(“Adventisten heute”-Aktuell, 27.4.2012) Nach fünf Jahren endet in Deutschland die “Laufzeit” einer Verbands-Tätigkeitsperiode. Das bedeutet, dass die Vertreter der Vereinigungen im Rahmen einer “Delegiertenversammlung” den Rechenschaftsbericht entgegennehmen, das bisherige Leitungsteam entlasten, beglaubigen und für die nächste Konferenzperiode neu- bzw. wiederwählen. Außerdem werden Anträge behandelt und Arbeitspläne verabschiedet. Diese Delegiertenversammlung findet 2012 sowohl im Nord- als auch im Süddeutschen Verband der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten statt, und zwar im Abstand von zwei Wochen, beginnend beim Norddeutschen Verband (NDV).
Kein Überraschungseffekt mehr bei den Wahlen
Früher wurden alle genannten Aufgaben vor Ort und unter enormem Zeitdruck erledigt. Seit einigen Jahren tagen sowohl der Beglaubigungs- als auch der Ernennungsausschuss mehrere Wochen vor der Delegiertenversammlung. Dadurch fällt der Zeitdruck weg und die Personalfragen können viel gründlicher erörtert werden. Da die Wahlvorschläge den Delegierten einige Wochen vorher zu deren persönlichen Vorbereitung mitgeteilt werden, gibt es diesbezüglich keinen Überraschungseffekt mehr. Man weiß also bei der Ankunft am Tagungsort, wer zur Wahl vorgeschlagen wird, die Person ist in jedem Falle anwesend und nimmt in der Regel auch die Wahl an.
Ein neuer Präsident (Vorsteher)
Aus diesem Grund lief die Wahl des Leitungsteams für den NDV am 22. und 23. April in Geseke (bei Paderborn, NRW) durch die etwa 216 Delegierten aus den vier Vereinigungen NRW, Niedersachen/Bremen, Hansa und Berlin-Mitteldeutschland problemlos ab. Da der bisherige Vorsteher, Pastor Klaus van Treeck, bereits im Dezember 2011 mitgeteilt hatte, dass er für eine weitere Konferenzperiode nicht zur Verfügung steht, schlug der unter dem Vorsitz des EUD-Präsidenten tagenden Ernennungsausschuss Pastor Johannes Naether als seinen Nachfolger vor. 162 Delegierte stimmten dafür, 33 dagegen.
Johannes Naether (51) ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder (zwischen 20 und 24). Der gebürtige Kölner studierte zunächst Geschichte und Englisch in Köln und bereitete sich danach am damaligen adventistischen Theologischen Seminar Marienhöhe, Darmstadt, auf seinen Pastorendienst vor. Als Pastor wirkte er 14 Jahre in Hannover, Gifhorn und Braunschweig. Seit 2001 war er Vorsteher der Freikirche in Niedersachsen/Bremen. Er ist ein begeisterter Sportler (Laufen, Radfahren, Bergsteigen).
Pastor Klaus van Treeck (59) stand seit 2004 dem NDV vor. Er stellte sich den Delegierten nicht zur Wiederwahl, da er “die nächsten sechs Jahre seines Berufslebens mit neuen Herausforderungen füllen” wolle. Er wird in Zukunft das von ihm gegründete Institut für Weiterbildung (IfW) sowie das Institut Christliche Dienste (ICD) leiten. (Der bisherige Leiter der Institute, Dr. Roland E. Fischer, ist inzwischen als Dozent für Pastoraltheologie an der adventistischen Theologische Hochschule Friedensau bei Magdeburg tätig.)
Ein neuer “Jugendmann”
Im Mai 2011 wurde der damalige Leiter der Abteilung Jugend im NDV, Pastor Martin Knoll, zum Vorsteher der Freikirche in NRW gewählt. Im Oktober 2011 übernahm Nadine Seefeldt als Jugendreferentin kommissarisch die Leitung der Jugendabteilung. Nun wählten die Delegierte ihren Mann, Bert Seefeldt, zum Leiter der Abteilung Jugend, Pfadfinder und Kinder im NDV. Pastor Bert Seefeldt ist 35 Jahre alt und war seit 2007 ebenfalls als Leiter der Adventjugend in der Vereinigung Niedersachsen/Bremen tätig. Zuvor war er Gemeindepastor in Lüneburg. Nun wird also das Ehepaar Seefeldt diese wichtige Aufgabe im NDV gemeinsam wahrnehmen.
Das Team ist nun vollständig
Die zum Vorstand des NDV noch gehörenden Personen, nämlich der Sekretär (zugleich stellvertretender Vorsitzender) und der Schatzmeister, wurden wiedergewählt: Pastor Friedbert Hartmann (53) wurde als Sekretär mit 184 Ja- und 19 Nein-Stimmen bestätigt; Schatzmeister Günter Brecht (63) erhielt 189 Ja- und 16 Nein-Stimmen.
Als weitere Abteilungsleiter wurden wiedergewählt: Annekatrin Blum (Abteilung Frauen), Pastor Karl-Heinz Walter (Kommunikation) und Pastor Wilfried Schulz (Missionarischer Gemeindeaufbau). Gewählt wurde außerdem der aus 31 Personen bestehende Verbandsausschuss als oberstes Gremium zwischen den alle fünf Jahre stattfindenden Delegiertenversammlungen.
Interessante Fragen zum Konferenzbericht
Das Interesse am Konferenzbericht, der als 140-seitiges Heft vorgelegt wurde, war groß. Unter der souveränen Leitung der Rechtsanwälte Rolf Müller-Blom (Hannover) und Tobias Koch (Friedensau) beteiligten sich ca. 50 Personen am Gespräch über die vorgelegten Informationen: Woran scheiterten die Gespräche mit ASI-Deutschland? Was ist mit der “Zukunftskonferenz” gemeint und wann soll sie stattfinden? Wie ist die FiD (Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland) legitimiert? Wie kann der Mitgliederverlust (968 Personen in fünf Jahren) gestoppt werden? Wie kann die (organisatorische) “Inkompatibilität” zwischen den Abteilungen Gemeindeaufbau im NDV und dem Süddeutschen Verband (SDV) überwunden werden? Geben auch Unionen, die keine Vereinigungen haben, genauso viel ihres Zehnteneinkommens an die Generalkonferenz weiter? – das ist eine kleine Auswahl der gestellten und behandelten Fragen.
Zeitersparnis dank Televoting
Erstmalig in unserer Freikirche in Deutschland wurde elektronisch mittels persönlicher, anonymer Abstimmgeräte gewählt. Die vorgesehene “Zählkommission” war somit arbeitslos und die gewonnene Zeit stand für ausführlichere Diskussionen zur Verfügung. Die Abstimmungsergebnisse waren nach ein paar Sekunden graphisch auf der Leinwand für alle zu sehen.
Die “Probeübungen” zu Beginn brachten folgende interessante Ergebnisse bezüglich der Zusammensetzung der Delegierte zum Vorschein: 81 Prozent der Delegierte sind männlich, 19 Prozent weiblich gewesen. Die Altersaufteilung sah so aus: bis 21 Jahre alt: 1 Prozent; zwischen 22 und 35 Jahre alt: 16 Prozent; zwischen 36 und 60 Jahre alt: 63 Prozent; über 60 Jahre alt: 19 Prozent.
20 Jahre NDV
Ein besonderer Höhepunkt (die Bayern würden dazu “Schmankerl” sagen) war am Sonntagabend die kleine Feierstunde “20 Jahre Norddeutscher Verband”. Unter der Leitung des letzten Vorstehers des Ostdeutschen Verbandes (ODV), Lothar Reiche, des letzten Vorstehers des Westdeutschen Verbandes (WDV), Reinhard Rupp, und des Sekretärs des Übergangs, Walfried Eberhardt, gab es eine musikalische, geistliche und heitere Rückschau auf eine nicht leichte aber segensreiche Zeit des Zusammenkommens und Zusammenwachsens.
“Eigentlich hätte Ost und West sagen müssen: Leute, wir passen nicht zusammen. Aber neben vielen gravierenden Unterschieden war der unbedingte Wille zu einem neuen, geschwisterlichen Miteinander”, sagte Reinhard Rupp, der erste Vorsteher des NDV, wehmütig in seinem Rückblick, und fügte hinzu: “Dabei war der NDV das Letzte, was sich die gewünscht haben, die damals dabei gewesen sind. Der NDV wurde als Zwischenschritt zur vollen Einheit unserer Freikirche in Deutschland verstanden – dabei ist es bis heute geblieben.” Bei der Gründung des NDV hätten die Beteiligten gelernt: Was uns eint, ist weit größer als das, was uns trennt. Außerdem hätten sie erkannt: “Wichtiger als eine gemeinsame Struktur ist der Wille zur inneren Einheit – sie ist durch Strukturreformen nicht zu ersetzen.”
Einiges zu lachen gab es bei der Sammlung an Anekdoten und Protokoll-Ausschnitten, die Walter Eberhardt vortrug, sowie beim Auftritt von Werner Jelinek als Gärtner, der Feingeistiges aus der Arbeit und Zusammenarbeit im Weinberg des Herrn zum Besten gab.
“Einheit beginnt im Herzen” (Günther Machel)
Den zweiten Sitzungstag (Montag) starteten die Delegierte mit einem Geburtstagslied für den Vorsteher des SDV, Pastor Günther Machel, der an diesem Morgen die Andacht zu halten hatte. Er sei tief bewegt vom Sonntagabend (“20 Jahre NDV”), sagte er in seiner Einführung. “Innerlich sind wir nicht getrennt, denn Einheit beginnt im Herzen.” Am Beispiel 2. Mose 17 sprach Machel über innere Kämpfe (das Hadern der Israeliten gegen ihren Leiter Mose bei Refidim) und äußere Kämpfe (der Krieg gegen die Amalekiter, der nur durch die Unterstützung Moses im Gebet errungen wurde). “Unterschätzen wir die Macht des Gebets und der Fürbitte nicht!”, mahnte er, und zitierte Dietrich Bonhoeffer: “Eine christliche Gemeinschaft lebt aus der Fürbitte der Glieder füreinander, oder sie geht zugrunde. Einen Bruder, für den ich bete, kann ich bei aller Not, die er mir macht, nicht mehr verurteilen oder hassen. Sein Angesicht, das mir vielleicht fremd und unerträglich war, verwandelt sich in der Fürbitte in das Antlitz des Bruders, um dessentwillen Christus starb, in das Antlitz des begnadigten Sünders … Es gibt keine Abneigung, keine persönliche Spannung oder Entzweiung, die nicht in der Fürbitte, was uns betrifft, überwunden werden könnte. Die Fürbitte ist das Läuterungsbad, in das der einzelne und die Gemeinschaft täglich hinein müssen.” ( Gemeinsames Leben , S.73)
Zum Schluss betonte er die Wichtigkeit der “Kommunikationssysteme” – nach oben (Gott) und untereinander: “Wenn unser geistliches Funksystem ausfällt, verlieren wir die Orientierung und beginnen, uns gegenseitig zu bekämpfen.”
Zwei heiße Eisen angefasst
Neben Anträge organisatorischer Art wurden am zweiten Sitzungstag zwei Beschlüsse gefasst, die Signalcharakter haben dürften. Bei beiden handelt es sich um jahrzehntelang andauernde “Baustellen”: die Ordination von Frauen als Pastorinnen und die Schaffung eines gesamtdeutschen Verbandes. Die Geschichte über die gescheiterten Anläufe zu einer Zusammenlegung des NDV und des SDV zu einem Deutschen Verband kann im digitalen Buch “Adventgemeinde – fit für die Zukunft?”, S. 11-19, nachgelesen werden, das hier kostenlos heruntergeladen werden kann.
Die Auseinandersetzung um die Ordination von Frauen zum Pastorenamt wird auf oberster Ebene (Generalkonferenz-Vollversammlungen) seit den 1980er Jahren geführt. Frauen können nach ihrem Theologiestudium in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten zwar als Pastorin “gesegnet” werden und damit fast alle Amtshandlungen, wie Taufe, Abendmahl, Trauung und Beerdigung, vornehmen; doch ordiniert werden nur männliche Geistliche. Damit ist Pastorinnen auch das Amt des Vorstehers und des Sekretärs einer Vereinigung bzw. eines Verbandes verwehrt, das eine Ordination erfordert.
Während die Ordination von Pastoren weltweit innerhalb der Kirche Gültigkeit hat, können Frauen als Pastorinnen nur in den Gebieten wirken, die zu einer Kirchenleitung gehören, welche die Segnung praktiziert. Die Weltsynoden der Adventisten 1990 in Indianapolis/USA und 1995 in Utrecht/Niederlande hatten die Ordination von weiblichen Geistlichen mehrheitlich abgelehnt. Die Zulassung von Frauen, die als ordinierte Pastorinnen amtieren, ist außerhalb von Nordamerika, Westeuropa, China und Australien/Ozeanien, wo nur etwa 13 Prozent der weltweit rund 17 Millionen erwachsen getauften Mitglieder leben, äußerst umstritten.
Keine Benachteiligung mehr aufgrund des Geschlechts
Nach einer überwiegend sachlich und befürwortend geführten Diskussion mit ca. 40 Wortmeldungen sprachen sich 160 Delegierte dafür aus, die Ordination von Frauen zum Pastorenamt im Bereich des NDV zuzulassen. 47 stimmten dagegen – nicht alle taten dies, weil sie die Ordination von Frauen ablehnen, sondern weil sie das Herbeiführen dieses Beschlusses auf Verbandsebene als eine Missachtung der zurzeit gültigen Regelung der Weltkirchenleitung ( Working Policy der Generalkonferenz) betrachten.
Die dafür stimmten, wissen sehr wohl um diese Diskrepanz, möchten dennoch mit ihrem Votum signalisieren, dass sie des Wartens müde sind, und hoffen, damit einen Beitrag dafür geleistet zu haben, dass 2015 in St. Antonio (USA) endlich eine regional unterschiedliche Regelung zugelassen wird. In diesem Denken fühlen sie sich vereint mit der Trans-Europäischen Division und mit verschiedenen Unionen und Vereinigungen in den USA, die ähnliche Beschlüsse gefasst haben – nicht um die Generalkonferenz zu brüskieren, sondern um einen ihrer Einschätzung nach unbiblischen und diskriminierenden Zustand zu beenden. Es seien letztlich keine theologischen Argumente, die dagegen sprechen, sondern nur kulturelle.
Die letzte Unterstützung für dieses Vorangehen lieferte der ehemalige Präsident der Weltkirchenleitung, Dr. Jan Paulsen, in seiner Ansprache anlässlich der Frühjahrssitzung der Generalkonferenz am 17. April 2012, die bei ANN sowohl im vollen Wortlaut als auch in Videoform abrufbar ist. Paulsen wies u. a. darauf hin, dass unser Verständnis von Ordination weder römisch-katholisch noch priesterbezogen sei. Das war auch ein Punkt in der Diskussion in Geseke: Mehrere Delegierte gaben die Empfehlung, das adventistische Ordinationsverständnis mit der “segnenden Beauftragung für besondere Dienste” im Neuen Testament zu vergleichen. Letztlich wurde auch beschlossen, dass der NDV in Zusammenarbeit mit der Theologischen Hochschule Friedensau eine Übersicht der adventistischen Forschung der letzten Zeit bezüglich der Ordination von Frauen liefert, denn alles, was dazu zu sagen wäre, sei bereits auf tausenden von Seiten (in englischer Sprache) veröffentlicht worden.
Hochzeit in Sicht?
Seit 20 Jahren bereite sich die Braut NDV auf eine Hochzeit vor, die immer wieder verschoben werde; die damalige, historische Chance (der kairós ) wurde verpasst, aber vielleicht sei es noch nicht zu spät für den Vollzug der (Wieder-)Vereinigung; die Geschichte der 20 Jahre NDV sei eine Geschichte des Segens durch gegenseitige Bereicherung gewesen, es wäre schön, wenn auch der SDV einen ähnlichen Segen gemeinsam mit dem NDV erleben könnte – solche und ähnliche Gedanken wurden während des Gesprächs über den Antrag geäußert, NDV und SDV mögen die Gespräche mit dem Ziel wieder aufnehmen, bis Oktober 2016 ein beschlussfähiges Modell für eine Zusammenlegung am Ende der Konferenzperiode 2017 vorzulegen. 180 Delegierte stimmten dafür, 30 dagegen.
In einer Woche (am 6. Mai) werden die Delegierte des SDV zusammenkommen. Das Thema Reorganisation der Freikirche in Deutschland steht nicht auf der Agenda. Noch nicht, denn als Eilantrag kann er aufgrund des deutlichen Werbens des NDV zum Gesprächsgegenstand werden. Die Unterstützung von zwei Vereinigungen wurde signalisiert, wenn auch die Leitung des SDV dieses Anliegen unterstützt, dann dürfen wir alle auf die Delegiertenversammlung am 6. Mai gespannt sein. Schade, dass man für diese Tagung nur einen Tag anberaumt hat! Aber es genügt auch nur ein JA zur Verlobung, es geht noch nicht um die Hochzeit. (Elí Diez-Prida)
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