(“Adventisten heute”-Aktuell, 1.8.2014) In ungewöhnlicher Offenheit hat Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über seine Haltung zum christlichen Glauben und seine Erfahrungen in der Politik berichtet. Er sprach am 27. Juli in einer “Bürgerpredigt” in der Marktkirche in Hannover. Wie Schröder sagte, ist er zwar Mitglied der evangelischen Kirche, aber “nicht fest im Glauben”. Der Ex-Kanzler bezeichnete sich als Zweifler und Suchenden. Auch aus diesem Grund habe er bei seiner Vereidigung 1998 und 2002 auf die Formel “So wahr mir Gott helfe” verzichtet. Dennoch sei er überzeugtes Mitglied der Kirche: “Denn es tut gut, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich an einem festen Wertekanon orientiert.”
Seine schwierigsten Entscheidungen
Schröder nahm auch dazu Stellung, wie sich Politik auf die eigene Persönlichkeit auswirkt. Er erinnerte an die Aussage seines Parteifreundes Erhard Eppler: “Politik ist an der Grenze dessen angesiedelt, was Menschen leisten können, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele.” Dazu sagte Schröder, dass diese Grenze gelegentlich überschritten werde: “Meine Seele hat im politischen Leben Schaden genommen – und zwar nicht, weil es um mein persönliches Schicksal ging, sondern weil in meinen Händen das Schicksal und das Leben anderer Menschen lagen.” Als schwierigste Entscheidungen in seinem politischen Leben nannte er die Beteiligung der Bundeswehr an Kampfeinsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Dabei habe er Schuld auf sich geladen, denn es seien Menschen gestorben und verletzt worden. Aber man müsse sich in einer solchen Situation klar-machen, dass auch der, der nicht handele, schuldig werde. Schröder: “Und in diesem Spannungsfeld einer schuldbeladenen Entscheidung kann die Seele Schaden nehmen – sie muss sogar Schaden nehmen.”
Evangelische Allianz lobt Ehrlichkeit Schröders
Der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Wolfgang Baake (Berlin), nahm auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea zu der Kanzelrede Stellung. Er lobte die Offenheit und Ehrlichkeit, die in der Predigt des Altkanzlers zum Ausdruck komme. Baake würdigte ferner die nachträgliche Erklärung, warum Schröder bei seinen beiden Vereidigungen 1998 und 2002 auf die religiöse Formel “So wahr mir Gott helfe” verzichtet habe. Zur Aussage Schröders, dass seine Seele im politischen Leben Schaden genommen habe, stellte der Allianzbeauftragte kritisch fest, dass dies auch in anderen Berufen der Fall sein könne: “Das kann einem Unternehmer, einem Arzt, einer Krankenschwester oder auch einem Pädagogen, ja das kann jedem berufstätigen Menschen passieren.” (idea)