große Ernte – wenige Mitarbeiter
Doch die Entwicklung stellt die aktiven Gemeinden auch vor Herausforderungen. „Wir haben viel zu wenige mündige Christen, die die Neubekehrten anleiten können.“ Daher sei der Auf- und Ausbau der Bibelschule so wichtig. Hier und in anderen Einrichtungen dieser Art würden die Hirten – also die Leiter von morgen – ausgebildet. Den Bedarf an Hauskreisen und anderen geistlichen Angeboten könnten viele Kirchen kaum decken – schon gar nicht, wenn die Hirten geflohen sind.
Fliehen oder bleiben?
Bei diesem Punkt wird es Romaniuk schwer ums Herz: „Menschlich gesehen kann ich das natürlich verstehen – aus geistlicher Sicht weniger. War das Pastorenamt für diese Personen eine Berufung oder ein Beruf?“ Aus seiner Sicht zeigt sich das in genau solchen Momenten. Er habe Mühe, die Argumente der Geflüchteten nachzuvollziehen. „Ich bete, dass Gott mir ein offenes Herz gibt. Eine endgültige Meinung habe ich mir noch nicht gebildet.“
Rückkehrer ersehnt und gefürchtet
Er weiß: Je länger Geflüchtete im Ausland bleiben, desto unwahrscheinlicher wird ihre Rückkehr. Die Distanz wächst – auch innerhalb der Kirchen. „Viele ukrainische Gemeinden bauen derzeit ganz neue Strukturen auf und entwickeln sich weiter.“ Ob und wie sich die Rückkehrer – gerade die Leiter – später in diese Strukturen einbringen können, werde die Zeit zeigen. Eine Hoffnung trägt Romaniuk durch diese ungewisse Zeit: dass die geistliche Erneuerung anhält – auch dann, wenn der Krieg vorbei ist. Und dass sich viele Christen weiterhin mit ganzer Kraft dafür einsetzen, ihre Mitmenschen in der Ukraine mit dem Evangelium zu erreichen.