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Pro und Kontra: Verfehlt die Kirche ihren Auftrag?

Macht Kirche Gott sichtbar, oder zeigt sie sich selbst; sieht sie die Menschen? Was ist eigentlich ihre Aufgabe? (Foto: Plakat Evangelischer Kirchentag 2017)

Eine Umfrage im Auftrag von idea hat ergeben, dass mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) angibt, „nichts von der Kirche“ zu erwarten. 43 Prozent wünschen sich, dass die Kirche sich sozial engagiert. Nur 21 Prozent vertrauen darauf, dass sie „den Zugang zu Gott eröffnet“. Verfehlt die Kirche über ihr weltliches Engagement ihren Auftrag?

PRO

In vielen Gemeinden findet wahrhaft christliches Leben statt, arbeiten Pfarrer bis an die Grenze zur Selbstaufgabe – und werden von ihren Kirchenleitungen oft allein gelassen.

Was Kirchenleitungen tun sollten und was nicht

Es stellt sich die Frage, erfüllen Kirchenleitungen ihre Aufgaben? Die Bereiche, um die sie sich allein zu kümmern haben, sind: Bibellesung, Gottesdienst, Seelsorge, Diakonie, Bildung und Mission. Tun sie das, dann wirkt Kirche politisch, weil der Christ, der in seiner Gemeinde seinen Glauben erfährt, als Bürger diesen Glauben mit in sein politisches Engagement nimmt. Kirchenleitungen haben den Christen nicht vorzuschreiben, wie sie politisch zu denken und sich zu verhalten haben. Sie haben weder den Glauben durch Gesinnung zu ersetzen, noch haben sie aus einer parteipolitischen Perspektive über die Gläubigen zu urteilen. Für ein Amt in der Kirche befähigen allein der christliche Glaube und das Vertrauen der Gemeinde. Die Ortsgemeinden müssen gestärkt werden, finanziell wie personell. Genügend Geld ist vorhanden, wenn der aufgeblähte Apparat der Kirche reformiert und radikal reduziert wird. Überflüssige Sonderpfarrerstellen und unchristliche Projekte wie das Projekt „Netzteufel“ oder der Arbeitsbereich Demokratiekultur der Evangelischen Akademie zu Berlin sind ersatzlos zu streichen. Die Kirche benötigt weder eine Studienstelle für Gender, noch ein Kulturbüro. Beispiele, dass Kirchenleitungen nicht auf der Höhe des Glaubens, sondern sich in den Niederungen der Parteipolitik bewegen, sind Legion. Die Existenz der Kirche hängt daran, ob sie die sechs Aufgaben erfüllt. Und die vornehmste aller Aufgaben, in die alle anderen aufgehen, ist die Mission.

(Der Autor, Klaus-Rüdiger Mai (Zossen), ist promovierter Historiker und Literaturwissenschaftler sowie Schriftsteller. Zuletzt erschien sein Buch „Geht der Kirche der Glaube aus?“)

KONTRA

„Die Liebe gehört mir wie der Glaube“, so hat es Johann Hinrich Wichern, einer der Väter der modernen Diakonie, gesagt. Für ihn war sehr klar, dass Wort und Tat, Glaube und Liebe zwei Seiten derselben Medaille sind. Sie lassen sich nicht trennen. Das gilt bis heute. Kirche allein auf die Verkündigung zu reduzieren und ihre Wirksamkeit auf kirchliche Räume zu beschränken, ist ein theologischer Irrweg. So würde sie ihren Auftrag gründlich missverstehen, die Relevanz des Evangeliums gerade vor der Kirchentür zu bezeugen: ihren öffentlichen Auftrag als Kirche des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Seinem Dienst der Versöhnung an der Welt und an den Menschen entsprechend will Kirche sich selbstlos in den Dienst nehmen lassen.

Die Kirche ist immer diakonische Kirche

Kirche kann gar nicht anders, sie ist von ihrem Grunde her immer schon diakonische Kirche. Ihr absichtsloses Engagement für die Schwächsten genauso wie für die vermeintlich Starken ist wohlverstanden Teil ihrer Mission. Darum kümmert sich die Kirche Jesu Christi um die Qualität der Verkündigung und um zeitgemäße Formen der Kommunikation des Evangeliums genauso wie um Flüchtlinge, Migranten, Altersarmut, bezahlbaren Wohnraum oder um die informellen Bildungsvoraussetzungen von Vorschulkindern.

In einer religiös, ethnisch und kulturell pluraler sowie ungleicher werdenden Gesellschaft liegen große Chancen für die öffentliche Relevanz des Evangeliums gerade darin, dass Kirche und Diakonie ihre Verbundenheit im gemeinsamen Dienst an den immer unterschiedlicher werdenden Menschen wieder neu entdecken und zusammen leben.

(Der Autor, Pfarrer Ulrich Lilie (Berlin), ist Präsident der Diakonie Deutschland und Vorsitzender des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung.)


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