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Wie können wir im 21. Jahrhundert Kirche sein?

("Adventisten heute"-Aktuell, 24.6.2016) Vom 15. bis 17. Juni wurden an der Universität Freiburg/Schweiz die 3. Studientage zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung mit rund 400 Teilnehmenden durchgeführt. Sie standen unter dem Titel "Re-Imagining the church in the 21st Century" (Die Kirche im 21. Jahrhundert neu denken). Veranstaltet wurden sie vom Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft und dem Institut für Ökumenische Studien der Universität Freiburg/Schweiz. Es ging um die Zukunft der Kirche, die Neu-Evangelisierung, um das Verhältnis der Kirche zur Gesellschaft und von Kirche und Mission. Über 20 Referenten und Referentinnen mit anglikanischem, freikirchlichem, reformiertem und römisch-katholischem Hintergrund referierten und diskutierten.

"Jede Organisation startet mit einem Propheten und endet mit einem Polizisten"

Professor Michael Herbst (Greifswald/Deutschland) gab Impulse zur Erneuerung der Kirche und verwies auf Luther, der große Freiheit gelassen habe, Ordnungen in der Kirche anzupassen. Diese seien wandelbar, müssten aber auf Jesus verweisen. Der direkte Zugang jedes Gläubigen zu Gott erlaube ihnen, alle Funktionen auszuüben unter anderem auch zu taufen, so Luther. Wenn dieses "allgemeine Priestertum" angewandt würde, könnten die oft von den Ansprüchen überforderten Pfarrpersonen entlastet werden und die Kirchenmitglieder hätten eine Chance sich zu mehr Mündigkeit zu entwickeln, sagte Professor Herbst. "Jede Organisation startet mit einem Propheten und endet mit einem Polizisten", habe der anglikanische Kardinal Newman einmal gesagt, als er über die Entwicklung auch von kirchlichen Organisationen gesprochen habe, so Professor Herbst.

Volkskirchen, Großkirchen, öffentliche Minderheits- und Missionskirchen

Kirchen entwickelten sich heute zunehmend unübersichtlich und uneinheitlich. Was an einem Ort möglich sei, müsse anderswo nicht auch funktionieren. Diese "Unordentlichkeit" sei auch als Chance in der Entwicklung der Kirchen zu sehen, so Herbst. Zudem seien die fetten Jahre für die Kirchen vorüber. Die Volkskirchen hätten sich zu Großkirchen gewandelt und müssten sich darauf einstellen, öffentliche Minderheits- und Missionskirchen zu werden. Heute werde durch die Kirchenaustritte sichtbar, wer zwar zur Kirche gehört habe, aber nicht davon überzeugt gewesen sei. Letztlich seien es nicht die Christen, welche die Kirche erneuern könnten, sagte Herbst.

Gott, Gebet, Gemeinschaft und Mission

Für Jane Williams, Dozentin für Systematische Theologie (London/England) und Frau des ehemaligen Erzbischofs von Canterbury, sei die Neubelebung der Kirche nur durch die Wiederentdeckung der christlichen Wahrheit möglich. Beim Christsein gehe es primär um Gott, um eine innige Beziehung mit ihm durchs Gebet und das Leben in Gemeinschaft mit andern Christen sowie um Mission, durch die man anderen von Gott erzähle bzw. sein Wesen sichtbar zu machen versuche. Es gehe bei der Kirche nicht um Unterhaltung, Psychotherapie, Sozialarbeit - darin seien die Profis besser - sondern es müsse den Christen um Gott sowie um die Sichtbarmachung und Vermittlung seines Wesens der Liebe gehen. "Wenn die Kirche nicht über Gott spricht, ist es richtig, wenn sie untergeht", so Jane Williams: "God is the interesting thing about religion".

Religionslose Menschen seien sehr wohl daran interessiert, mehr über Gottes Wesen zu erfahren. Man dürfe sich auch nicht scheuen, die Menschen beten zu lernen, weil es im Gebet um die Intimität mit Gott gehe, um Beziehungspflege, die sehr individuell sei. Kirchenleiter, die nicht beteten, sollten abtreten, so Jane Williams, weil ihnen ein wesentliches Element der christlichen Erfahrung fehle. "Wir evangelisieren nicht, um die Gemeinde zu vergrößern, sondern es geht darum, Gott den Menschen darzustellen und bekannt zu machen", sagte die Dozentin. Es gehe nicht darum, in die Kirche zu gehen, sondern darum, Kirche zu sein. Es sei Gott alleine, der die Kirche revitalisieren könne.

Neue Zeugenschaft - Wahrhaftigkeit

Ralph Kunz, Ordinarius für Praktische Theologie (Zürich), machte anhand der jüngsten Missbrauchsskandale durch Kirchenvertreter und dem jahrzehntelangen Vertuschen durch die Kirchenleiter deutlich, dass man sich nicht mit einem neuen Image der Kirche befassen kann, bevor man sich dem Zeugnis und Image der Kirche in der jüngsten und älteren Kirchengeschichte gestellt hat. Die Kirche sei mit ihrem Anspruch, die Liebe Gottes zu verkörpern, gescheitert. Dieses negative Image hafte an allen Christen, so Kunz, und beeinträchtige jedes christliche Zeugnis. Es gehe dabei nicht um die Wahrheit der Kirche, sondern um die Wahrhaftigkeit ihres Zeugnisses. Wenn die Kirche weiterhin Buße verweigere, ihre Schuld nicht eingestehe, blockiere dies ihr Zeugnis in Mission und Evangelisation. Ein neues Image der Kirche könne laut Kunz nur entstehen, wenn die Kirche und deren Vertreter bereit seien, Mitverantwortung für die Schuldgeschichte der Kirche zu übernehmen.

Freikirchliche Modelle von gesellschaftsrelevantem Gemeindebau

In sogenannten Breakoutsessions konnten die Teilnehmenden die Thematik durch Vertiefungsvorträge, Diskussionen, Berichte und Zeugnisse vertiefen. Dabei wurden in einem Workshop freikirchliche Modelle von gesellschaftsrelevantem Gemeindebau in Altorf, Lyss, Thun und Zürich vorgestellt. Bei diesen Projekten versuchen die Initianten durch ganzheitliche Angebote, bei denen auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen wird, der Liebe Gottes Ausdruck zu geben. Dies reicht von familienfreundlichen Begegnungsorten mit Spielecke, Kinderhort, Mittagstisch, Aufgabenhilfe über Sprachkurse für Migranten zu Schuldenberatung und einer Sozialunternehmung für Ausgesteuerte.

Die Referenten waren sich einige, dass es auch mit diesen bedürfnisorientierten Modellen schwierig sei, Kontakte zur weltlichen und übersatten Bevölkerung aufzunehmen. (APD/nsp)

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