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Wie das Fernsehen mit Evangelikalen umgeht (zwei Kommentare)

("Adventisten heute"-Aktuell, 8.8.2014) Die ARD stellt die Frommen unter Generalverdacht. Das sollten sich die Gebührenzahler nicht bieten lassen, meint idea-Redaktionsleiter Wolfgang Polzer.


Die ARD hat sich mit ihrem Fernsehfilm "Mission unter falscher Flagge - Radikale Christen in Deutschland" (4. August, 22.40 Uhr) ein journalistisches Armutszeugnis ausgestellt. Das 45-minütige Werk von Mareike Fuchs und Sinje Stadtlich verdient die Bezeichnung "Dokumentation" nicht. Vielmehr erwecken die Autorinnen den Eindruck, dass sie sich von ihrer Arbeitsthese "Evangelikale sind gefährlich" auch durch ihre Recherche nicht abbringen lassen wollten.

Aussteiger auch im Schützenverein

Die NDR-Sendung sahen knapp 1,5 Millionen Zuschauer. Obwohl in der Ankündigung von einem "breiten Spektrum verschiedenster Glaubensgemeinden" unter den rund 1,3 Millionen Evangelikalen aus deutschen Landes-und Freikirchen die Rede war, beschränkte sich der Film auf wenige charismatische und pfingstkirchliche Organisationen am Rand der evangelikalen Bewegung. Als Kronzeugen dienten vor allem einzelne anonym zitierte Aussteiger. Aussagekräftig für einen breiten geistlichen Machtmissbrauch kann das wahrlich nicht sein. Unzufriedene Aussteiger kennen auch viele Schützenvereine, Freiwillige Feuerwehren oder politische Parteien. Und seit wann sollte es gefährlich sein, an "die Unfehlbarkeit der Bibel, an Jesus Christus als Gottes Sohn und manchmal auch an Wunderheilungen" zu glauben, wie es in der Ankündigung der Sendung hieß? Mission ist in unserem Land nicht verboten. Zumal viele andere Organisationen, Menschen für ihre Sache zu gewinnen suchen - etwa Parteien im Wahlkampf. Niemand käme auf die Idee, das als gefährlich zu deklarieren.

Ist Mission verboten?

Zudem enthielt die Sendung offensichtliche Widersprüche. So zeigte der Film Scharen fröhlicher junger Christen in den angeprangerten charismatischen und pfingstkirchlichen Gemeinden, die begeistert vom Glauben an Jesus sprachen und friedlich für ihn warben - und das sollen gefährliche "Fundamentalisten" sein? Einem Missionswerk, das in Berlin unter benachteiligten Kindern arbeitet, wurde vorgeworfen, Mission zu betreiben. Ein Stadtrat beklagte, dass er gegen die Organisation nicht vorgehen könne, weil sie kein Sozialwerk sei. Aber dann ist doch der Vorwurf hinfällig, das Werk betreibe Mission unter einem Deckmantel. Auch den Griff in die Konservendose scheuten die Autorinnen nicht. Sie wärmten einen Bericht des TV-Magazins "Panorama" vom Mai auf. Darin berichtete der nach eigenen Angaben homosexuelle Journalist Christian Deker (Hamburg), wie er sich in einer Pfingstgemeinde als Hilfesuchender ausgegeben habe und ihn ein Arzt später angeblich von seinem Schwulsein heilen wollte.

Wo bleibt der Protest?

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Pfarrer Michael Diener (Kassel), hat Recht: Hier wurden die Evangelikalen unter Generalverdacht gestellt. Die Allermeisten sind über jeden Verdacht erhaben, extreme Glaubenspraktiken oder geistlichen Missbrauch auszuüben. Vielmehr bilden sie die engagierte Basis auch der etablierten Kirchengemeinden. Jedenfalls ist ein solcher Fernsehbeitrag, der sich auf Extreme beschränkt, einer Anstalt wie der ARD nicht angemessen. Die Gebührenzahler sollten ihn nicht widerspruchslos hinnehmen. Der Allianzvorsitzende: "Wir erwarten von Fernsehbeiträgen gerade öffentlich-rechtlicher Sender, dass sie sich um ein differenziertes Bild auch der Evangelikalen bemühen und nicht einseitig nur auf teils durchaus negativ zu betrachtende Erscheinungen hinweisen." (idea)



Allianzvorsitzender Michael Diener: Vieles geht durcheinander



Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Michael Diener (Kassel), äußerte sich auf idea-Anfrage zu der Fernsehdokumentation. Sie mache deutlich, wie sehr säkulare und christliche Weltbilder auseinander klaffen und wie groß das Unverständnis sei für alle Glaubens- und Gottesdienstformen oder religiösen Kundgebungen, die nicht durch eine klassische kirchliche Praxis legitimiert seien. In dem Film gehe Vieles durcheinander: Direkte Beziehungen zur Deutschen Evangelischen Allianz oder zu einer Ortsallianz stünden neben Gruppen, die in keinem Verhältnis zur Allianz stünden. Diener bedauert, dass kritische Stellungnahmen durchweg anonymisiert seien und sich nachprüfbare Fakten und Behauptungen auf undurchschaubare Weise abwechselten. In seinem Fazit differenziere der Film zwischen Evangelikalen und radikalen Auswüchsen an ihren Rändern.

Öffentlich-rechtliche Sender sollten differenzieren

Dieses Fazit könne er mittragen, doch stellten die beiden Filmtitel wie auch die Zusammenstellung der einzelnen Filmsequenzen evangelikale Christen unter einen Generalverdacht. Diener: "Das kann und darf in dieser Weise nicht geschehen."
Wie Diener ferner betonte, soll christlicher Glaube befreien und nicht in die Abhängigkeit führen. Christliche Gemeinden und Gruppen müssten immer wieder überprüfen, ob die Erlebnisdimension des Glaubens überbetont werde oder die Gefahr der Manipulation von Menschen bestehe. Die Allianz sei dankbar für das Glaubensprofil charismatischer und pfingstlicher Gemeinden, aber an dieser Stelle sei besondere Vorsicht geboten.

Manches unangebracht

Diener: "Durch Handzeichen eine Heilung von einer Depression anzuzeigen, ist ebenso unseriös wie die Aufforderung, Spendengelder für alle sichtbar hochzuhalten. Auch schriftliche Beichtspiegel, die weit in die Intimsphäre eines Menschen eingreifen, halte ich für unangebracht. Evangelische und christliche Beichte insgesamt sehen anders aus." Es sei nicht verkehrt, aufzeigen zu lassen, "wie unsere Veranstaltungen auf säkulare Besucher wirken können".
Die Deutsche Evangelische Allianz stelle sich ausdrücklich hinter die Mitglieder ihres Hauptvorstandes und werde darauf hinwirken, dass eventuelle substantielle Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden. Diener: "Wir erwarten von Fernsehbeiträgen gerade öffentlich-rechtlicher Sender, dass sie sich um ein differenziertes Bild auch der Evangelikalen bemühen und nicht einseitig nur auf teils durchaus negativ zu betrachtende Erscheinungen hinweisen." (idea)



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