Die römisch-katholische Deutsche Bischofskonferenz hat in Berlin eine Arbeitshilfe zur Situation der Christen in der Sahel-Region vorgestellt. Die Veröffentlichung ist Teil der „Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit“, deren jährlicher Höhepunkt der Gebetstag der katholischen Kirche am 26. Dezember ist.
Frieden zwischen Christen und Muslimen im Tschad von zentraler Bedeutung
Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte: „Während meines Besuchs im Tschad im Juni dieses Jahres wurde mir die Vielschichtigkeit der Herausforderungen in der Sahel-Region aufgezeigt. Christen und Muslime haben dort traditionell harmonisch zusammengelebt. Dieses gute Miteinander ist durch die Entwicklung der vergangenen Jahre in Gefahr geraten. Die islamistische Terrororganisation Boko Haram destabilisiert die Region immer wieder durch massive Terroranschläge. Die brutale Gewalt richtet sich auch und bevorzugt gegen Kirchen und Vertreter von Religionsgemeinschaften. Dazu kommt eine starke und wachsende Einflussnahme Saudi-Arabiens. In erheblichem Maße hat die Förderung des radikal-wahhabitischen Islam in der Region zu Spannungen zwischen Christen und Muslimen geführt.“ In der Folge würden auch soziale Konflikte, wie die Auseinandersetzung zwischen nomadischen Viehzüchtern und sesshaften Bauern, in gefährlicher Weise religiös aufgeladen. Der Frieden zwischen Christen und Muslimen stelle somit eine zentrale Voraussetzung für die zukunftsorientierte Entwicklung der Region dar.
Ortskirchen in der Sahel-Region als Vermittler und Friedenstifter
Im Pressegespräch in Berlin hob Erzbischof Schick weitere Schwierigkeiten hervor, denen die Christen im Tschad gegenüberstünden: „Im Land leben circa 120 ethnische Gruppen. Der trockene Norden wird mehrheitlich von nomadischen, muslimisch-arabisch geprägten Gruppen dominiert, während im fruchtbaren Süden sesshafte, afrikanisch-christliche Bauern leben. Insgesamt seien 58 Prozent der Gesamtbevölkerung Muslime und 35 Prozent Christen, darunter 18,5 Prozent Katholiken. Insbesondere seit Einführung der IV. Republik am 4. Mai 2018, durch die faktisch die uneingeschränkte Macht des Präsidenten festgeschrieben wurde, hat sich das Verhältnis unter den Religionsgemeinschaften verschlechtert. Grund dafür sind zunehmende Verstöße gegen das laizistische Prinzip zugunsten des Islam.“ Erzbischof Schick unterstrich zugleich, dass die Ortskirchen in der gesamten Sahel-Region gerade im Angesicht der sozialen und politischen Herausforderungen als Vermittler zwischen den Religionen, Friedenstifter und Motoren einer ganzheitlichen Entwicklung den Menschen dienten.
Moscheen vermehren sich im Süden des Tschad „wie Champignons“
Auch der aus dem Tschad zur Vorstellung der Arbeitshilfe angereiste Erzbischof von N’Djamena, Edmond Djitangar, verwies in seinem Beitrag auf die voranschreitende Islamisierung und Arabisierung des Tschad: „Man kann es mit zwei Metaphern zusammenfassen: Im Norden werden zaghaft Kapellen gebaut und im Süden vermehren sich Moscheen wie Champignons, dank der massiven finanziellen Unterstützung der Länder am Persischen Golf.“ Im Angesicht dieser Herausforderung forderte Erzbischof Djitangar: „Die (katholische) Kirche im Tschad muss ihre Identität als Kirchenfamilie Gottes verwirklichen, solidarisch sein mit anderen Konfessionen und sich stets um die ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person bemühen.“ Dabei komme gerade in ländlichen Regionen den kirchlichen Strukturen eine besondere Rolle zu: „Es ist dringend notwendig, eine neue Form der Solidarität unter Muslimen und Christen in den Gemeinden und Pfarreien zu schaffen. Denn die Pfarrei bleibt das Dorf aller und das Leben der Gemeinschaft ist von ihren Aktivitäten und Projekten abhängig“, so Erzbischof Djitangar.
Eine würdevolle Heimat für Christen aller Konfessionen
Der Präsident des Internationalen Katholischen Missionswerks missio in Aachen, Pfarrer Dirk Bingener, würdigte die interreligiösen Friedensaktivitäten der Kirche im Tschad am Beispiel des Kulturzentrums „Al-Mouna“ in N’Djamena. Was im Zentrum „Al-Mouna“ umgesetzt werde, entspreche der tiefen Überzeugung von missio: „Nur gemeinsam können Angehörige aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für eine Verteidigung der menschlichen Würde und für grundlegende Freiheitsrechte der Menschen eintreten. Die Bedeutung von Dialog und Verständigung für die Ausweitung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit greift auch die aktuelle Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz auf.“ Pfarrer Bingener bekräftigte: Christen aller Konfessionen sollten in den verschiedenen Ländern eine geeignete und würdevolle Heimat finden, eine Heimat, in der sie ihren Glauben in Freiheit leben könnten – ohne Angst vor Unterdrückung oder gar Verfolgung.
Arbeitshilfe und Initiative
Die Arbeitshilfe „Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit – Sahel-Region“ gibt einen Überblick über die Situation der Christen in der Sahel-Region, insbesondere im Tschad. Sie erläutert aktuelle Konfliktlinien in den Gesellschaften, analysiert die Hintergründe und lässt Mitglieder der Kirchen vor Ort zu Wort kommen.
Die „Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen“ wurde von den römisch-katholischen deutschen Bischöfen 2003 ins Leben gerufen, um für die Lage bedrohter Christen zu sensibilisieren. Zusätzlich pflegen die Bischöfe mit Solidaritätsreisen den Kontakt zu den unter Druck stehenden Ortskirchen. In Deutschland sucht die Bischofskonferenz auch immer wieder das Gespräch mit Politikern und gesellschaftlichen Akteuren, um auf bedrohliche Entwicklungen hinzuweisen. Jährlicher Höhepunkt der Initiative ist der „Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen“ am 26. Dezember (Stephanustag), der in allen deutschen katholischen Diözesen begangen wird. Die Deutsche Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluss der römisch-katholischen Bischöfe aller (Erz-)Bistümer in Deutschland.